Freitag, 17. Oktober 2014
Die Zweigeschlechtlichkeit und der Sport
Der Sport ist zweigeschlechtlich. Sport ist männlich. Und dann gibt es noch Sport für Frauen. Das ist Naturgesetz und muss so sein.

Dummerweise nur halten sich nicht alle Frauen an die klare Zweigeschlechtlichkeit. Manche sind zu schnell, zu stark für Frauen (z.B. Caster Semenya). Deswegen wird im Leistungssport überprüft, ob Frauen auch wirklich Frauen sind. Gerade hat das dazu geführt, dass, wie die taz berichtet, die indische Läuferin Dutee Chand von Wettbewerben ausgeschlossen. Ihr Testosteron-Wert entspricht nicht dem, den eine Frau noch haben darf. Chand dürfte wieder mitmachen, wenn sie sich ihren Testostornwert medizinisch senken lässt.

Die Athletinnen, die wie Semenya oder Chand sozial als Frauen leben, sollen auch biologisch zu Frauen gemacht werden (aufgrund von mehr oder weniger willkürlichen Merkmalen, gerade ist es der Testostoronspiegel). Sie sollen in das dichotome System eingepasst werden.

Damit sie keine ungerechten Vorteile haben. So wie auch Menschen, die bestimmte Hilfsmittel für den Sport brauchen (wie Prothesen) keine unfairen Vorteile haben sollen. Interessant ist, welche Abweichungen von der Norm zu Ausschluss führen und welche nicht. Welche Glück für die Sportler_in sind und welche Pech.

Die Frage ist, wie lässt sich zweigeschlechtlicher Sport rechtfertigen, wenn die Menschen nicht zweigeschlechtlich sind?

Die abweichenden Männer sind übrigens kein Problem. Denn sie werden als schwächer als die richtigen Männer angesehen und sind daher keine Gefahr in den Wettbewerben. Da muss Fairness nicht hergestellt werden.

PS: Der taz-Autor scheint so seine Schwierigkeiten mit dem Thema zu haben. Irgendwie kommt im Artikel durch, dass Chand halt einen unfairen Vorteil hat und der Sport natürlich darauf reagieren muss. Auch sprachlich stellen Sportlerinnen eine Herausforderung für den Autoren dar, so schreibt er von "Fälle von weiblichen Leistungssportlern". Oder will er mit dieser Mischung von weiblicher Zuschreibung und generischem Maskulinum auf die Brüchigkeit der Zweigschlechtlichkeit hinweisen?

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Samstag, 4. Oktober 2014
Personalausweis einziehen und Abschieben
Seit Tagen wird darüber diskutiert, wie man Salafisten / Islamisten / ... mit deutscher Staatsbürgerschaft daran hindern kann Deutschland zu verlassen. Dazu wird auch überlegt, Grundrechte einzuschränken, Personalausweise zu markieren, einzuziehen, etc. Wenn die irgendwas-isten allerdings keine deutsche Staatsbürgerschaft haben, dann sollen sie abgeschoben werden, wie Erhan A. in die Türkei. Warum hängt das von der Staatsbürgerschaft ab, ob es gefährlich ist, wenn diese isten in die Türkei reisen?

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Freitag, 3. Oktober 2014
Inklusion kostet
Vor gut zwei Wochen hat die taz darüber berichtet, dass der Landtag in NRW sich nicht in der Lage sah, die Reise einer Auslandsdelegation in die Türkei so zu planen, dass der Abgeordnete Stefan Fricke teilnehmen könnte. Fricke hatte dagegen laut taz Klage eingereicht, keine Unterstützung seiner Fraktion (Piraten) bekommen und später die Klage zurückgezogen. Online finde ich dazu nicht viel mehr. Dass es sicher eine Herausforderung ist, eine Auslandsreise für einen Menschen in einem speziellen Rolli zu planen, glaube ich. Ich kann mir auch vorstellen, dass es mal nicht funktionieren kann. Wenn mensch Inklusion ernst nimmt, dann müssen aber alle Versuche unternommen werden und über die Probleme offen geredet werden. Es gibt allerdings eine Erwiderung des Landtags auf die Klage, die das nicht macht. Nach allgemeinen Ausflüchten, die darauf abzielen, dass jede_r doch verstehen wird, dass nicht alles gemacht werden kann, kommt als letzter Punkt:

