Sonntag, 7. Oktober 2007
Erfundener Boykott
Der Newseltter Migration und Bevölkerung berichtet:

"Muslimische Mädchen und deren Familien boykottieren den Schwimmunterricht in der Schule nur selten. Dies geht aus den Ergebnissen einer Anfrage des Interkulturellen Rates bei den Kultusministerien der Länder Ende August hervor."

und zitiert jene, die den angeblich massenhaften Boykott zum gesellschaftlichen Problem stilisieren:

"Die islamkritische Soziologin Necla Kelek hatte dagegen von „erheblichen Verweigerungsquoten“ im Schwimm- und Sportunterricht gesprochen. Diesem Umstand, so Kelek in einer 2006 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) herausgegebenen Studie, leisteten Schulbehörden Vorschub, indem sie den orthodoxen Familien entgegenkämen. Auch Berlins früherer Bildungssenator Klaus Böger (SPD) hatte in Interviews von einem „drängenden Problem“ gesprochen, mit dem er die Forderung verband, dass Integration keine Einbahnstraße sein dürfe."

Nachtrag 25.06.09: Anlässlich der Islamkonferenz berichtet tagesschau.de auch über den Mythos Schwimmunterrichtsboykott.

"Ganz unverhohlen räumt das Ministerium denn auch ein, das Thema vor allem wegen der öffentlichen Aufmerksamkeit auf die Agenda der Islamkonferenz gesetzt zu haben. Auf Nachfrage von tagesschau.de sagte eine Sprecherin, die tatsächliche Zahl der vorliegenden Fälle habe nicht den Ausschlag gegeben: "Man sucht sich halt die medial interessanten Themen.""

Nachtrag 20.10.10: Die taz berlin berichtet:

"Zwischen Oktober 2005 und Juni 2010 stellten insgesamt lediglich 26 Eltern für ihr Kind einen Antrag auf Befreiung vom Schwimmunterricht aus religiösen und weltanschaulichen Gründen. "

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Freitag, 5. Oktober 2007
Bahnstreik und Herkunft
Warum wird in dem Bericht des Deutschlandfunks über die Auswirkungen des Bahnstreiks auf die Mitfahrzentrale Hamburg angegeben, dass die Vermittlerin aus Kasachstan zugewandert ist, dass die Inhaberin gebürtige Polin ist und ein andere gebürtiger Türke? Was genau hat das mit dem Thema des Berichts zu tun? fragt die gebürtige Inderin, die demnächst nach Deutschland migrieren wird.

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Päckchen aus Deutschland
Da hat der norwegische Zoll doch tatsächlich das Päckchen geöffnet, um zu überprüfen, ob wirklich drin ist, was drauf steht. Kein Wunder, dass es mehr als eine Woche unterwegs war.

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Donnerstag, 4. Oktober 2007
Segen der Erde
"Nichts unterjocht und beherrscht euch Leute von Sellanraa, ihr habt Ruhe und Macht und Gewalt, ihr seid umschlossen von der großen Freundlichkeit." sagt die Figur Geißler am Ende des Romans "Segen der Erde", für den der norwegische Autor Knut Hamsun 1920 den Literaturnobelpreis bekommen hat.

Der Roman preist das Leben der 'Ansiedler' im 'Ödland', die sich die Erde Untertan machen. Und er scheint noch heute wichtig zu sein. In der Buchhandlung am Markt stand gleich eine ganze Reihe vondeutschen Übersetzungen. Meine Kollegin schwärmte von Hamsuns Sprache und meinte, sie könne sich an nichts Problematisches im Buch erinnern. Und wenn, dann wäre es der Zeit geschuldet.

Mein Eindruck allerdings war von der zweiten Zeile an ("Der Mann, der Mensch, der erste ..."", dass dieses Buch zutiefst sexistisch ist und drei Zeilen später (".. später schnupperte allmählich der oder jener Lappe ..." stellte sich raus, dass es auch durch und durch rassistisch ist. Dieser Eindruck der ersten Zeilen verfestigte sich mit jeder weiteren Seite. Die Frauen haben den Männern zu Diensten zu sein, die Samen sind verabscheuungswürdige Nebenfiguren. Zumindest in der deutschen Übersetzung wird das N-Wort benutzt und es gibt einen herabwürdigen Verweis auf 'Juden'.

Zurück zu Geißlers Zitat oben. Ganz offensichtlich spricht er nur die 'norwegischen' Männer von Selanraa an. Die, die sich das Land einfach angeeignet haben, ganz unberührt davon, dass es das Land der Samen war. Die, die bei jeder Begegnung mit (und jedem Reden über) Samen, diese ausgrenzen und erniedrigen. Die Männer, die für ihre neue Ansiedlung eine weibliche Hilfe brauchen. Und diese, wenn sie denn in die Einöde kommen, nicht nur gnadenlos ausbeuten sondern sie auch vergewaltigen ("Nachts lag er da und war gierig nach ihr und bekam sie.") und schwängern, damit sie ihnen ein Leben lang als kostenlose weibliche Hilfe zur Verfügung stehen ("Er sah sehr wohl ein, was er mit dem Tode dieses Kindes verloren, daß er nun alle Aussicht hatte, in seinem Neubau ohne Hilfe zu sitzen ...".

