Samstag, 9. April 2011
Internetsperren oder Rassismus
Die taz berichtet, dass die Regierung nun doch kein Internetsperren will und verweist dabei auf eine Abmachung unter den Regierungsparteien:

"Im Gegenzug stimmten die Liberalen der Einrichtung einer Visa-Warndatei zu."

Über das eine wurde viel in den Medien gejubelt, die rassistische Exklusionspolitik wurde aber nicht weiter thematisiert (für ältere Diskussion siehe z.B. hier).

Nachtrag 18.05.11: Die taz berichtet, dass der Gesetzentwurf für die Visa-Warndatei jetzt vorliegt. Christian Rath gratuliert in einem Kommentar der FDP:

"Die Visawarndatei hat die Union also teuer erkauft. Dafür gebührt der FDP Respekt. "

Ich verstehe nicht, wieso es so wenig Verurteilung der Visawarndatei gibt. Wenn Daten von Dominanzdeutschen gesammelt werden, dann gibt es einen kollektiven Aufschrei (der Linken). Wenn Daten von 'Ausländer_innen' gesammelt werden, dann kann das schon mal als ein Preis für Internetfreiheit durchgehen. Dabei lässt sich leicht ausmalen, dass die Visawarndatei in den nächsten Jahren ausgeweitet wird, 'Ausländer_innen' immer mehr überprüft werden und immer weniger einreisen dürfen.

Das diese rassistische Ausgrenzungspolitik viel Geld kostet, scheint auch niemanden wirklich zu stören. Die taz berichtet:

"Die Warndatei soll beim Bundesverwaltungsamt in Köln eingerichtet werden. Dort sollen 46 neue Stellen entstehen. Die Regierung rechnet mit Kosten von 6,9 Millionen Euro für die Einrichtung und 4,2 Millionen Euro für den laufenden Betrieb. Für den Anti-Terror-Abgleich werden weitere Kosten in noch unbekannter Höhe entstehen. "

Mehr Informationen zur Visa-Warndatei auf migration-info.

Nachtrag 04.12.11: Die taz schreibt in ihrer Kurzmeldung zur beschlossenen Visa-Warndatei: "Die Vergabe von Visa soll sicherer werden. "

Es fehlt jegliche kritische Auseinandersetzung mit dem Beschluss.

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Montag, 4. April 2011
Selbstmord vor Abschiebung
Die taz berichtet über einen Menschen, dem ein ordentlicher Aufenthaltstitel in Deutschland über 15 Jahre verweigert wurde, der die ganzen Jahren unter den unmenschlichen gesetzlichen Regelungen leben musste und der sich nun vor der angekündigten Abschiebung umgebracht hat.

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Mittwoch, 30. März 2011
Inszenierung von Lampedusa
Bei der Veranstaltung zur Blackbox Abschiebung hatte Mark Terkessidis auf die Inszenierungen in Lampedusa hingewiesen: das Lager wurde erst nicht geöffnet, damit Bilder von im Freien campierenden Flüchtlingen durch die Medien gehen können und damit die Bedrohung Europas durch Flüchtlingsmassen belegt werden kann. Zudem wiess Terkessidis daraufhin, dass in der italienischen Praxis, die Menschen erst in Lager gesteckt werden und dann irgendwo freigelassen werden mit der Aufforderung das Land zu verlassen. So kann sowohl die Abschiebungsdrohkulisse aufrecht gehalten werden, wie ein großer Pool an rechtlosen prekären Arbeitskräften aufgebaut werden, die ausgebeutet werden können.

Ein Artikel der taz unterstützt diese Analyse:

"Siziliens Gouverneur Raffaele Lombardo sprach den Verdacht aus, diese Zustände seinen gewollt."

Und weiter zur Frage der Flüchtlingszahlen:

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Italiens Regierung beschwört zwar seit Januar den aus Nordafrika bevorstehenden "biblischen Exodus", verhält sich aber verdächtig passiv, wenn es um humanitäre Antworten auf das Flüchtlingsdrama geht. Während Tunesien an seiner Grenze zu Libyen binnen kürzester Zeit Zeltstädte für die Flüchtlinge errichtete, zeigt sich Italien zu derartigen Anstrengungen "unfähig"."

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Mittwoch, 23. März 2011
Härtefallkommission
Diese Woche im taz Berlin - Montagsinterview: Traudl Vorbrodt, die 20 Jahr in der Härtefallkommission mitgearbeitet hat. ("In der Härtefallkommission wird über ein humanitäres Aufenthaltsrecht für abschiebebedrohte Flüchtlinge beraten.")

Sie berichtet über ihr Engagement und von ihrem Burn-Out. Das Interview schwankt interessant zwischen idealistischen Forderungen (eine Welt ohne Grenzen) und pragmatischen Ansätzen (Zusammenarbeit mit den Institutionen).

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Montag, 21. März 2011
Abschiebung
Am Freitag wurde mit einer Podiumsdiskussion die Ausstellung Blackbox Abschiebung im Haus der Kulturen der Welt eröffnet. Mark Terkessidis sprach mit dem Kurator Ralf Jesse, dem Aktivisten von afrique-europe-interact und vom Bündnis gegen Lager Berlin/Brandenburg Bruno Wattara und Kathleen Heft von der Initiative gegen Abschiebehaft.