"Der Landtag Nordrhein-Westfalen lässt sich nicht vorwerfen, sich nicht für Menschen mit Behinderungen einzusetzen. Gerade für den Abgeordneten Fricke hat der Landtag erhebliche Leistungen erbracht. So hat ihm der Landtag unter großem finanziellen Aufwand eine eigene Dusche plus Toilette eingerichtet, finanziert einen zusätzlichen Mitarbeiter und stellt ihm einen behindertengerechten PKW zur Verfügung. Das Engagement der Landtagsverwaltung zeigte sich aber auch bei vorangegangenen Reisen. So wurde u.a. dem Abgeordneten Fricke die Teilnahme an der Informationsreise der Parlamentariergruppe NRW-Türkei nach Berlin Anfang 2014 ermöglicht."

Dass der Landtag so umgestaltet wurde, dass der Abgeordnete an seinem Arbeitsplatz arbeiten kann, kann doch nicht als Entgegenkommen des Landtags gewertet werden. Das muss doch selbstverständlich sein. Es stellt sich auch die Frage, warum der Landtag vorher nicht so ausgestattet war. Fricke ist schliesslich nicht der einzige Rolli-Fahrer_in in NRW.

Inklusion ist noch nicht weit voran geschritten in Deutschland. Und die Bereitschaft für Inklusion auch Mittel bereit zu stellen, scheint sehr begrenzt.

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Donnerstag, 2. Oktober 2014
Kein Klassenproblem sondern Rassismus
Lalon Sander wendet sich in einem taz-Artikel dagegen, dass die Folterungen von Heimbewohner_innen durch Wachpersonal eine Folge von fehlender Bildung und Kriminalität seien. Er zeigt vielmehr den strukturellen Rassismus auf, der es ermöglicht das Heimbewohnende misshandelt werden können:

"bietet die gewollte Unsichtbarkeit der Geflüchteten den perfekten Schutz für Gewalt ohne Konsequenzen. Die Flüchtlingsheime liegen nicht ohne Grund am Rande von Städten oder mitten in der Pampa. Flüchtlingen wird nicht ohne Grund der Kontakt zur Bevölkerung erschwert - durch Reise- und Arbeitsverbote. Zugleich bietet die öffentliche Abwertung von Flüchtlingen zu reinen Kosten- und Dreckverursachern die perfekte Begründung, um sie im Schutz dieser Unsichtbarkeit schlecht zu behandeln. "

Sander führt weiter aus, dass diese Unsichtbarkeit durch die politischen Eliten dieser Gesellschaft bewusst geschaffen wird. Sie kommt also nicht vom Rand sonder aus der Mitte der Gesellschaft.

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Crossings & Alliances?
Die Hirschfeld-Eddy-Stiftung veranstaltet diesen Winter eine Veranstaltungsreihe Crossings & Alliances:

"Crossings & Alliances ist eine Veranstaltungsreihe der Hirschfeld-Eddy-Stiftung zur Menschenrechtsarbeit für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten. Der Fokus der Reihe sind Themen, die häufig vergessen werden: Es geht um Rassismus in der Menschenrechtsarbeit, um Homo- und Transphobie und die Rechte von Intersexuellen.

Gefragt wird nach den Gemeinsamkeiten bzw. Unterschieden der Arbeit für Lesben, Schwule, Transgender und Intersexuelle (LGBTI), der Vermittlerrolle von migrantischen Selbstorganisationen, den Machtbeziehungen im Nord-Süd-Dialog und nicht zuletzt nach den Erwartungen an Solidarität aus Europa."