Sprachlich lässt sich das Buch recht gut lesen. Ein Produkt seiner Zeit ist es sicher auch (und Hamsuns politischer Überzeugung, die sich später in seiner Unterstützung für den deutschen Nationalsozialismus kund getan hat) Es lässt sich auch viel über 'norwegische' Mythen lernen. Empfehlen kann ich das Buch aber trotzdem nicht. Es muss auch in Norwegen zu der Zeit sozialkritischere Literatur gegeben haben.

Diese Männer sind zwar sicher auch unterjocht in der einen oder anderen Weise. Ob sie die Ruhe haben, ist zu bezweifeln. Macht, jene zu unterdrücken, die gesellschaftlich unter ihnen stehen, haben sie allerdings und die nutzen sie auch. Schleierhaft ist mir allerdings, wo Geißler (Hamsun) die Freundlichkeit sieht, die sie umschliesst. Davon habe ich nichts gemerkt.

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Mittwoch, 3. Oktober 2007
Deutschlaaaand
hatte letztes Jahr ein Sommermärchen. Fahnen wurden geschwenkt, die Trauer war groß. Dass das ganze wenig mit Fußball und viel mit Nationalismus zu tun hat, zeigt sich jetzt nochmal, wo die 'deutschen' Frauen siegen und sich nicht wirklich jemand drum kümmert.

Mehr dazu von Heide Oestreich in der taz:

"Die Frauen spielen für sich. Vielleicht noch für "die Frauen". Aber für das kollektive "wir" spielen sie irgendwie nicht. "Die" haben das gut gemacht, sagen nun alle Kommentatoren. Anerkennung für "die Frauen". Die Frauen sind nicht "wir". Sie sind "die". Die Anderen."

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Australische Werte
Die taz berichtet:

""Wie heißt der größte australische Cricketspieler aller Zeiten?" Mit solchen Fragen sahen sich am Montag in Brisbane 33 Anwärter auf die australische Staatsbürgerschaft konfrontiert. Mit der Einführung eines Tests solle garantiert werden, dass zukünftige Australier "die Werte unserer Gesellschaft teilen", so Einwanderungsminister Kevin Andrews.

... Der Verband der ethnischen Gemeinden warnt, der Test konzentriere sich zu sehr auf die "weiße", britische Geschichte Australiens und berücksichtige die Traditionen der Ureinwohner und der Einwanderer aus nicht englischsprachigen Ländern kaum. Andere Opponenten meinen, der Test sei darauf ausgerichtet, muslimischen Bewerbern den Erwerb des australischen Passes zu erschweren."


Mehr zu den australischen Werten hier.

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Integrationsbarriere
BBC World berichtet:

"A freeze on the settlement of refugees from Africa - including those from Sudan's Darfur region - has been announced by the Australian government.

... Mr Andrews said refugees from Sudan and conflict-torn Darfur were having problems integrating into Australian communities ..."

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Mittwoch, 26. September 2007
Die Wissenschaft beweist
Mit dem Satz "Was oft vermutet wurde, ist nun auch wissenschaftlich nachgewiesen" kann eigentlich nur eine Satire auf die Wissenschaft beginnen. Aber das war wohl nicht das Ziel des taz-Artikels über eine vom LSVD in Auftrag gegebene Studie. Der Artikel setzt sich ganz ernsthaft mit der Studie auseinander und meint, dass diese beweist, dass: "Jugendliche mit Migrationshintergrund sind deutlich schwulen- und lesbenfeindlicher als ihre deutschen Altersgenossen."

Mir ist dabei unter anderem folgende wissenschaftliche Aussage völlig schleierhaft:"Der Autor Bernd Simon glaubt, dass die Studie die tatsächliche Homophobie unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund eher unter- als überschätzt. "Die Ergebnisse wären möglicherweise noch drastischer ausgefallen, wenn wir in Hauptschulen gefragt hätten.""
Wie soll das jetzt miteinander zusammenhängen? Und woraus kann ich schließen, dass die 'Muslime' eigentlich noch viel homphober sind?

Die taz zitiert auch eine Islamwissenschaftlerin, die die Ergebnisse hinterfragt, aber mit folgender Aussage trotzdem daneben liegt: "Zwar sei in muslimischen Ländern die Homosexuellenfeindlichkeit schon deshalb angelegt, weil die Familie eine wichtige Stellung habe. "Da genießt die gleichgeschlechtliche Liebe nicht den Schutz von Gesellschaft und Religion""
Das mag wohl so sein, dass in muslimischen Ländern, die gleichgeschlechtliche Liebe nicht den Schutz von Gesellschaft und Religion genießt. Nur tut sie das in Deutschland auch nicht.

