Dienstag, 24. Januar 2023
Freizeitstress
Nachdem ich die ersten Monate in Delhi fast nichts gemacht habe, ausser zur Arbeit zu gehen. Und für die Kolloquien in den Norden Delhis zu fahren. Hat sich das jetzt sehr geändert. Ich bin froh, wenn ich mal in Ruhe einen Abend oder am Wochenende einen Tag zu hause verbringen kann. Denn:

Filmvorführung im India Habitat Centre


Wir gehen zusammen zu Filmvorführungen im India Habitat Centre (vom Institut Francais) oder im Max Müller Bhavan.

Blick von einer Dachterasse


Nach den Filmen gehen wir Essen oder vorher zum Sundowner auf eine Dachterasse. Ich treffe mich mit Freund_innen und Kolleg_innen zum Spaziergehen oder Kaffee.

Drei Schwestern in der Küche


Und ich verbringe Zeit mit meiner Familie.

Ich scheine in Delhi mehr angekommen zu sein. Die Zeit der anfänglichen (Selbst-)Isolation (mit der damit verbundenenen Ruhe) ist vorbei.

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Sonntag, 22. Januar 2023
Zensur
Die BBC hat einen Dokumentarfilm über die Rolle des jetzigen indischen Premierministers Modi bei den Pogromen in Gujarat im Jahr 2002 veröffentlicht (kann nur in Großbritannien angeschaut werden und nicht mit VPN). Die Inhalte sind - soweit ich das überblicken kann - nichts Neues, sondern schon seit Jahren bekannt und publiziert. Trotzdem geht die indische Regierung massiv dagegen vor (siehe z.B. Berichterstattung im Indian Express), bringt Twitter und Youtube dazu Verweise darauf zu entfernen, hetzt gegen den Film, unter anderem in dem sie ihm vorwirft, kolonial zu sein.

Unabhängig von der Zensur, oder wahrscheinlich eher wegen der Zensur haben alle mit denen ich bisher darüber gesprochen habe, den Film schon gesehen (okay, ich habe erst mit zweien darüber gesprochen).

Nachtrag: Nach weiteren Gesprächen kann ich jetzt sagen, dass noch nicht alle ihn gesehen haben, aber durchaus einige wissen, wie sie ihn sehen könnten. Und das es Angst gibt, öffentlich darüber zu sprechen und den Film runterzuladen. Sie haben Angst, dass es Folgen haben könnte. Das ist das erstemal, dass ich sowas erlebe. Die Kollegin mit DDR-Erfahrung wiederum fühlt sich erinnert. Und das alles für Inhalte, die bereits alle bekannt und veröffentlicht sind.

Nachtrag 24.01.23: Alternative Quellen wie das Internet Archive haben den Film auch runtergenommen The Hindu berichtet. Sehen wollen ihn jetzt auf jeden Fall alle.

Nachtrag 27.01.23: An verschiedenen Universitäten versuchen Studierendenvertretungen den Dokumentarfilm zu zeigen und werden von Universitätsleitungen und der BJP-Studierendenvertretung dabei gestört. Zum Beispiel in der JNU.

Nachtrag 01.02.23: Die taz berichtet jetzt auch. Und The Wire findet die BBC Dokumentation schlecht gemacht. Sie könnte kritischer sein. Scroll.in weist darauf hin, dass die EU einen Bericht zu den Pogromen in Gujarat 2002 nicht veröffentlicht.

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Freitag, 20. Januar 2023
The Book Shop
The book shop The Book Shop in Jor Bagh.


Gabriele Dietze bat mich für ihr Forschungsprojekt Quarantine Cultures nach indischen Romanen zur Pandemie zu schauen.

Ein Stapel Bücher aus The Book Shop.


Also bin ich letztes Wochenende mal in den Buchladen um die Ecke gegangen. Und das war sehr nett. Die Buchhändlerin wusste zwar nicht sofort was, hat sich aber dann schlau gemacht und mir ein Buch bestellt ("Homebound", das lese ich gerade). Als ich dann noch nach queeren und/oder feministischen Romanen aus Indien fragte, ist sie sofort zum Buchregal gegangen und hat diverses aus dem Regal gezogen. Als ich ein anderes rauszog, in dem drei Frauen im Zentrum stehen, meinte sie, dass hätte eher keine feministische Perspektive. Ein paar der von ihr empfohlenen Bücher kannte ich schon, von den anderen habe ich erstmal zwei ausgesucht und mitgenommen. Eines ("Qabar") habe ich schon gelesen und fand es beeindruckend. Ausserdem habe ich noch einen Krimi zu Delhi mitgenommen, denn sie sehr empfholen hat.

Dann hat mich die Buchhändlerin noch nach aktuellen Trends der deutschen Literatur gefragt. Und da ich da nicht so recht antworten konnte (ausser Merle Kröger zu empfehlen), habe ich sie mal mit meiner Buchhändlerin aus Berlin vernetzt. Ich hoffe, die kommen in einen guten Austausch.