Das ist eine Ansammlung von netten Worten, deren Sinn sich mir nicht ganz erschliesst. Wer vergisst die Themen (Rassismus, etc.)? Nach welchen Gemeinsamkeiten wird gefragt? Was sollen migrantische Selbstorganisationen vermitteln? Klar formuliert aber ist, dass es um Machtbeziehungen im Nord-Süd-Dialog gehen soll und über die Erwartungen (vermutlich aus dem Süden) an Europa. Das könnte spannend sein.

Wenn ich mir die Veranstaltung zu Indien anschaue, sehe ich allerdings nur eine Reproduktion von ungleichen Machtbeziehungen und die Ausblendung von Stimmen aus dem Süden. Ich kann mir vorstellen, dass Konstanze Plett, eine interessante Analyse des Gerichtsurteils macht. Wer Boris Dittrich ist weiss ich nicht. Ich weiss aber, dass es ganz viele Aktivist_innen und Wissenschaftler_innen aus Indien gibt, die sich mit diesen Fragen beschäftigen und auch Erwartungen an Solidarität aus Europa haben (z.B. Ponni Arasu oder einige von Kafila). Die Stimmen fehlen aber komplett auf der Veranstaltung. Was soll das?

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Sonntag, 28. September 2014
Inzestverbot
Nachdem der Ethikrat letzte Woche empohlen hat den Inzest-Paragraphen neu zu formulieren (siehe taz) und Sexualität zwischen erwachsenen Geschwistern nicht länger zu kriminalisieren, gab es einen allgemeinen Aufschrei dagegen. Die FAZ began ihren Artikel mit:

"Die Empfehlung des Deutschen Ethikrats, das Inzestverbot aufzuheben, stößt auf Widerstand bei Innen- und Justizpolitikern von CDU und CSU. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), sprach in der „Bild“-Zeitung von einem „sittenwidrigen Vorstoß“. Inzest unter Geschwistern und nahen Verwandten stehe nicht ohne Grund unter Strafe. Erbkrankheiten und Behinderungen der Kinder aus einer solchen Verbindungen seien die Folge. Das Votum des Gremiums sei daher „absolut untragbar“."

Das Argument, dass Inzest zu behinderten oder kranken Kindern führe und deswegen verboten werden müsse, kam immer wieder. Und jedesmal zuckte ich zusammen. Dürfen nur gesunde Kinder geboren werden? Dürfen Menschen, die Krankheiten oder 'Behinderungen' an ihre Kinder weiter geben könnten, keine Sexualität haben und keine Kinder bekommen? Was stecken da für Ideen von werten und unwertem Leben dahinter?

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Samstag, 27. September 2014
Prekäre Bildungsarbeit
Die taz berichtet über die Ausbeutung von freiberuflichen Bildungsarbeitenden. Der Fokus des Artikels ist dabei die gewerkschaftliche Bildungsarbeit, weil die Gewerkschaften gegen ihre eigenen Forderungen verstossen. Es wird aber auch erwähnt, dass es nicht nur ein Problem von gewerkschaftlichen Auftraggebenden ist.

Im wesentlichen spricht der Artikel zwei Problemfelder an: erstens, viel zu niedrige Honorarsätze (verbunden mit langen Arbeitszeiten) und zweitens, die Macht der Auftraggebenden unliebsame Freiberufliche rauszuschmeissen. Beide Probleme kenne ich aus meiner eigenen freiberuflichen Tätigkeit.