Terkessidis stellte in seiner Einführung prägnant dar, welche Rolle Abschiebungen im Migrationsdiskurs haben. Sie dienen als Symbol für die Kontrolle von Einwanderung (auch wenn sie mit der Kontrolle von Einwanderung defacto nichts zu tun haben). Abschliessend wiess er noch darauf hin, dass Abschiebungen nicht nur die Abgeschobenen oder von Abschiebung Bedrohten betrifft, sondern durch sie die Gesellschaft und ihre (idealen) Mitglieder definiert werden.

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Samstag, 5. März 2011
Hilfe für Flüchtlinge
Die deutsche Marine bringt ein paar Hundert Flüchtlinge von der tunesisch-libyschen Grenze nach Ägypten (siehe z.B. zeit.de). Toll, wie sich Deutschland engagiert - das wird sicher viel helfen. Laut taz:

"Weit über 100.000 Menschen sind bisher in Tunesien angekommen. An manchen Tagen waren es bis zu 15.000."

Der Deutschlandfunk berichtete, dass Ägypten Tausende innerhalb von 24 Stunden ausgeflogen hat. Und die deutsche Marine will mit drei Schiffen ein paar Hundert Menschen in zwei Tagen nach Ägypten bringen. Was soll das bringen?

Die taz zitiert einen tunesischen Aktivisten: "Wenn wir über Menschenrechte reden, sind die USA und die EU Weltmeister. Aber wenn es um konkretes Handeln geht, wo bleiben sie dann?"

Die Tunesier_innen engagieren sich trotz fehlender staatlicher Strukturen: "Nach der Revolution sei der Staat so gut wie zusammengebrochen, das Land befinde sich im Umbruch und Neuaufbau. "Ich habe eine so breite Solidarität der tunesischen Bevölkerung noch nie erlebt."

Die einen reden, die anderen handeln.

Nachtrag 07.03.11: Auf tagesschau.de ist nun ein ähnlicher Bericht wie ich ihn im Deutschlandfunk gehört hatte und der mich zu diesem Post angeregt hatte. Noch ein Zitat von tagesschau.de:

"Im Vergleich zu den Europäern haben die Ägypter unbürokratisch, effektiv und entschlossen gehandelt. In den vergangenen zwei Tagen brachte das revolutionsgeschüttelte Land mit einer Luftbrücke 60.000 Flüchtlinge nach Hause. Die staatliche Fluggesellschaft Egypt Air hätte sicher auch noch 450 Flüchtlinge mehr evakuiert.

Aber dann hätte die Guttenberg-geschüttelte Bundesregierung ihrerseits nicht so schöne Fernsehbilder und Schlagzeilen von geretteten Ägyptern auf einer deutschen Fregatte bekommen."

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Dienstag, 1. März 2011
Kollektivhaft
Die EU heisst Flüchtlinge generell nicht willkommen. Per Dublin II sorgen die Nordstaten dafür, dass die meisten Flüchtlinge in den Mittelmeerstaaten bleiben müssen. Dort aber sind die Bedingungen für sie besonders schlimm. So berichtete die taz vor einiger Zeit, dass in Italien somalische Flüchtlinge in der ehemaligen somalischen Botschaft unter menschenunwürdigen Verhältnissen leben müssen. Jetzt berichtet die taz, dass die Botschaft geräumt wurde. Aber nicht, um den Flüchtlingen menschenwürdigere Unterkünfte zu geben (im Gegenteil). Grund für die Räumung ist, dass es auf dem Gelände der Botschaft zu einer Vergewaltigung kam. Zur Rechenschaft gezogen werden aber nicht die Täter, sondern alle Bewohner_innen. Die taz dazu:

"Für den rechten Bürgermeister Gianni Alemanno war der Vorfall ein Anlass zur Hetze. "Alle 70 müssen ausgewiesen werden!", forderte er. Schließlich hätten sie der Vergewaltigung tatenlos zugesehen und seien überhaupt "alle Verbrecher" - anderenfalls hätten sie doch "Arbeit und Wohnung gefunden".

Alemanno verkehrt so frech alle Tatsachen in ihr exaktes Gegenteil. Erstens waren es die Somalis selbst, die eingriffen, als sie die Schreie des Mädchens hörten; die Botschaftsbewohner hielten die Täter fest und übergaben sie der Polizei. Zweitens ist es der italienische Staat, der Flüchtlinge - sie stehen ohne jede staatliche Hilfe da - in solche Elendssituationen wie die der Botschaft Somalias in Rom zwingt."

