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Montag, 13. März 2023
Situierte Identifikation
urmila, 08:34h
Als ich mit der Freundin aus Berlin auf den Eingang des Qutub Minars zulaufe, wird uns gesagt, ich müsse meinen Rucksack abgeben. Also gehe ich, nachdem wir unsere Tickets gekauft haben - die Freundin geht problemlos als Inderin durch, ich muss meine OCI-Karte zeigen und dann geht es - zum Cloak Room. Ich habe meinen Rucksack schon abgeben, möchte aber noch einen Nachweis dafür. Da merken sie, dass ich Ausländerin bin und geben mir den Rucksack zurück: "No Foreigner Bags." Ich komme problemlos mit ihm ins Qutub Minar, muss allerdings durch eine Taschenkontrolle.
Diese Szene ist typisch für meine unklare Identifikation hier in Delhi. Mal werde ich als lokal angesehen (und soll die Tasche abgeben), mal muss ich meinen OCI-Status (Overseas Citizen of India) nachweisen, mal gelte ich als Ausländerin. Wenn ich mit der als Inderin passenden Freundin aus Berlin unterwegs bin, bin ich tendenziell Inderin. Wenn ich alleine unterwegs bin, kann es auch schon mal vorkommen, dass ich auf Hindi angesprochen werde. War ich allerdings mit meiner klar weiß positionierten Freundin unterwegs, gingen die Preise für die Autorikshas sofort auf Ausländerpreis hoch und mein Inderinnensein war kaum vermittelbar.
Für wen ich gehalten werde, hängt klar von den Umständen ab. Auch zeitlich. Vor 10/20 Jahren wurde ich fast nie als Inderin anerkannt, die OCI-Karte hat auch kaum geholfen. Das liegt zum einen daran, dass die OCI-Karte damals noch nicht so bekannt war. Aber es liegt wohl vorallem daran, dass meine Gender-Performanz damals so klar unindisch war und dass die gleiche Performanz heute nicht mehr so klar ausländisch ist. Indische Frauen* sind heute viel vielfältiger als damals und ich bin nicht mehr so seltsam.
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Freitag, 10. März 2023
Holi
urmila, 11:36h
Am Mittwoch war nicht nur Internationaler Frauen*kampftag sondern auch Holi. Ein farbenfrohes Fest, dass ich zuletzt 1990 gespielt habe. Die Frage war nun, was macht mensch an Holi. Und da gab es ganz unterschiedliche Antworten drauf, auch unter meinen Kolleg_innen.
Es gibt die, die eigene Wohnung nicht verlassen. Hier dominiert vor allem die Sorge, dass an Holi Berühren erlaubt ist und dies auch für sexualisierte Übergriffe ausgenutzt wird. Oder aber dass mensch mit Farbe überschüttet wird, die nicht wieder abgeht. Das sicherste ist da, zu hause zu bleiben.
Oder aber Holi im eigenen Freundes- oder Verwandtenkreis zu spielen. Da ist dann auch klar, was die Regeln sind.
Einige der deutschen Fellows sind mit einer einheimischen Begleitung zur JNU, der linken Universität, gegangen. Vorher haben sie sich Kleidung angezogen, die dreckig werden darf und haben ihre Gesichter mit Fettcreme vor langfristiger Verfärbung geschützt. Bhang haben sie nicht getrunken. Spass hatten sie aber trotzdem. Sie wurden auch immer gefragt, bevor Farbe ins Spiel kam. Und die liess sich nachher problemlos herauswaschen. Holi kann also auch in großen Gruppen gut gespielt werden.
Ich bin nicht mit zur JNU und habe nur einen kleinen Spaziergang in meinem Kiez und in den Lodi Gardens gemacht. Farbe kam nicht ins Spiel. Nur meine Vermieterin hat mich gesehen und mir etwas Farbe auf die Stirn gemacht. Allerdings bekam ich nicht weit von meiner Wohnung mit großer Wucht einen Wasserbombe auf den Rücken. Geworfen von einem Kind in einem Auto, das extra langsam dafür gefahren ist. Witzig fand ich das nicht, sondern eher gewaltsam.
Eine Kollegin aus Delhi wollte eigentlich nicht spielen. Ist dann aber doch von Freund_innen/Verwandten dazu gebracht worden und hat es genossen. Sie meinte nachher, sie sollte mehr mitmachen.
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Mittwoch, 8. März 2023
Internationaler Frauen*kampftag: Gender und Mobilität
urmila, 08:22h
In Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ist der Internationale Frauen*kampftag Feiertag. Der VCD Nordost nimmt das zum Anlass einen neuen Podcast Verkehrsvisionen - der feministische Podcast zur Mobilitätswende zu starten.