Gut, dass die taz auch ein Interview mit Gürkan Buyurucu von Gladt abdruckt, das zeigt, dass der Wissenschaft wenn sie Vorurteile bestätigt, nicht unbedingt zu glauben ist:

"Ich kann nicht bestätigen, dass türkischstämmige Jugendliche zu 80 Prozent homophob sind. Diese Aussage ärgert mich. Jetzt sind Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht nur potenzielle Kriminelle, sondern auch noch homophob. Ich glaube nicht, dass Deutsche weniger Probleme mit Schwulen haben. Aber sie wissen, dass diese Einstellung von der Gesellschaft nicht erwünscht ist."

Ich fühle mich ehrlich gesagt auch nicht wirklich homophober als meine "deutschen Altersgenossen". Und vom LSVD fühle ich mich als "Betroffene" auch nicht vertreten, ich fühle mich eher von dessen Rassismus und Islamophobie sehr betroffen.

Die Wissenschaftlerin Jin Hariataworn hat unter anderem im Sammelband re/visionen zu "Queer-Imperialismus: Eine Intervention in die Debatte über 'muslimische Homophobie'" geschrieben.

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Mittwoch, 26. September 2007
Tysk Stammtisch
Dieser Tage flatterte mir diese Einladung zum deutschen Stammtisch in die Mailbox:

"Hei, vi har en tradisjon å organisere arv og til et
slags "tysk Stammtisch" (spise, drikke øl, snakke <delvis> på tysk)."


Die groben Eckdaten habe ich wohl verstanden, aber noch habe ich kein größeres Bedürfnis hier Deutsch zu reden (das kann ich bald wieder in Berlin). Und das Wort Stammtisch finde ich nicht so wirklich attraktiv ...

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Mittelalter
""Das muss man mal gesehen, gerochen und geschmeckt haben", sagt er, "die Zustände sind wie bei uns im Mittelalter." Auch der Umgang miteinander: "Die Leute sind herzlich, aber einem Dieb kann auf offener Straße die Hand abgehackt werden."" zitiert die taz einen Bundeswehroffizier, der in Afghanistan stationiert war.

Unsere Soldaten kommen ganz offensichtlich aus der Mitte unserer Gesellschaft, mit allen rassistischen Bildern, die wir so haben, im Gepäck.

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Exotisch
"Die angekündigte "feierliche Vertragsübergabe nach hinduistischer Tradition" gestaltete sich entsprechend exotisch." schreibt die taz berlin in einem Artikel über einen geplanten Tempelbau in Berlin.

Ungefähr so exotisch wie eine katholische Zeremonie? Mit Weihrauchgeschwenke und so?

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Grobes Raster
Die taz berichtet:

"Bundesweit wurden bei Einwohnermeldeämtern, Universitäten und im Ausländerzentralregister die Daten von insgesamt rund 8,3 Millionen Menschen erhoben. Aus diesen wurden alle Personen ausgerastert, die folgende Kriterien erfüllten: 18 bis 40 Jahre, männlich, (ehemaliger) Student, Muslim, legaler Aufenthalt, Herkunft aus einem von 26 Staaten mit überwiegend muslimischer Bevölkerung. Insgesamt blieben zunächst 32.000 Personen im Raster hängen. Nach dem Abgleich mit weiteren Dateien blieben am Ende 1.689 Personen, die die Länderpolizeien einzeln überprüft haben. Diese "Informationsverdichtung" dauerte über ein Jahr und band allein in Nordrhein-Westfalen 400 Ermittler. Konkrete Treffer blieben aus. "

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Montag, 24. September 2007
Anti-racist racism
"Attempting, as an American, to write about the Pakistani experience in Great Britain was an enormous undertaking that I couldn't have begun - left alone completed - without the assistance of the following individuals" writes author Elizabeth George in her acknowledgements to her thriller "Deception on his mind". Among the following individuals there is one Muslim last name combined with a Western first name.

Maybe it wasn't quite enough to ask so few people, who know something about the 'Pakistani' experience in Britain. Not only would George then maybe have chosen names, which really sounded Pakistani and not just somehow Muslim (thanks to Kyla for confirming my impression that the chosen names really did not sound 'Pakistani' at all), she would hopefully also have not reproduced all racist stereotypes in her supposedly anti-racist story.

At the end we know that the local police is racist (and the male part of it also sexist, and probably all homophob), that the local neighbourhood is racist, that our main character is a good anti-racist cop saving the 'Pakistani' child and that the 'Pakistanis' are criminals and murders. And the good cop understands at the end:

"We never thought it [the murder] could have been the means to an end having nothing to do with anything that we - as Westeners, as bloody Westeners - could possibly hope to understand."

So, now we readers also know that 'Pakistanis' are really strange and that it is the task of the good 'white' protagonists to save and understand them.

PS: If anybody needs a good example for the interedependency of racism and heteronormativity, just use this thriller (I have done so here (pdf). Everything is in there.

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