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Freitag, 25. Februar 2011
Europäisches Interesse
Demokratie - dafür tritt die EU angeblich ein. Die nordafrikanischen Volksaufstände aber zeigen, dass die EU de facto wenig Interesse an Demokratisierung hat. Mit den Diktatoren kann sie ihre Festung Europa viel besser abdichten. Dazu ein Zitat aus einem taz-Kommentar vom 14.02.:

"Kaum ist unser alter, zuverlässiger Partner Ben Ali weg, stechen die Boote in See. Ben Ali allerdings musste sich über all die Jahre nie Mahnungen anhören, er lasse es an Demokratie mangeln oder er nutze europäische Hilfe dafür, den Wohlstand des eignen Clans zu mehren. Schließlich garantierte er jenes Gut, das "uns Europäer" faktisch weit mehr interessierte als Demokratie und Prosperität in Tunesien: die Stabilität - bei der Islamistenabwehr im Innern, vor allem aber an den Außengrenzen."

Wenn aber der Diktator nicht mehr dafür sorgen kann, dass die Menschen nicht in die EU kommen, muss der Aufbau der Demokratie dafür herhalten. Aus der taz vom 15.02.11: "Innenminister de Maizière (CDU) sagte, Tunesien müsse dafür sorgen, dass die Menschen bleiben: "Die Menschen müssen erkennen: Sie gehören nach Tunesien, um dort ein anderes Tunesien aufzubauen.""

Die nach Europa Migrierenden werden als Arbeitsmigrant_innen abgewertet, die sich besser um ihr Land kümmern sollten. Dabei hat der Umsturz in Tunesien auch direkte wirtschaftliche Folgen für die Menschen, wie ein taz-Interview mit der Anwältin Paola La Rosa zeigt:

"Viele, mit denen ich reden konnte, haben bis vor Kurzem als Kellner oder Koch in den Hotels Südtunesiens, in Djerba und den anderen Touristenhochburgen gearbeitet. Doch infolge der Unruhen sind diese Hotels jetzt alle geschlossen, ist der Touristenstrom abgebrochen - und die früher in dieser Branche Beschäftigten stehen jetzt auf der Straße."

Aber es kann natürlich nicht sein, dass diese Menschen in die EU kommen und wir ihnen dadurch auch beim demokratischen Umbau helfen. Mit Diktatoren lässt sich besser verhandeln.

Innerhalb der EU entledigen sich die nördlichen Staaten mittels Dublin II der Verantwortung für Flüchtlinge. So berichtet die taz über einen Iraner, der nach Griechenland abgeschoben werden soll und kein selbstbestimmtes Leben führen darf.

Derweil verschärft Österreich laut taz weiter sein Ausländerrecht mit "Abschiebehaft für Kinder als "Angebot" für die Eltern" und "unter "Mitwirkungspflicht" laufenden Internierung von Asylwerbern im Erstaufnahmezentrum". Bei der legalen Einreise, werden Deutschkenntnisse verlangt: "wenn kein Goethe-Institut in Reichweite sei, könnte jeder über Internet studieren".

Nachtrag: Europäische (und einige andere Staaten) holen ihre Staatsangehörige aus Libyen raus (siehe z.B. stern.de). Die Libyer_innen aber sind in Europa nicht willkommen (siehe tagesschau.de). Menschenrechte hängen mal wieder von der Staatsangehörigkeit ab.

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Freitag, 18. Februar 2011
Berlinale: Illegalisierte Migration
Die Nachrichten sind voll von den Menschen, die per Boot nach Lampedusa kommen, und von den Bemühungen der Europäischen Union diese von ihr ungewollte Migration zu unterbinden. Auf der Berlinale gibt es diverse Filme, die sich mit diesem Themenkomplex beschäftigen.

Der philippinische Film Halaw zeigt wie eine Gruppe von Filippina_os mit dem Schiff von Mindano nach Malayasia reisen wollen.

Der griechische Film Man at Sea thematisiert Bootsflüchtlinge im Mittelmeer.

Der deutsche Kurzfilm Eisblumen erzählt die Geschichte eines Illegalisierten in Deutschland.

Nachtrag 23.02.11: Mir hatte der Film Man at Sea ganz gut gefallen. Kurz zur Geschichte: ein griechischer Öltanker nimmt eine Gruppe Bootsflüchtlinge auf, schafft es nicht, sie in Europa an Land zu bringen, auch danach scheitern einige Versuche, zwischen der Besatzung und den Flüchtlingen kommt es zu Konflikten und auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen (mit Toten). Ich habe den Film als eine Auseinandersetzung mit den menschenverachtenden Rahmenbedingungen der Festung Europa und marktwirtschaftlicher Zwänge gelesen, die menschenfreundliches Handeln kompliziert machen.

Ein Freund hat den Film ganz anders gelesen: der Tanker als Sinnbild für Griechenland, das überschwemmt wird von Flüchtlingen, sich das nicht leisten kann und menschenverachtend handeln muss, um nicht selbst zugrunde zu gehen. Ich kann diese Lesart durchaus nachvollziehen, auch wenn ich ihn anders gesehen habe. Spannend wie unterschiedlich Filme wahrgenommen werden können.

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Samstag, 5. Februar 2011
Nord-Süd-Kooperationgegen Abschottung und Armut
Zur Zeit zieht eine Karawane von Aktivist_innen aus afrikanischen und europäischen Ländern rund um die Themen Abschiebungen aus Europa, Flucht und Armut von Mali nach Senegal. Organisiert wird der Protestzug von Afrique-Europe-Interact". Die taz berichtet vom Zug.

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