Mittwoch, 14. März 2007
Kolonialfilm
Hollywood hat mal wieder einen Kolonialfilm mit einem 'Weißen' in der Hauptrolle gedreht. Die taz berichtet kritisch:

"... Musarait Kashmiri, die in Kampala gemeinsam mit der indischstämmigen Regisseurin Mira Nair eine Filmschule für Ostafrikaner leitet. Den "Letzten König von Schottland" mag sie ... nicht. Den Filmemachern wirft sie vor, Uganda als Schauplatz missbraucht zu haben, mehr nicht. "Es wäre interessant gewesen, was Ugander selbst zu Amin zu sagen hätten, aber das kommt in diesem Film nicht vor." Viele historische Details seien zudem falsch, was die Filmemacher damit entschuldigen, dass es sich um einen Spielfilm, keine Dokumentation handelt. Schließlich ist sogar die Hauptfigur des Films, der schottische Arzt Garrigan, eine von Autor Giles Foden erfundene Kunstfigur.

...Kashmiri ärgert sich darüber, wie großzügig der ugandische Staat und Präsident Museveni persönlich die Macher aus Hollywood hofiert haben. Ihnen wurde die Mehrwertsteuer erlassen, Genehmigungen wurden ohne Rückfrage erteilt, Armeesoldaten ohne Murren als Statisten bereitgestellt. "Wenn ich als Uganderin einen Film machen will, muss ich mich monatelang mit den Behörden herumschlagen, nur um eine Drehgenehmigung zu bekommen." Auch eine staatliche Kulturförderung gibt es nicht in Uganda."


Es hätte sich gelohnt, sich intensiver kritisch mit dem Film und der Reproduktion von Rassismen zu beschäftigen. Stattdessen beteiligt sich der taz-Autor Marc Engelhardt an der Reproduktion genau dieser. In der ersten Hälfte des einseitigen Artikels geht es nur um die 'rückständigen UganderInnen', die gar nicht wissen, was ein Kinofilm ist und alles für Realität halten. Die TitelredakteurIn unterstützt dies noch mit der Überschrift "Du lügst doch! Amin ist längst tot!".

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Menschen
Zur Einigung beim Bleiberecht schreibt taz-Kommentator Lukas Wallraff:

"Sicher ist nur, dass der Koalitionskompromiss die Schwächsten am härtesten trifft: Alte, Kinder, Kranke. Alle, die nicht arbeiten können, können auch nach jahrzehntelangem Aufenthalt weiter in Sammelunterkünften eingepfercht und mit Sachleistungen abgespeist werden. So viel zum christlichen Menschenbild der CDU/CSU."

Der scheinbare Widerspruch zwischen Menschenrechtsverletzungen und "christlichen Menschenbild" lässt sich allerdings recht leicht auflösen. Wenn frau sich die 'deutsche' Ausländergesetzgebung, institutionellen Rassismus und politische Diskurse anschaut, dann merkt sie schnell, dass all dies nur geht, wenn wir die 'AusländerInnen' zu Nicht-Menschen erklären. Dann kann man ihnen auch jegliche Menschenrechte absprechen.

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Dienstag, 13. März 2007
"Bist Du tot, oder was?"
Heute auf dem Rückweg vom Zahnarzt. Ich muss links abbiegen. Die Straße ist an der Stelle dreispurig. Es ist also eines der alltäglichen Abenteuer zu bestehen: Wie komme ich als Radfahrerin auf einer viel befahrenen Straße auf die Abbiegespur?

Meine Verkehrserziehung würde sagen: Umschauen, die Hand raushalten und wenn Platz ist abbiegen. Das kann schon mal dauern und so bin ich es gewohnt auch mal länger am rechten Straßenrand zu warten bis denn eine ausreichend große Lücke im Autoverkehr kommt. Dass mir irgendwelche AutofahrerInnen die Vorfahrt lassen, damit rechne ich grundsätzlich nicht, auch nicht wenn ich mehrere Hundert Meter vor ihnen bin.

