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Donnerstag, 17. November 2011
Das rechte Auge
urmila, 00:37h
Nach Aufdeckung der rechtsextremen Terrorzelle NSU ist die Republik in Aufregung und diskutiert über alle möglichen Versäumnisse und Reaktionen. Diskutiert wird mal wieder ein Verbot der NPD, aber auch wie weit Polizei und Geheimdienste überwachen dürfen. Es wird auch immer wieder gefragt, ob staatliche Institutionen auf dem rechten Auge blind seien, ob sie rechte Extremist_innen weniger verfolgen als linke und Islamist_innen. Natürlich weisen dies die staatlichen Stellen weit von sich (so z.B. der ehemalige Polizeiermittler Josef Wilfing im taz-Interview).
Dass die staatlichen Institutionen (zumindest weite Teile von ihnen) sich klar von Rechtsextremist_innen distanzieren, das nehme ich ihnen sogar ab. Rechtsextremismus wird als Gegensatz zum demokratischen Staat aufgebaut. Das heisst aber nicht, dass staatliche Institutionen nicht auf dem rechten Auge durchaus seheingeschränkt bzw. sehunwillig sind.
Rassistische Ausgrenzungen sind in diesem Land durchaus gesellschaftsfähig, wie nicht nur die Sarrazin-Debatte gezeigt hat. Es ist selbstverständlich von 'Ausländern' zu reden (auch jetzt in der Berichterstattung über die Morde der NSU), wenn es um Inländer_innen geht. Wenn diese Mordopfer werden, dann lässt sich von 'Döner-Morden' sprechen (auch wenn in sieben von neun Fällen die Mordopfer nichts mit Dönern zu tun hatten) und die Soko wird Bosporus genannt (dazu auch Die kleine Wortkunde der taz). Kaum eine_r fällt auf, dass all dies rassistische Praktiken sind, die die Opfer als Andere festschreiben und mit bestimmten Bildern (organisierte Kriminalität, etc.) verbinden. Solche Praktiken leiten dann auch die Blickrichtung, ohne dass irgendjemand dies bewußt sein muss. Da es 'Andere' sind, die das Opfer der Verbrechen werden, scheint auch der Staat nicht dadurch betroffen. Der Staat muss nicht besonders geschützt werden (anders als bei Brandanschlägen auf Autos).
Während so auf der einen Seite, die Differenz der als anders Konstruierten festgeschrieben wird, wird auf der anderen Seite die Realität von sozialen Differenzen geleugnet. So wehrt sich Wilfing im taz-Interview gegen den Eindruck, dass Migrant_innen als Täter_innen konstruiert werden:
"Für uns macht es nicht den geringsten Unterschied, ob das Opfer Türke oder Schwarzafrikaner oder Deutscher ist. Das kann ich Ihnen versichern."
Wenn so die soziale Positionierung des Opfers als rassifizierte Person in Deutschland ignoriert wird, kann auch Rassismus nicht als Tatmotiv in den Fokus genommen werden. Um auf dem rechten Auge sehen zu können, müsste anerkannt werden, dass es Rassismus in Deutschland gibt und dieser auch tödlich werden kann.
Um Rechtsextremismus besser erkennen zu können, um ihn besser präventiv begegnen zu können, müssen (nicht nur) die staatlichen Institutionen ihr rechtes Auge besser trainieren. Es muss eine gesellschaftliche Anerkennung geben, dass unsere Gesellschaft und unser Staat rassistisch strukturiert sind und wir alle daran teilhaben müssen, dagegen vorzugehen. Wir brauchen eine andere Haltung in diesem Land.
Nachtrag 17.11.11: Im tagesschau.de-Interview argumentiert Anetta Kahana ähnlich.
Nachtrag 19.11.11: Nach dem Attentat von Utoya hat laut taz der dänische Verfassungsschutz festgestellt, dass es auch in Dänemark zu einem solchen Terrorakt kommen könnte. Es scheint dabei allerdings so, dass auch der dänische Verfassungsschutz auf dem rechten Auge nur eingeschränkt sehfähig/willig ist.
Nachtrag 22.11.11: Die taz berichtet vom Innenausschuss des Bundestags:
"Als erste Konsequenz soll es in seiner Behörde künftig eine eigene Abteilung "Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus" geben. Bisher sind der "Deutsche Links- und Rechtsextremismus" in einer Abteilung zusammengelegt, während es längst eine eigene für "Islamismus und islamistischen Terrorismus" gibt."
und die taz berlin über den rot-schwarzen Koalitionsvertrag:
"Widmete Rot-Rot 2006 in seinem Vertrag der Bekämpfung des Rechtsextremismus noch satte zwei Seiten, reicht diesmal ein einziger Absatz: Das Landesprogramm gegen rechts werde fortgesetzt, ein NPD-Verbot angestrebt. Ausschweifender geht es nun um den Kampf gegen Linksextremismus. In Schulen soll mehr über Autonome aufgeklärt, linke Gewalt besser erforscht, "ggf. ein Programm gegen Linksextremismus entwickelt" werden."
