Mittwoch, 21. Oktober 2015
Vorträge in Frankfurt/Oder (und Berlin): Internet und Migration
Im Rahmen der Research Factory B/ORDERS IN MOTION finden am Mittwoch, den 04. November 2015, von 17:00-19:00 Uhr im Stephan-Saal (PG-257) der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder zwei Vorträge rund um ethnographische Betrachtungen des Internets statt: Ich spreche zu "The Indernet – From Internet Portal to Facebook" und Radhika Gajjala zu "Desis Hanging out in Digital Diasporas".

Hier die Abstracts zu den beiden Vorträgen:

The Indernet – From Internet Portal to Facebook

The internet portal Indernet was founded by Indians of the second generation in Germany for others like themselves in the year 2000. Soon it became a very active space of the second generation, the users adapted the technological infrastructure of the internet portal to their own needs and a sense of community developed. Due to technical problems the internet portal stagnated in the late 2000s and was relaunched as a blog and a Facebook page in 2011. A new Indernet developed, which has little resemblance to the earlier community space. The presentation asks in how far the new environments of the Facebook page and the blog have contributed to changing the character of the Indernet. In particular it will explore the question why in the case of the Indernet the new social media are less able to create a community than the previous internet portal.

Desis Hanging out in Digital Diasporas

This presentation works from a conceptualization of (South Asian) digital diasporas that connects work on digital materiality, affect and labor. It discusses how Indian-identified artifacts, practices, soundbytes, and images travel through digital worlds, leaving behind traces and time-stamps that get re-invigorated while being used transnationally and in various locations. I note how these social formations over generations of South Asian digital diasporas further contribute to the transnational sprawl of South Asians at work and play. Images and sound are routed through renewed identifications and re-memberings across generations and through physical geographies where South Asian identified culture becomes recognizable. Yet the practices of engagement with these media texts are transformed and hybridized differently in each of these locations “in increasingly convergent work and play environments where leisure platforms are usurped and appropriated” (Arora, 2014). Thus, these travelling media bytes actively contribute to processes of transnationalization, crowdsourcing and crowdfunding of labor and business through recoded subjectivities that negotiate multiple mediations along various continuums – online and offline, private and public, home and nation, with body and out of body.

Radhika Gajjala hält ihren Vortrag auch nochmal in Berlin am 5.11.15 um 16.00 Uhr im Institut für Europäische Ethnologie:

Poster für den Vortrag von Gajjala in Berlin

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Vortrag in Berlin: Verflochtene Machtverhältnise
Im ersten theoretischen Vortrag der öffentlichen Ringvorlesung "Einführung in die Rassismusforschung" spreche ich am Montag, den 26.10.15 um 16.00 Uhr zu verflochtenen Machtverhältnissen.

Soziale Positionierungen von Menschen sind komplex und kontextspezifisch. Sie werden nicht nur durch ein Machtverhältnis, wie z.B. Rassismus, geprägt, sondern durch ein Zusammenspiel unterschiedlicher Machtverhältnisse wie Rassismus, Heteronormativität, Klassismus oder Ableismus. Dabei wirken die Machtverhältnisse zusammen, bedingen sich gegenseitig, stärken sich oder produzieren ambivalente Positionierungen. Ein Begriff, um diese Verflechtungen zu beschreiben, ist Intersektionalität.

Der Vortrag stellt vor, wie Intersektionalität als Analyseperspektive für machtkritische Forschung genutzt werden kann.

Die Ringvorlesung "Einführung in die Rassismusforschung“ findet im Hörsaal BIB 014 der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin, Fasanenstr. 88 statt.

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Dienstag, 20. Oktober 2015
Frauenförderung
Ein Workshop in einem Frauenförderprogramm. Eine Teilnehmende hat ihr viermonatiges Kind mitgebracht. Der Vater muss arbeiten und kann sich erst am Nachmittag frei nehmen. Kinderbetreuung war im Ausschreibungstext zwar angekündigt worden. Das Geld ist aber nicht bewilligt worden.

Das Kind ist sehr ruhig, ab und zu gibt es ein paar Laute von sich. Ich sitze direkt daneben, es stört mich nicht (obwohl ich schlecht höre). Die Trainerin aber macht jedesmal eine Pause, wenn das Kind etwas hörbar wird. Dann fordert sie die Mutter auf mit dem Kind den Raum zu verlassen.