Also heute: Umgeschaut, am Rand gewartet, umgeschaut, eine Lücke gesehen, wenn auch relativ klein. Hand raus und rüber, dabei weiter umschauen. Der Wagen kommt verdammt schnell angerast und wird auch nicht langsamer, eher schneller. Also schnell wieder an den rechten Rand und fluchen. Die Ampel direkt vor uns ist rot, der Autofahrer muss halten, ich kann rüber auf die Abbiegespur.

Er lässt das Fenster runter: "Das ist eine Fahrbahn für Autos!" Wie bitte schön? Wo hat der Herr denn seinen Führerschein gewonnen? Ich entgegne, dass es eine Fahrbahn für Autos und Fahrräder sei (eine Rad- oder Busspur gibt es hier nicht). Also verlegt er sich darauf, mir zu sagen, ich hätte gucken sollen. Ich halte weiter dagegen und bekomme glücklicherweise Unterstützung von der Radfahrerin, die am rechten Rand vor der Ampel steht. Der arme Autofahrer ist offensichtlich ziemlich verwundert über mein Einfordern von Rechten und wirft mir ein "Bist Du tot, oder was?" entgegen.

Hier wurde eine Radfahrerin überfahren.

Glücklicherweise nicht. Ich habe mich ja umgeschaut und bin früh genug zurückgeschwenkt. So hatte ich mehr Glück als die Fahrradfahrerin von der yeahpope berichtet. Die war tatsächlich tot und konnte sich mit dem LKW-Fahrer, der sie übersehen hat (nicht hingeguckt hat, keine ordentlichen Spiegel an seiner Mordmaschine hatte), kein Wortgefecht mehr leisten.

Und das sind keine Einzelfälle. Wie yeahpope bin ich viel mit dem Rad in Berlin unterwegs. Es ist völlig normal, dass mir die Vorfahrt genommen wird, dass mein Weg voll geparkt ist, dass ich viel zu knapp und zu schnell überholt werde, dass ich knapp und schnell geschnitten werde, dass ich angehupt und ausgeschimpft werde oder mir der Vogel gezeigt wird, weil ich meine Rechte einfordere.
Fahrerflucht

Angefahren bin ich letztes auch worden, Mitten auf einer Kreuzung, ich hinter einem anderen Auto stehend und wartend darauf, dass wir links abbiegen können. Der Fahrer hinter mir muss geschlafen haben, wie sonst konnte er auffahren? Er hat kurz entschuldigend die Hände gehoben und ist davon gefahren, während ich am Straßenrand überprüfte, ob mein Fahrrad beschädigt ist. So schnell konnte ich meine Kamera gar nicht mehr zücken, um den Wagen noch zu fotografieren.

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Der deutsche Fehler
war, dass Hitler 1932 eingebürgert wurde?

Laut tagesschau.de lässt die niedersächsische SPD-Landtagsfraktion prüfen, ob Hitler posthum die Staatsbürgerschaft entzogen werden kann:

"Mit einem solchen symbolischen Akt könne man aber deutlich machen, dass man die damalige Entscheidung des Landes Braunschweig missbillige."

Was wäre denn gewesen, wenn er nicht eingebürgert worden wäre? Wäre dann alles gut gewesen? Hätte es dann den Nationalsozialismus in Deutschland nicht gegeben?

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Montag, 12. März 2007
Diktat der Normen
In meiner Forschung setze ich mich kritisch mit Machtverhältnissen und Ausgrenzungsmechanismen auseinander. Ich betone die soziale Konstruktion von Kategorien wie 'Ethnien', 'Kulturen' oder 'Nationen'. Ich schreibe darüber - in Deutsch und Englisch - und muss dafür mit den Sprachen umgehen, mit ihnen kämpfen und Lösungen für mich finden. Denn beide Sprachen spiegeln genau die Machtverhältnisse und Ausgrenzungsmechanismen, die ich diskutieren will, wider und engen mich im Bezeichnen ein. Wenn ich mich an die Standard-Sprache halte, dann kann ich das, was ich sagen möchte, häufig nicht ausdrücken. So nutze ich im Deutschen das Binnen-I, um auf die patriarchale Prägung der Sprache hinzuweisen. In beiden Sprachen benutze ich Anführungsstriche, um mit Begriffen wie 'Deutsche' und 'InderInnen der zweiten Generation' überhaupt umgehen zu können. Häufig muss ich auch auf kompliziertere Konstruktionen wie "Menschen, die als InderInnen markiert sind" ausweichen, um das auszudrücken, was ich ausdrücken will. (Und in all dem bin ich noch nicht sehr radikal. Es gibt viele, die sehr viel konsequenter als ich sind.)

