Dienstag, 25. Februar 2014
Angeboren oder nicht?
Die taz berichtet, dass Ugandas Präsident das neue Gesetz gegen Homosexualität nicht unterzeichnet hätte, wenn ihm die Wissenschaft bewiesen hätte, dass Homosexualität angeboren sei. Denn dann hätte ein Verbot nichts gebracht. Seine Studie hatte aber ein anderes Ergebnis:

"Ein mit der Klärung dieser Frage beauftragtes ugandisches Wissenschaftlerteam kam zum Schluss, Homosexualität sei weder als Krankheit noch als Abnormalität zu werten. Es gebe auch kein „Schwulen-Gen“. Sie existiere einfach. Kultureller Einfluss könne sie aber begünstigen "

Das ist nun ein Ergebnis, dass durchaus in Einklang mit meinem Verständnis von Gender und Queer Studies steht. Natur gibt es ohne Gesellschaft nicht. Somit gibt es auch keine natürliche Sexualität jenseits von Gesellschaft. Welche Sexualität wir leben können, hängt davon ab, was unser Umfeld uns denkbar und lebbar macht. Deswegen sollte die Gesellschaft auch alle Formen von Sexualität, die einvernehmlich zwischen Erwachsenen stattfinden, möglich machen (und dafür z.B. in Baden-Württenberg das Thema an die Schulen tragen, um so Horizonte zu erweitern).

Meine Schlussfolgerung aus den wissenschaftlichen Überlegungen sind damit grundsätzlich andere, als jene die der Präsident von Uganda aus der Studie gezogen hat. Um das menschenrechtswidrige Gesetz zu verhindern, wäre vielleicht eine wissenschaftliche Studie, die ein 'Schwulen-Gen' gefunden hätte, hilfreich gewesen. Aber das würde einen biologistischen Determinismus fördern (siehe dazu Heiko Wernings seltsamen Versuch in der taz, mit Biologismus gegen Matusseks heteronormativen Biologismus zu argumentieren). Der Widerstand gegen Verfolgung und Ausgrenzung muss anders geführt werden (wie z.B. in dem Brief indischer Bürger_innen).

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Uganda
Die taz berichtet über das neue ugandische Gesetz, das alles Nicht-Heterosexuelle massiv verfolgen soll. Von queer-feministischen Freundinnen aus Indien bin ich auf einen Letter from Indian Citizens to Uganda High Commission hingewiesen worden, der die Verschärfung der Gesetze anprangert, die (post)kolonialen Kontinuitäten (britische Kolonialgesetze, Einfluss USamerikanischer Evangelikaler) aufzeigt und Solidarität zeigt:

"We register here our strong condemnation of President Museveni’s signing of the Anti-Homosexuality Bill, 2009 into law. The Uganda Anti-Homosexuality Act, 2014 violates the basic human rights of the kuchus of Uganda, impeding their right to live and love without harm to others, in enjoyment of the rights of freedom and equality guaranteed by the Ugandan Constitution. In the face of this severe blow to the struggle for universal human rights, we reassert our solidarity with the lesbian, gay, bisexual, transgender, queer, disabled and HIV-affected adult people of Uganda, and of all 36 of Africa’s 55 countries where same-sex relations are illegal."

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Montag, 24. Februar 2014
Schule / Migrationshintergrund
Die sonntaz fragt: "Frau Karakayali, ist es eine gute Idee, wenn deutsche Eltern ihre Kinder gezielt an Schulen mit hohem Migrantenanteil schicken?"

und die Wissenschaftlerin Juliane Karakayali antwortet: "Warum interessiert es überhaupt, dass es an einer Schule einen hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund gibt? Das ist doch keine Kategorie. Dass die Unterrichtsqualität gut ist, die Lehrer und Lehrerinnen nett, die Angebote interessant, die Ausfälle wenig: Das sind die Kriterien für die Wahl einer Schule. Welche Kinder sie besuchen, muss sekundär sein."

