Mittwoch, 12. Juli 2006
Patriotismusskeptikerin
In der taz erklärt Hilal Sezgin, warum es wichtig ist Patriotismus skeptisch zu begegnen und warum die 'Deutschen' hier weiter waren als andere:

"Erst der Oxforder Philosoph Bernard Williams musste den Engländern beibringen, dass berechtigte Scham- und Schuldgefühle nicht unbedingt mit etwas einhergehen müssen, für das man selber haftbar zu machen ist. Und jetzt möchte ich mal stolz die deutsche Flagge hervorkramen: In Deutschland weiß so etwas jeder abiturlose Rowdy. Jeder weiß, dass mit diesem Land etwas im Argen liegt, dass jeder Lebende auf dem Grab Ermordeter wandelt. ...

Ja, seitdem Deutschland ein Höchstmaß an Perfidie gegenüber einigen aus seiner Mitte an den Tag legte und erst von außen daran gehindert wurde, bis in alle Ewigkeit damit weiterzumachen, haben wir eine größere Sensibilität auch für andere, subtilere, normaler wirkende, weiter verbreitete Perfidien bekommen (von denen wir einige mit anderen Ländern teilen). So hat die Mehrzahl der deutschen Bevölkerung eine tief sitzende Abscheu gegen jede militärische "Lösung" entwickelt, was kriegslüsterne Leitartikler gern als billigen Pazifismus verspotten - umsonst. Der Verkauf deutscher Panzer wird von den meisten "Tagesschau"-Sehern jedenfalls nicht mit "mehr Geld" assoziiert, sondern mit "mehr Tod".

Wenn es etwas gibt, das sich die Nachkommen der Verbrecher von einst bewahren sollten, dann ist es diese Sensibilität, ihr Gewissen. Wir sollten gar nicht erst hoffen, dieses Gewissen abschütteln und unsere Nationalhymne feucht-fröhlich drauflos singen zu können, "endlich wieder". Wir sollten vielmehr froh sein, dass wir dabei immer auch ihre negativen Untertöne heraushören, immer noch."

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Erinnern
In Liverpool fordert ein antirassistische Initiative, die Umbenennung einer Strasse, die den Namen eine Sklavenhändlers trägt. Bekannter ist die Pennylane allerdings durch einen Beatlessong. Daher hält es KSP in der taz auch für nötig, gegen diese Initiative zu polemisieren:

"Hätte die Kampagne James Penny nicht aus der Grube geholt, wäre in der Penny Lane auch weiterhin nur der vier berühmtesten Liverpooler und einer wertlosen britischen Münze gedacht worden. James Penny hätte diese PR-Aktion sicherlich viel Freude bereitet."

Ich bezweifele, dass sich Penny darüber gefreut hätte, dass endlich über seine Verbrechen gesprochen wird. Das kollektive Verdrängen von kolonialistischen Verbrechen ist ein Problem aller Länder mit kolonialer Vergangenheit (auch Deutschlands). Das Schweigen muss gebrochen werden, eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit muss einsetzen.

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Sicherheit
Zu dem Jahrestag der Londoner Terroranschläge schrieb die taz:

"Man wird den Verdacht nicht los, dass die Regierung mit dem Terror-Schreckgespenst politische Zwecke verfolgt. Natürlich kann man neuerliche Anschläge nicht ausschließen, aber die ständige Beschwörung der Bedrohung soll die Bevölkerung offenbar mürbe machen für verschärfte Kontrollmaßnahmen, wie Blair sie sich wünscht: mehr Mittel für antiterroristische staatliche Institutionen, Personalausweise mit genetischem Fingerabdruck, Ausweisung von suspekten Ausländern, Internierung von Verdächtigen ohne Anklage."

Ein ähnliches Gefühl bekommt frau auch, wenn Schäuble über die Sicherheitsvorkehrungen während der WM spricht. Das Schreckgespenst des Terrorismus ermöglicht gerade massive Eingriffe in die Grundrechte.

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Verfassungstreu
Die taz berichtet:

"Als Kultusministerin in Baden-Württemberg wollte Schavan ein Zeichen setzen. Sie wollte muslimische Lehrerinnen per Landesschulgesetz zwingen, ohne Kopftuch zu unterrichten. Genau das aber hat am Freitag das Stuttgarter Verwaltungsgericht als nicht statthaft zurückgewiesen. Doris Graber darf weiter im Kopftuch vor ihre Schüler treten. Da es Nonnen in Baden-Württemberg erlaubt ist, in Ordenstracht an staatlichen Schulen zu unterrichten, dürfe man einer Muslima religiös motivierte Kleidung nicht verbieten, argumentierten die Richter. Denn das verstoße gegen den Grundsatz, alle Religionen gleich zu behandeln."

Es ist also nicht die Muslima, die gegen die Verfassung verstösst, sondern die Bildungsministerin. Das will die aber nicht wahrhaben.

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