Als Wissenschaftlerin muss ich publizieren. Und das nicht nur auf meiner Webseite sondern vor allem in anerkannten Zeitschriften und wissenschaftlichen Büchern. Und da mache ich immer wieder augenöffnende Erfahrungen. Die schockierendste war sicher als mein Text unauthorisiert inhaltlich verändert wurde. Seitdem bestehe ich darauf, dass ich die Druckversion authorisiere. Und bekomme immer wieder interessante Versionen meiner Texte wieder.

Das wichtigste bei einer Veröffentlichung scheint die Normierung zu sein. Der Verlag oder die HerausgeberInnen entscheiden, wie ein Text auszusehen hat und damit hat sich das. Da wird dann vorgegeben, dass in amerikanischen Englisch zu schreiben ist, obwohl es in dem Sammelband gerade gegen die US-amerikanische Standardisierung von Wissenschaft geht. Oder das Wort 'belongingness' wird abgelehnt, weil es das im Standard-Englisch nicht gibt. Aus 'ethnisiert' wird 'ethnisch'. Und die ganzen vielen Anführungsstriche müssen sowieso weg, weil die den Text so unschön machen.

Was glauben denn all die LektorInnen? Dass ich den Text mal eben so hingeschmiert habe und jedes zufällig vorbeikommende Wort genommen habe? Warum ist es so schwer verständlich, dass meine Sprachwahl durchaus bewusst ist? Dass ich Irritationen bei den LeserInnen bewusst provoziere? Und das ihre Sprachwahl die objektiv richtige und schöne ist?

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Freitag, 9. März 2007
Menschenrechtsverletzung
Laut taz hat das österreichische Verwaltungsgericht Teile des Fremdenrechts für menschenrechtswidrig erklärt. Menschenrechtsorganisationen und die Grünen hatten das Gesetz von Anfang kritisiert und selbst der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts hatte Bedenken angemeldet. Und trotzdem wurde das Fremdenrecht verabschiedet und hält der Innenminister es nach wie vor für einen Erfolg. FPÖ und BZÖ fordern weiter noch schärfere Maßnahmen. Die 'Law and Order'-Parteien fühlen sich also nach wie vor nicht an das Gesetz gebunden.

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Illegale
"Schwarzarbeit sei am weitesten verbreitet bei legal Beschäftigten, die nach eigenem Bemessen zu wenig verdienen. Nur 33 Prozent der illegal Beschäftigten seien Arbeitslose, Frührentner oder Ausländer." berichtet die taz.

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Mittwoch, 7. März 2007
Schwarz-weiß-kariert
heißt das Buch von Ilse Kleberger, dass ich gerade quer gelesen habe. Mehr ging einfach nicht. Ich habe mich ja bemüht und ich bin mir auch ganz sicher, dass Kleberger es gut gemeint hat. Sie wollte bestimmt, Verständnis für eine 'schwarze Deutsche' erwecken und auf ihre Probleme hinweisen.

Nur wimmelt es in dem Buch nur so von Rassismen und Essentialismen, wie die 'Türken', die 'Schwarzen' und so so sind. Die 'Weißen' wurden selbstverständlich nicht so charakterisiert und als ein US amerikanischer 'Schwarzer' alle 'Weißen' verallgemeinert, findet dass die 'schwarz-weiß-karierte' Jane gar nicht gut und kehrt zu den guten 'Weißen' zurück.

Jane hat laut Buchtitel 'schwarze Haut - weißes Feeling'. Was das wohl heißt? Und wie werden daraus Karos?

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Montag, 5. März 2007
Nichts Neues
Die taz berlin berichtet über diverse rassistische Vorfälle in den letzen Tagen. Unter anderem beschimpfte ein Polizist in Zivil einen Taxifahrer rassistisch. Nichts weiter besonderes.

