Freitag, 23. Mai 2008
Radio Multikulti
Der Berliner Sender Radio Multikulti soll eingespart werden, der Widerstand formiert sich. Die taz hat BerlinerInnen gefragt: Radio Multikulti muss bleiben, weil .... Die Antworten waren überwiegend politisch fundiert:

Binh Biu Thanh: "… ich nur hier alles über das Leben in Berlin, die deutsche Schule und neue Gesetze erfahre."

Ipek Ipekcioglu: "Mit der Schließung dieser Welle trifft der öffentlich-rechtliche Sender ... eine politische Aussage, die die Unterminierung einer bestimmten soziopolitischen und kulturellen Identität bedeutet."

Cem Özdemir: "Vor 15 Jahren war der Brandanschlag von Solingen, bei dem fünf Menschen starben. Eines der Ergebnisse war Radio Multikulti. Angesichts des wachsenden Rechtsradikalismus dieses Radio jetzt zu schließen, ist auch eine Ansage. Aber nicht die, die unsere Gesellschaft jetzt braucht."

Michael Kesting: "… es den Leuten eine Stimme gibt, die sonst keine haben."

Heiner Bielefeldt: Menschenrechte nicht nur ein Thema für die Türkei oder China, sondern auch für Deutschland und Berlin sind. Radio Multikulti hat es in den vergangenen Jahren geschafft, Menschenrechte auf der lokalen Ebene sichtbar zu machen. Die MacherInnen des vielfältigen Programms betreiben Aufklärung im besten Sinne: MigrantInnen lernen ihre Rechte kennen und werden informiert, wie sie diese einfordern können."

Nachtrag 02.06.08: Die taz berichtet weiter über die angekündigte Schließung von Radio Multikulti, z.B. hier:

"Manche sind durch die bevorstehende Schließung von mehr als nur Arbeitslosigkeit bedroht: Nicht nur ihr Einkommen, auch ihr Aufenthaltstitel hängt von der Arbeit bei Multikulti ab."

Nachtrag 26.06.08: In einem Artikel, der für den Erhalt von Radio Multikulti plädieren soll, reproduziert die taz etliche Vorurteile über den Medienkonsum von 'MigrantInnen': die Sender aus der "Heimat", die sie sich ansehen, sind nicht objektiv und behindern die Integration hier. Dass das eine viel zu simple Sicht ist, ist inzwischen wissenschaftlicher Standard (siehe zum Beispiel den von Karim Karim herausgegeben Sammelband The Media of Diaspora). All das, was den Heimat-Sendern vorgeworfen wird, könnte genauso deutschen Mainstream-Sendern vorgeworfen werden: auch die verbreiten eine konstruierte und verzerrte Weltsicht.

Nachtrag 10.12.08: Der Dezember ist ein trauriger Monat. Trotz allen Protests wird Radio Mulitikulti geschlossen. Ein solches Programm scheint keine politischen Befürworter_innen zu haben.

Mit der Schliessung Radio Multikultis wird es unter anderem kein Sabah am Sonntag mehr geben. Nicht mehr eine Stunde lang ungewöhnliche Musik von den unterschiedlichsten Orten rund um den Globus. Anstattdessen noch mehr belangloses Mainstream-Gedudel. Ein Verlust.

Nachtrag 03.01.10: Ein Jahr nach der Schliessung von Radio Multikulti berichtet die taz über die Folgen:

"Auch ansonsten hat der Bericht, mit dem der RBB ein knappes Jahr nach der Schließung seine Bemühungen um die Querschnittsaufgabe Integration belegen will, wenig Handfestes zu bieten."

Die Multikulti-Mitarbeitenden ohne akzentfreies Deutsch haben es - wie vorherzusehen war - schwer, eine Moderator_innenstelle zu bekommen:

"Es ist der Akzent, der diejenigen von Radio Multikulti vereint, die nicht mehr oder kaum noch zu hören sind. "Sie klingen etwas zu international", soll einer ehemaligen Multikulti-Mitarbeiterin gesagt worden sein, die ihre Beiträge selbst sprechen wollte. Zwar heißt es in dem im Oktober 2009 publizierten Integrationsbericht des Senders, "Moderatoren und Reporter mit Akzent könnten die Identifikation der EinwandererzuschauerInnen bzw. -hörer mit dem RBB fördern", doch unter den im Bericht abgebildeten MitarbeiterInnen nichtdeutscher Herkunft findet sich keiner, dem man diese auch anhört - jedenfalls keiner, der im Programm zu hören wäre."

So funktioniert struktureller Rassismus.

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Familiennachzug nur mit Deutschkenntnissen
Der verband binationaler familien und partnerschaften berichtet in seinen neusten iaf informationen über die Konsequenzen der verschärften Nachzugsregeln. Eine deprimierende Lektüre.

Nachtrag 26.03.10: Auch die taz berichtet über die Folgen der Regelung: Sprachtests verhindern Familienleben. Das Foto hat allerdings eine falsche Bildzeile. So viel ich weiss, müssen Staatsbürger_innen bestimmter Nicht-EU-Staaten wie die USA oder Japan keinen Sprachtest machen.

Nachtrag 31.03.10: Die taz berichtet über ein restriktives Gerichtsurteil in Sachen Familiennachzug und Deutschtest:

Zum einen wird die Härtefallregel ganz exklusiv angewandt:

"Darauf könne nur verzichtet werden, wenn der Spracherwerb im Heimatland "unmöglich" sei. In der Türkei gebe es jedoch Goethe-Institute und Sprachkurse, auch die Deutsche Welle sei zu empfangen. "Ein Sprachkurs in der Türkei mag zwar schwer zu organisieren sein, unmöglich ist er aber nicht", sagte Marion Eckertz-Höfer, die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts."

Ich möchte sehen, wie irgendjemand vom Bundesverwaltungsgericht eine fremde Sprache per Radio lernt.

Zum anderen wird das Grundrecht auf Ehe aufgeweicht:

"Das Grundrecht auf Ehe ermögliche keine Einreise nach Deutschland, wenn ein Zusammenleben auch im Ausland möglich ist, erklärten die Richter. "

Das wurde meiner Mutter 1969 auch erzählt, als sie als deutsche Staatsbürgerin in Deutschland einen ausländischen Staatsbürger heiraten wollte. Ihr wurde mitgeteilt, dass sie kein Recht auf Eheleben in Deutschland hat.

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Arm sind die Unterprivilegierten
Die taz berichtet:

"Migranten sind in Deutschland besonders von Armut betroffen. Während 15 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht sind, liegt dieser Anteil bei Menschen mit Migrationshintergrund fast doppelt so hoch, nämlich bei gut 28 Prozent."

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