Ein lesenswertes Interview.

Zum Thema Schule, Eltern, Migrationshintergrund und so auch ein langer Artikel in der sonntaz.

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Sonntag, 23. Februar 2014
Berlinale: Archiv
Gestartet war ich in die Berlinale mit dem Dokumentarfilm Das große Museum. Mehr als ein Jahr hat das Filmteam hinter die Kulissen des Kunsthistorischen Museums geschaut, unzähligen Mitarbeitenden bei ihrer Arbeit zugeschaut (von Reinigungskräften über Wärter_innen bis zu Restaurator_innen und Manger_innen), die Markenbildung und die Neueröffnung eines Museumsteils verfolgt. Spannend, was da alles so im Hintergrund passiert.

Den Film Szenario fand ich weniger spannend. Kann ihn auch nicht einordnen. Ist es eine Dokumentrfilm? Oder eher Kunst? Verstanden habe ich ihn jedenfalls nicht. Ausgangspunkt war ein Koffer mit Utensilien, einem Tagebuch einer Affäre, angereichert mit Statistiken.

Der Dokumentarfilm Souvenir schliesslich ist aus schier unendlich wirkenden Videoaufnahmen von Alfred D. entstanden. Der Filmemacher hat sie zusammen gestellt und in eine fiktive Rahmenhandlung eingebettet. Spannend. Für mich allerdings auch höchst irritierend, da Alfred D. ein ehemaliger Kollege von mir ist und mir so immer wieder die nötige Distanz gefehlt hat, um mich ganz auf den Film einzulassen.

Und das war es dieses Jahr zur Berlinale.

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Samstag, 22. Februar 2014
Heteronormativer Sport
Die taz zeigt unter dem Titel Der Geschlechterwettkampf wie sehr im (Leistungs)Sport Heteronormativität (re)produziert wird: Männder dürfen nicht synchron schwimmen und rhytmisch sportgymnasten, weil das nicht ästhetisch wäre (oder so). Frauen sind zu zart für Vier-Bob. Männer dürfen auf keinen Fall schwul wirken. etc. Das ganze wird dann medizinisch legitimiert (Fußballspielen galt ja auch lange als gefährlich für zarte Frauenkörper). So funktioniert Heteronormativität.

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Berlinale: Zwänge und Ängste
Die folgenden Filme verbindet für mich etwas, dass ich jetzt mal Zwänge und Ängste nenne. Die Begriffe passen nicht unbedingt für jeden Film gleich, eignen sich aber als Klammer.

Im koreanischen Spielfilm Ship bun versucht die Hauptfigur sich am Arbeitsplatz und in der Familie richtig zu verhalten, hat dabei aber trotzdem nicht Erfolg. Sehenswert

Der Spielfilm Historia del miedo handelt von den Ängsten der argentinischen Oberschicht, die sich selbst in gated communities immer der Gefahr ausgesetzt sieht. Ein sehr stiller Film, der mich erst im Nachhinein beeindruckt.

Im deutschen Spielfilm Zeit der Kannibalen sehen wir ein Kammerspiel von drei Unternehmensberater_innen, die irgendwo in einem Hotel sitzen und ihre Karrieren voranbringen wollen. Eindrücklich gezeigt, wie sie in ihrer eigenen Welt leben, völlig unabhängig von der realen Umwelt, in der sie gerade sind. Tolle Schauspieler_innen. Allerdings hätte ich mir noch mehr Abstraktion gewünscht. Es kommen nigerianische (und indische) Charaktere vor, die wie die Verkörperung der Hirngespinste der Unternehensberater_innen wirken, in der Verkörperung mir dann aber zu real werden. Sie wären besser Hirngespinste geblieben, die Schauspieler_innen hätten das sicher hinbekommen.