Besonders ist auch nicht, dass die taz berlin sich wieder mit den Begrifflichkeiten schwer tut: "ausländerfeindlich", "türkisch", "in Berlin lebender Landsmann", "Türken", "dunkelhäutiger". Die Opfer werden auch im Bericht als Andere markiert, außerhalb Deutschlands verortet. Die Täter bleiben unmarkiert. Von Rassismus und Antiislamismus wird nichts geschrieben.

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Subjektiv und falsch
Vor einem Jahr war der UN-Sonderberichterstatter für Bildung Venor Muñoz in Deutschland, die 'deutsche' Seele kochte, Stoiber sah sich veranlasst, darauf hinzuweisen, dass Deutschland nicht mit Botswana zu verwechseln sei und doch hat es nichts genutzt:

Muñoz hat nun seinen vorläufigen Bericht vorgelegt und kritisiert nach wie vor Menschenrechtsverletzungen im deutschen Schulsystem. Laut taz werden "Seine wichtigsten Kritikpunkte ... von Bildungsforschern durchgehend bestätigt." Das macht den 'deutschen' PolitikerInnen aber nach wie vor nichts aus, sozum Beispiel : "Saarlands Bildungsminister Jürgen Schreier (CDU) sagte der taz, Muñoz ziehe nicht die richtigen Schlussfolgerungen aus seinem Besuch. "Die Einschätzung, das deutsche Bildungssystem verletzte das Recht auf Bildung, ist subjektiv und sie ist falsch", meint Schreier.

Muñoz selbst nimmt die Vorwürfe gelassen. Dass Länder, die Menschenrechte verletzen, an den Berichten der Vereinten Nationen herumdoktern wollen, ist für ihn Routine."


Nachtrag 22.03.07: Und die Deutschen sind immer noch beleidigt:

"Der saarländische Kultusminister Jürgen Schreier (CDU) wies empört zurück, "dass Herr Muñoz so tut, als würden hierzulande Menschenrechte verletzt. Das deutsche Bildungssystem ist kein Fall für amnesty international.""

und stampfte trotzig mit dem Fuß auf den Boden.

Nachtrag 21.02.08: Wie die taz berichtet, ist Muñoz dieser Tage wieder in Deutschland und wartet immer noch auf eine Antwort.

Nachtrag 19.03.08: Noch ein ausführlicher taz-Artikel über die fehlenden deutschen Konsequenzen auf den Bericht des UN-Sonderbotschafters.

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Sonntag, 4. März 2007
Eingeborenenhintergrund
Es würde ja jetzt viel über Integration diskutiert, erzählte mir der in der Deutsch-Indischen-Gesellschaft Aktive über seine Mitarbeit in kommunalen Gesprächskreisen. Aber ein Wort gefalle ihm nicht, dass dort immer wieder benutzt würde: Migrationshintergrund. Das höre sich so negativ an. Es hieße ja auch nicht Eingeborenenhintergrund.

Einen besseren Begriff konnte ich ihm auch nicht anbieten (obwohl er das gerne wollte), denn es gibt keine richtigen, objektiven, unbelasteten Begriffe. Die von uns gewählten Begriffe sind immer kontextualisiert zu verstehen und tragen eine jeweils bestimmte Bedeutung. Die Begriffe, die ich benutze, erwachsen aus meiner Beschäftigung mit Rassismus(theorien). Das ist nicht die Welt meines Bekannten und meine Begriffe passen (zumindest zur Zeit) nicht zu seinem Denken und damit seinem Wortschatz.

Beeindruckt war ich aber, wie er in weitgehender Unkenntnis von Rassismustheorien und Kritischer Weißseinstheorie das Privileg des Unmarkiertseins benannt hat. Der Begriff Migrationshintergrund bezeichnet wieder nur die 'Anderen' und lässt die anderen, die implizite Norm, die 'Weißen' unbenannt. Natürlich würde keine von Eingeborenenhintergrund reden. Das ist selbstverständlich. Und würde zu sehr zeigen, dass Migrationshintergrund kein neutraler Begriff ist, sondern eine essentialisierende und ausgrenzende Kategorie schafft.

Und für die Integrationsdebatte brauchen wir genau diese scheinneutrale Differenzierungen zwischen 'uns' und den 'anderen'.

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