Gute Buchhandlungen sind echt goldwert.

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Donnerstag, 19. Januar 2023
Über Essen reden
Gemeinsames Mittagsessen im Büro


Inder_innen würden viel über Essen reden, erklärten mir Freund_innen in Berlin. Und ich widersprach. In meiner indischen Familie wurde nie viel über das Essen gesprochen. Aber seit ich hier bei ICAS:MP arbeite, kann ich die Aussage unterstützen. Meine indischen Kolleg_innen verbringen das gemeinsame Mittagsessen meist damit, ausführlich über die Zubereitung der verschiedenen Gerichte, über die Zutaten, etc. zu sprechen. Sie sind alle engagiert dabei, egal ob sie die Gerichte selbst gekocht oder ihre Mutter oder ihre Köchin gekocht hat.

Wieder was über Indien gelernt. Und über Essen.

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Mittwoch, 18. Januar 2023
Interkulturelle Zuschreibungen
Teil des Weihnachtsbuffets im Büro


Das neue Jahr hat neue Fellows gebracht. Fellows mit transnationalen Erfahrungen und dem Wunsch, keine Fehler zu machen. Also fragte uns die eine, wie denn das sei mit dem Essen nur mit der rechten Hand.

Jeder (vermute ich) deutsche interkulturelle Ratgeber zu Indien erklärt, dass auf keinen Fall mit der linken Hand gegessen werden darf. Sondern nur mit der rechten. Alles andere ist unrein. Angeblich.

Mir war schon früh aufgefallen, dass sich unsere indischen Kolleg_innen nicht an diese Regel, die auch ich als gegeben angenommen hatte, halten. Als sie nun explizit gefragt wurden, verstanden sie die Frage gar nicht. Unsere 22jährige Kollegin hatte noch nie davon gehört, dass man das nicht dürfe.

Mal wieder ein Hinweis darauf, dass interkulturelle Handlungsempfehlungen mit großer Vorsicht zu betrachten sind. Kultur ist nicht homogen und statisch. Allgemeine Regeln stimmen situativ eher nicht.

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Dienstag, 17. Januar 2023
RSS und LGBTQ
Der Leiter des hindunationalistischen RSS Mohan Bhagwat hat kürzlich in einem Interview, Offenheit für LGBTQ gezeigt (siehe Indian Express). Zwei Tage später haben im Indian Express der Vize-Chef der BJP-Jugendorganisation und ein Doktorand erklärt, dass die Linken Hindutva nicht verstehen und diese Haltung gegenüber LGBTQ nicht überraschend sei. Ein paar Tage später hat der Indian Express noch einen Erklärtext gebracht.

Es ist schon lange klar, dass es in Indien queere Aktivist_innen gibt, die dem Hindu-Nationalismus nahe stehen oder vertreten. Das lässt sich vereinbaren, wie auch in der AfD (wie z.B. die Forschung von Patrick Wielowiejski zeigt).

Das heisst aber nicht, dass LGBTQ hier in Indien sicher sind. Gerade wurde eine Diskussion zu LGTBQ-Rechten mit dem offen schwulen Filmmacher Onir bei einem Literaturfestival in Bhopal wegen Sicherheitsbedenken abgesagt, anstatt für ausreichend Sicherheit zu sorgen (siehe auch Indian Express). Wer gedroht hat, wurde nicht berichtet. Es ist aber naheliegend, dass es Rechte waren.

Und sowieso: Auch wenn Mohan Bhagwat sich in dem Interview offen zu LGBTQ zeigt, zeigt er gleichzeitig die hindunationalistische Hetze gegen Muslim_innen (siehe auch Indian Express-Kommentar). Gegen diese sieht er die Hindu-Gesellschaft im Krieg.

Die Inklusion von LGBTQ durch die RSS ist nichts erstrebenswertes.

Nachtrag 18.01.23: Auf Scroll.in gibt es jetzt auch einen Kommentar, der die Homophobie des Hindu-Nationalismus thematisiert.

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Montag, 16. Januar 2023
Max oder Meks?
Zweisprachiges Straßenschild Max Mueller Marg


Das India International Centre ist in der Max Mueller Marg. Das Goethe-Institut in Indien heisst Max Mueller Bhavan. Max Müller war ein wichtiger Indologe , der in Oxford an der Universität geforscht hat und nie in Indien gewesen ist, soweit ich weiss.

Am Straßenschild lässt sich sehen, warum es nicht sinnvoll ist beim Übersetzen zwischen Deutsch und Hindi über Englisch zu gehen, zumindestens was die Vokale angeht. Im Hindi steht da, wenn ich es richtig lese: Meks Myular. Müller ist da noch ganz gut getroffen, aber der arme Max wird anglisiert. Maks würde es besser treffen. Oder war in Oxford aus Max sowieso schon Meks geworden?

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