Die Mutter steht sofort auf und will den Raum verlassen. Ich bin von der ganzen Situation irritiert (Frauenförderung, Familie und Karriere, ziemlich ruhiges Kind, ...) und frage nach, was der Grund ist, warum die Mutter gehen soll. Da ich selbst bei Nebengeräuschen nur schwer Bildungsarbeit machen kann, kann ich mir vorstellen, dass ein Problem vorliegt und wir da was zu klären haben. Im ersten Satz nimmt die Trainerin auch mein Angebot an und sagt was von Hören und ihrer Stimme. Dann aber sagt sei "Meine Stimme ist meine Stimme". Die Message ist klar, da ist nichts zu verhandeln. Die Mutter verlässt den Raum.

Im Folgenden führt das ganze zu einer Eskalation, da noch weitere Teilnehmende irritiert sind und die Trainerin sich einer Auseinandersetzung verweigert.

Thema des Workshops war "Verhandeln".

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Sonntag, 18. Oktober 2015
Zur Ausgrenzung von Roma
in Osteuropa schreibt Stephan Müller in der taz.

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Samstag, 3. Oktober 2015
St. Florians Prinzip
'Deutschland kann nicht alle aufnehmen.' 'Die Grenzen der Aufnahmefähigkeit sind erreicht.' So heisst es immer öfter. Und so wird legitimiert, die Grenzen vor jenen zu verschliessen, die vor Krieg, Konflikt, Armut und oder sonst widrigen Lebensverhältnissen fliehen.

Aus nationalstaatlicher Logik mag das Sinn machen. Türen und Augen zu und hoffen, dass keiner mehr kommt. Gemäß dem Sankt-Florian-Prinzips: "Heiliger Sankt Florian / Verschon' mein Haus / Zünd' and're an!"

Für alle, die ein Perspektive haben, die über die nationalen Grenzen hinaus geht, ist es Blödsinn, so zu argumentieren. Die Menschen fliehen unabhängig von dem, was in Deutschland passiert. Sie brauchen Unterstützung. Und ja, es kann sein, dass diese Unterstützung dazu führt, dass jene, die sie gewähren, dadurch einen niedrigeren materiellen Lebensstandard haben werden. Aber ist das ein Grund, keine Hilfe zu leisten? Wer kann es mit seinen Grundwerten vereinbaren, nicht zu helfen, wenn es Menschen gibt, die die Hilfe brauchen?

Menschen in Not haben immer wieder erlebt und erleben noch heute, wie ihnen Türen vor der Nase zugeschlagen werden. Viele haben dafür mit dem Leben bezahlt, viele werden dafür noch mit dem Leben bezahlen. Und wir wollen unseren Wohlstand schützen, in dem wir die Türen fest verschliessen? Auf welche Werte berufen wir uns dabei?

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Freitag, 2. Oktober 2015
Ende der Willkommenskultur
Die Willkommenskultur ist nun offiziell vorbei. De Maiziere hetzt im ZDF gegen die Flüchtenden (ich zitiere aus tagesschau.de):

"Sie gehen aus Einrichtungen raus, sie bestellen sich ein Taxi, haben erstaunlicherweise das Geld, um Hunderte von Kilometern durch Deutschland zu fahren. Sie streiken, weil ihnen die Unterkunft nicht gefällt, sie machen Ärger, weil ihnen das Essen nicht gefällt, sie prügeln in Asylbewerbereinrichtungen."

Wer die Situation der Flüchtenden, die Unglaubliches hinter sich haben und in überfüllten Unterkünften unter menschenunwürdigen Bedingungen wohnen müssen, so beschreibt, giesst Öl ins rassistische Feuer. Kein Wunder, dass tagesschau.de die Kommentarfunktion schliessen muss:

"Anmerkung der Redaktion: Wir haben die Kommentierung dieses Artikels beendet, weil die überwiegende Anzahl der Kommentare nicht unserer Netiquette entsprochen hat."

Ein verantwortungsvoller Umgang mit der Situation der Flüchtenden und auch den Konflikten, die daraus entstehen, geht anders.

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Donnerstag, 1. Oktober 2015
Kritik an Asyrechts-Reform
Der Rat für Migration schreibt:

Die Bundesregierung plant weitreichende Änderungen des Asylrechts: So soll die Liste der "sicheren Herkunftsstaaten" erweitert werden, Asylbewerber sollen künftig bis zu sechs Monate in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden und dort in der Regel Sachleistungen statt Geld erhalten. Das Bundeskabinett will das Gesetz noch heute beschließen. Die Debatten in Bundestag und Bundesrat sind für Mitte Oktober geplant. Der Rat für Migration bewertet die geplanten Reformen als höchst problematisch: "Mit ihrem aktuellen Plan setzt die Bundesregierung eine Politik fort, die in erster Linie auf Abschreckung und Abschottung basiert. Damit verschlechtert sie nicht nur die Situation der Flüchtlinge, sondern erstickt auch die Bereitschaft vieler Bürgerinnen und Bürger, sich aktiv für Schutzsuchende einzusetzen", so Prof. Dr. Werner Schiffauer, Kultur- und Sozialanthropologe an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Darüber hinaus wirken die geplanten Maßnahmen widersprüchlich, so Prof. Dr. Jochen Oltmer, Historiker an der Universität Osnabrück: "Einerseits soll die Aufnahme und Versorgung von Asylbewerbern entbürokratisiert werden, andererseits sind Maßnahmen zur Kontrolle von Flüchtlingen vorgesehen, die für die Behörden in den Ländern und Kommunen eine stärkere Belastung und mehr Kosten bedeuten.“