Zuerst zu den Honorarsätzen: Gerade in der politischen Bildungs scheinen Auftraggebende davon auszugehen, dass die Bildungsarbeitenden durch die Bedeutung ihrer Arbeit ausreichend entlohnt sind. Für Bildungsarbeit gibt es wenig Geld, dafür (in meiner Erfahrung häufig) Lob und Ehre. Von Lob und Ehre kann ich aber meine Versicherungen (allein für die Krankenversicherung mehr als 350 € im Monat), Einkommens- und Mehrwertsteuer, Arbeitsmaterialien, Kommunikationskosten und Fortbildungen sowie meine Lebenshaltungskosten (Miete, Essen, etc.) nicht bezahlen. Von Urlaub, Krankheitszeiten, etc. ganz zu schweigen. Zudem müssen wenige Aufträge im Monat (mal mehr, mal weniger je nach Jahreszeit) reichen, um genug Geld zu verdienen. Zum einen ist es gar nicht so einfach, viel mehr Aufträge zu bekommen. Zum anderen brauche ich auch Zeit zur Vorbereitung (der einzelnen Veranstaltungen, aber auch generell der Auseinandersetzung mit meinen Themenbereichen, damit ich mich weiter entwickele und neue Entwicklungen mitbekomme). Und nach Bildungsarbeit brauche ich auch Zeit zur Regeneration (denn die Veranstaltungen bedeuten in der Regel lange anstrengende Arbeitszeiten und häufig viel Fahrerei). Für Tagessätze zwischen 100 und 200 € oder auch 350 €, wie sie im Artikel erwähnt sind, arbeite ich nicht. Das kann ich mir gar nicht leisten. Selten aber kann ich Tagessätze verhandeln, die sich für mich wirklich lohnen.

Honorarsätze verhandeln ist gar nicht so einfach. Mit meinem Doktortitel habe ich etwas Vorteile im Vergleich zu anderen. Aber auch für mich gilt, dass die Auftraggebenden mächtiger sind als ich. Sie machen die Vorgaben und für die Freiberuflichen bleibt nur wenig Verhandlungsspielraum. Bei den prekären Arbeitsverhältnissen kann man es sich auch nur schlecht erlauben, potentielle Auftraggebende zu verschrecken.

Bei meinen Themenfeldern Rassismus- und Heteronormativitätskritik besteht zudem immer die Gefahr, die Auftraggebenden durch genau diese Kritik zu verärgern (siehe meinen Artikel mit Beate Flechtker und Alice Stein dazu). Diese Verärgerung ist geradzu in den Themen angelegt. Aufgrund der Übermacht der Auftraggebenden kann dass dann leicht mit Rauswurf oder eleganter fehlenden Folgeaufträgen enden.

Auch wenn Bildungsarbeit viel Spaß macht, die Rahmenbedingungen sind miserabel.

PS: Wobei allerdings hinzugefügt werden muss, dass diese miserabelen Bedingungen immer noch besser sind als die Bedingungen bei Lehraufträgen. Die mache ich daher in der Regel nicht mehr, obwohl ich gerne lehre.

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Freitag, 26. September 2014
Christliche Krankenhäuser
Krankenhäuser in christlicher Trägerschaft sind ein Problem. Obwohl überwiegend mit öffentlichen Geldern betrieben, darf in diesen Krankenhäusern diskriminiert werden.

Aktuell gerade in den Medien: eine Krankenschwester darf nicht mit Kopfbedeckung arbeiten. Es geht natürlich nicht um die Kopfbedeckung, sondern darum, dass die Krankenschwester muslimisch ist. Und da hat das Krankenhaus dann ein Loyalitätsproblem und kann keinerlei Kopfbedeckung (oder Einsatz im OP-Bereich) zusstimmen (wenn die Ausführungen in der taz so stimmen). Der Anwalt des Krankenhauses sagte:

„Wenn auf einer normalen Station eine einzelne Schwester eine Kopfbedeckung trägt, fällt das doch auf.“

Ja, und? Was ist daran schlimm, wenn jemand auffällt?

Nachtrag am Abend: Der Direktor des deutschen Evangelischen Krankenhausverbands hat der taz ein wenig überzeugendes Interview zum Urteil gegeben.

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