Der japanische Spielfilm Ieji wirkt wie ein Katastrophenfilm. Es ist auch ein Katastrophenfilm, nur ist es nicht Science Fiction sondern Realität. Er spielt nach dem Reaktorunfall in Fukushima, die Region ist evakuiert, Menschen leben in Provisorien. Sehr ruhige Bilder. Eindrücklich.

Und zum Schluss dann noch ein österreichischer Dokumentarfilm: In der Mitte, da sind wir begleitet mehrere Jugendliche in dem Dorf Ebensee. Dort gibt es eine KZ-Gedenkstätte und an der gab es einen rechten Vorfall. Der Film zeigt den Nicht-Umgang der Familien mit der NS-Vergangenheit, das Kleinreden von rechtem Gedankengut und Handeln, Waffenliebhaber und Jugendliche, die sich in dieser Welt orientieren müssen. Sehenswert.

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Freitag, 21. Februar 2014
Berlinale: Gender/ Queer
Der Dokumentarfilm Vulva 3.0 brachte Vulven in allen möglichen Formen auf die große Leinwand. Ein Aufklärungsfilm der die Vulva aus der Unsichtbarkeit holen will. Mit Protagonistinnnen, die sich schon lange dafür engagieren. Mit Berichten über Genitalbeschneidung und Designer-Mösen. Sehenswert.

Auch im Spielfilm Kuzu geht es um eine Beschneidung oder viel eher um die Beschneidungsfeier, die ausgerichtet werden sollte, für die es aber kein Geld gibt. Es geht um Männer- und Frauenrollen. Mit starken Bildern.

Im Spielfilm Arrête ou je continue geht es um ein Paar, das sich nichts mehr zu sagen hat. Eindrücklich.

Der Spielfilm 52 Tuesdays wurde ein Jahr lang immer Dienstags gedreht. Im Mittelpunkt steht die 16jährige Billie und ihre Mutter, die/der dabei ist seine männliche Identität anzunehmen. Spannende Perspektive auf Trans*.

Auch im locker leichten Spielfilm Hoje eu quero voltar sozinho geht es um Jugendliche, die sich orientieren und mit ihren Eltern auseinandersetzen. Leo und Gi sind beste Freund_innnen, dann kommt Gabriel dazu. Nicht gleichgeschlechtliches Begehren ist das Problem, sondern Freundschaft ist das Thema. Leo hat nicht ein Problem damit, dass er nicht sieht, sondern damit dass einige damit nicht umgehen können. Hat Spaß gemacht.

Und zum Ende der Berlinale dann noch die Teddyrolle. Mit ein paar Filmen mit denen ich nichts anfangen konnte. Dem obligatorischen Praunheim, der zwar interessante Aspekte hatte, aber filmisch völlig langweilig war (der einzige Dokumentarfilm in der Rolle). Beeindruckt hat mich Mondial 2010, da er eine Geschichte erzählt, ohne dass die Hauptfiguren vor die Kamera kommen. Dann noch eine Coming of Age-Geschichte: Vetrarmorgun. Schliesslich der Film Tits über einen Schüler mit Brüsten. Da bin ich mit widersprüchlichen Gefühlen rausgegangen. Seine Scham, seinen Körper zu zeigen, das Mobbing, den Umgang damit fand ich gut gezeigt. Die ärztliche Diagnose, dass es eine hormonelle Störung sei und die Brüste wieder weggehen, fand ich irritierend. Gibt es das? Oder durfte Intersex nicht wirklich zum Thema werden? (Hier bin ich zu unwissend, um das einschätzen zu können.)

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Donnerstag, 20. Februar 2014
Berlinale: Rund um Migration
Im Dokumentarfilm Amma & Appa porträtieren die Filmemacher_innen Franziska Schönenberger und Jayakrishnan Subramanian die Reaktionen ihrer Eltern auf ihre Liebesbeziehung. Die Kamera begleitet auch eine Reise der Schönenbergers (aus Bayern) zu den Subramanians (in Tamil Nadu). Ein witzig gemachter Film, der vorallem Franziska Schönenbergers (oft naive) Perspektive darstellt. Ich hätte gerne gehört und gesehen wie Jayakrishnan Subramanian die Begegnungen wahrnimmt und einschätzt.