Der Rat für Migration sieht in den steigenden Flüchtlingszahlen nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance, die Flüchtlingspolitik grundsätzlich neu auszurichten. Der RfM stellt zehn Forderungen für eine zukunftsfähige Flüchtlingspolitik. Dazu gehört: Kriegsflüchtlingen aus Syrien und Irak Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewähren, ohne dass eine Einzelfallprüfung stattfinden muss; die Zahl der Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge deutlich zu erhöhen sowie es von unnötigen Aufgaben zu befreien; Initiativen aus der Zivilgesellschaft zu fördern; legale Einwanderungswege nach Europa zu schaffen.

Hierzu gibt es auch eine ausführliche Stellungnahme als pdf.

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Sonntag, 27. September 2015
Von Hochqualifzierten, Willkommenskultur und Abschottung
Am Montag war ich auf einer Tagung des BAMF zur Migration aus Indien. Anlass war die neue BAMF-Studie zum Thema.

Tagung Migration aus Indien


Aufgrund der aktuellen Entwicklungen war einiges anders als geplant. So ist z.B. der Konferenzraum des BAMF zu einem Computerraum umgewandelt worden und wir tagten in der Baptistengemeinde unter einem großen Kreuz. Zudem stellte sich parallel zur Veranstaltung der neue Chef vor, weshalb die Beteiligung von BAMF-Mitarbeitenden weniger als geplant war.

Tenor der Tagung war ganz eindeutig, dass hochqualifizierte Migration aus Indien gewünscht ist und gefördert werden soll (Stichwort: Computer-Inder). - Nicht-hochqualifizierte Migration aus der Region wurde kaum bis gar nicht thematisiert. - Der Leitgedanke dabei war: Fachkräftemangel. Auf diesen warf allerdings der Vortrag einer GIZ-Vertreterin einen interessanten Blick. Sie erzählte, dass sie sich in einem Modelprojekt (im Rahmen der Make it in Germany-Kampagne, wenn ich es richtig verstanden habe) darum bemühten, kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland indische Fachkräfte zu vermitteln. Aber obwohl letztere hochqualifiziert sind, griffen die Unternehmen kaum zu. Ihre Schlussfolgerung war, dass es mit dem Fachkräftemangel doch nicht so weit her sei, denn dann würden sich die Unternehmen mehr bemühen, wie es z.B. im Bereich der Pflegekräfte geschehe.

Ein Referent, der aus den USA angereist war, begann seinen Vortrag damit, dass die Aufnahme der Flüchtlinge in Deutschland den Ruf Deutschlands international unheimlich gefördert hat, mehr als jede Make-it-in-Germany-Kampagne. Von der neuen 'Willkomenskultur' hatte er in New York viel gehört. An ihm vorbei gegangen war allerdings, dass das Willkommen schon wieder vorbei ist und gerade wieder die Festungsmauern aufgebaut werden (mehr dazu bei Pro Asyl).

Es ging auch viel darum, wie den indische Hochqualifzierte nach Deutschland gelockt werden können. Eine Studie ergab dabei, dass nicht nur die deutsche Sprache und fehlende Community-Strukturen gegen Deutschland sprechen würden, sondern auch die Angst vor rassistischen Übergriffen. Ein Vertreter eines (wohl wirtschaftsnahen) deutsch-indischen Vereins ging vor allem auf die Sprache ein und forderte mehr Bilingualität (Deutsch/ Englisch) in Deutschland. Zudem sprach er sich - obwohl CSU-Politiker - für ein Punktesystem für die Einwanderung aus. Und er widersprach dem Referenten aus den USA: er könne sich nicht vorstellen, dass die Willkommenskultur für Flüchtlinge indische Hochqualifzierte motivieren würde, nach Deutschland zu kommen. So wie er sich präsentierte, habe ich ihm das geglaubt. Die Hochqualifizierten (wie er selbst) waren ihm sehr viel näher als die Flüchtenden aus Krisenregionen.

So war die BAMF-Tagung viel spannender als ich gedacht hatte.

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