Dass die staatlichen Institutionen (zumindest weite Teile von ihnen) sich klar von Rechtsextremist_innen distanzieren, das nehme ich ihnen sogar ab. Rechtsextremismus wird als Gegensatz zum demokratischen Staat aufgebaut. Das heisst aber nicht, dass staatliche Institutionen nicht auf dem rechten Auge durchaus seheingeschränkt bzw. sehunwillig sind.
Rassistische Ausgrenzungen sind in diesem Land durchaus gesellschaftsfähig, wie nicht nur die Sarrazin-Debatte gezeigt hat. Es ist selbstverständlich von 'Ausländern' zu reden (auch jetzt in der Berichterstattung über die Morde der NSU), wenn es um Inländer_innen geht. Wenn diese Mordopfer werden, dann lässt sich von 'Döner-Morden' sprechen (auch wenn in sieben von neun Fällen die Mordopfer nichts mit Dönern zu tun hatten) und die Soko wird Bosporus genannt (dazu auch Die kleine Wortkunde der taz). Kaum eine_r fällt auf, dass all dies rassistische Praktiken sind, die die Opfer als Andere festschreiben und mit bestimmten Bildern (organisierte Kriminalität, etc.) verbinden. Solche Praktiken leiten dann auch die Blickrichtung, ohne dass irgendjemand dies bewußt sein muss. Da es 'Andere' sind, die das Opfer der Verbrechen werden, scheint auch der Staat nicht dadurch betroffen. Der Staat muss nicht besonders geschützt werden (anders als bei Brandanschlägen auf Autos).
Während so auf der einen Seite, die Differenz der als anders Konstruierten festgeschrieben wird, wird auf der anderen Seite die Realität von sozialen Differenzen geleugnet. So wehrt sich Wilfing im taz-Interview gegen den Eindruck, dass Migrant_innen als Täter_innen konstruiert werden:
"Für uns macht es nicht den geringsten Unterschied, ob das Opfer Türke oder Schwarzafrikaner oder Deutscher ist. Das kann ich Ihnen versichern."
Wenn so die soziale Positionierung des Opfers als rassifizierte Person in Deutschland ignoriert wird, kann auch Rassismus nicht als Tatmotiv in den Fokus genommen werden. Um auf dem rechten Auge sehen zu können, müsste anerkannt werden, dass es Rassismus in Deutschland gibt und dieser auch tödlich werden kann.
Um Rechtsextremismus besser erkennen zu können, um ihn besser präventiv begegnen zu können, müssen (nicht nur) die staatlichen Institutionen ihr rechtes Auge besser trainieren. Es muss eine gesellschaftliche Anerkennung geben, dass unsere Gesellschaft und unser Staat rassistisch strukturiert sind und wir alle daran teilhaben müssen, dagegen vorzugehen. Wir brauchen eine andere Haltung in diesem Land.
Nachtrag 17.11.11: Im tagesschau.de-Interview argumentiert Anetta Kahana ähnlich.
Nachtrag 19.11.11: Nach dem Attentat von Utoya hat laut taz der dänische Verfassungsschutz festgestellt, dass es auch in Dänemark zu einem solchen Terrorakt kommen könnte. Es scheint dabei allerdings so, dass auch der dänische Verfassungsschutz auf dem rechten Auge nur eingeschränkt sehfähig/willig ist.
Nachtrag 22.11.11: Die taz berichtet vom Innenausschuss des Bundestags:
"Als erste Konsequenz soll es in seiner Behörde künftig eine eigene Abteilung "Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus" geben. Bisher sind der "Deutsche Links- und Rechtsextremismus" in einer Abteilung zusammengelegt, während es längst eine eigene für "Islamismus und islamistischen Terrorismus" gibt."
und die taz berlin über den rot-schwarzen Koalitionsvertrag:
"Widmete Rot-Rot 2006 in seinem Vertrag der Bekämpfung des Rechtsextremismus noch satte zwei Seiten, reicht diesmal ein einziger Absatz: Das Landesprogramm gegen rechts werde fortgesetzt, ein NPD-Verbot angestrebt. Ausschweifender geht es nun um den Kampf gegen Linksextremismus. In Schulen soll mehr über Autonome aufgeklärt, linke Gewalt besser erforscht, "ggf. ein Programm gegen Linksextremismus entwickelt" werden."
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