To Singapore, with love ist ein weiterer Dokumtarfilm. Tan Pin Pin hat singaporianische Exilant_innen in Thailand und Großbritannien (zumindest vorallem da) besucht und zu ihrem Exil-Status (der schon viele Jahrzehnte besteht, seit den 1960ern bzw. 1970ern) befragt. Dabei erzählt sie auch, wie diese Menschen in die Flucht getrieben wurden. Eine spannende Auseinandersetzung damit was Exil für Menschen bedeutet.

Im Spielfilm Anderswo ist die Israelin Noa die Hauptfigur. Sie lebt in Berlin, mit deutschem Freund, kommt nicht weiter mit ihrer Abschlussarbeit an der Uni und fliegt daher kurz entschlossen für ein paar Tage zu ihrer Familie in Tel Aviv. Ein Film über die Suche nach Geborgenheit (die Filmemacherin sagte, ein Film über Heimat und Heimatlosigkeit). Sehenswert.

Als Vorfilm zu Anderswo lief der Kurz(spiel)film El carro azul. Ein Kubaner kommt nach dem Tod seiner Großmutter zurück, um sich um seinen jüngeren Bruder zu kümmern. Dabei nimmt er alle Figuren ernst, ohne sie vorzuführen.

Der Spielfilm Kumun Tadi schliesslich nimmt die Zuschauenden an die türkische Schwarzmeerküste. Hamit verdient sein Geld damit Menschen, die in die EU einwandern wollen, zur Küste zu fahren und einem Schiff zu übergeben. Die Ausländerin Denise arbeitet als Botanikerin an der Küste und soll das Land wieder verlassen. Ein einprägsamer Film mit beeindruckenden Bildern in düsterer Farbe.

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Mittwoch, 19. Februar 2014
Berlinale: Filme aus Indien
Bei der diesjährigen Berlinale habe ich drei Filme aus Indien gesehen.

Papilio Buddha ist ein durch und durch politischer Film, der die Diskriminierung von Dalits (in Kerala) kritisiert. Gemacht wurde er von Dalit- und LGBT-Aktivist_innen, die auch als Schauspieler auftreten. Nach dem Film hat der Regisseur Jayan Cherian erklärt, dass der Film aus verschiedenen realen Ereignissen zusammengestellt wurde. Filmisch hat das für mich überhaupt nicht funktioniert. Während des Filmes bin ich nicht wirklich in die Geschichte reingekommen, habe ich mich über esoterische Bilder geärgert, habe Homophobie gesehen, fand Gewaltdarstellungen zu drastisch - kurz: mochte den Film überhaupt nicht. Das Gespräch mit dem Regisseur hat mich dann überzeugt, dass viel guter Wille im Film steckt und er das Gegenteil von homophob sein soll. Vielleicht hätte das Filmteam besser einen Dokumentarfilm machen sollen - oder mehr von den realen Ereignissen abstrahieren, um einen guten Spielfilm zu machen.

Im Gegesatz zu Papilio Buddha war Praphat pheri ein sehr filmischer Film. Viele ästhetische Bilder. Ein Dokumentarfilm über die Prabhat Film Company und die später auf dem Gelände angesiedelte Filmhochschule. Schön gemacht, etwas vorraussetzungsvoll, etwas lang (das Material hätte sicher noch weiter gekürzt werden können) und fast ausschliesslich männlich.

Und dann war ich noch in einem echten Bollywood-Film: . Love and Crime. Reiche Tochter wird entführt, findet in der Entführung endlich Freiheit, verliebt sich in ihren Entführer, der aber am Ende als guter Böser doch sterben muss, und lebt am Ende glücklich in den Bergen weit weg von der Stadt und ihrer reichen Familie (aber wohl unterstützt von ihr). Kann mensch sich ansehen.

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