In der ersten Folge sprechen die Hosts Ulrike Mausolf und Anja Bell mit der Expertin für Mobiltiät und Gender Ines Kawgan-Kagan. Viel Spass beim Zuhören!
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Dienstag, 7. März 2023
Akshardam
urmila, 12:58h
Wir waren heute im Akshardham Tempel in Delhi. Versprochen worden war mir ein hindu-nationalistisches Disneyland. Nachdem die Sicherheitsanlagen überwunden sind. Reinnehmen darf mensch fast nichts, ausser dem Geldbeutel und einer Wasserflasche.
Drinnen ist es dann sehr sauber, geradezu steril. Auch das, was wohl der Tempel sein soll. Es hatte die Atmosphäre eines Ausstellungsraums, etwas kitschig. Ich konnte mir in keiner Weise vorstellen, dass dort jemand beten könnte, dass es ein spiritueller Ort sein könnte. Im kleineren Tempel scheuchte uns ein Volunteer aus den USA weiter, wir durften auf keinen Fall stehen bleiben, auch wenn ausser uns kaum jemand da war. Das lud auch nicht gerade zu einer spirituellen Erfahrung ein.
Nach einigem Suchen haben wir dann auch die Ausstellung gefunden. Meine Begleitung hatte gelesen, dass mensch eine Bootstour machen könnte und das wollte sie. Dafür mussten wir das Ticket für die Ausstellung kaufen und das war geschickt gemacht. Mensch konnte nicht einfach zum Boot gehen. Zuerst waren 40 Minuten Ausstellung mit Aufführung zu Bhagwan Swami Narayan. Wir haben uns da etwas durchgemogelt, nachdem wir die Vorführung zu seiner Erleuchtung mit 4 Jahren gesehen hatten, und waren nach 10 Minuten wieder draussen. An der zweiten Halle mit den Filmen sind wir vorbei gegangen. Direkt zum Boot. Das fuhr aber erst wieder in einer Stunde. Also erstmal zum Food Court. Dann zurück. Die Bootstour entpuppte sich dann als eine Fahrt auf einem schienengebundenen Gefährt durch Wasser und mehre Ausstellungsräume. In denen wurde das Leben in vedischen Zeiten dargestellt. Bei Wikipedia findet sich eine Definition der vedischen Zeiten. In der Ausstellung wurde das nicht so genau genommen. Es ging wild durch die Jahrtausende. Nebeneinander waren Situationen mehrere Jahrhunderte vor Christus neben jenen aus der mehreren Jahrhunderten nach Christus. Alles vedisch irgendwie. Auch die Flugzeuge. Nur Frauen gab es wohl in vedischen Zeiten nicht so viel bzw. nur in der Küche, beim Tempeltanz und im Krankenhaus. Zum Ende dann noch ein nationalistisches Lied aus dem Lautsprecher.
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Montag, 6. März 2023
Demokratie
urmila, 12:07h
Bei der Vorstellung des neuen Buches von Rajeev Bhargava Between Hope and Despair. 100 Ethical Reflections on Contemporary India hat unter anderem Romila Thapar gesprochen. Sie sagte, dass eine Demokratie ohne Ethik keine Demokratie sei. Zudem, das betonten auch mehrere andere Redner_innen, brauche Demokratie das Gespräch miteinander.
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Dienstag, 28. Februar 2023
Alternative Mobilität
urmila, 19:00h
Die deutsche Kollegin wohnt 3 km vom Büro entfernt. Die Metro lohnt sich nicht, da sie zu lange zu den Haltestellen laufen müsste. Den ganzen Weg laufen ist nicht nur lang, sondern auch unschön. Auto-Rikscha-Fahren findet sie auch anstrengend. Fahrradfahren ist zu gefährlich.
Und so hat sie sich einen Tretroller gekauft und kommt damit täglich ins Büro. Beeindruckend. Ich würde mich das nicht trauen - auf der Strasse! Nicht nur ich bin beeindruckt. Auch die anderen Kolleg_innen. Ab und zu probiert eine* den Tretroller aus. Nicht allen gelingt es auf Anhieb. Ich bin mir sicher, dass die Kollegin auf ihrer Strecke auch schon bekannt ist.
Ein Sicherheitsproblem bleiben die Autos, die nach dem Prinzip der Stärkere hat Recht fahren. Und die Hunde, die Menschen auf Roller nicht kennen und insbesondere in Dämmerung/Dunkelheit aggressiv reagieren. Sagt sie.
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Montag, 27. Februar 2023
Loitering
urmila, 17:05h
Bei einem Workshop letzte Woche sprach Shilpa Phadke über Loitering, also über das Recht von Frauen*, sich einfach so im öffentlichen Raum aufzuhalten. Ohne dass ihnen der Vorwurf gemacht wird, deshalb für etwaige Übergriffe verantwortlich zu sein. Es geht um Sicherheit, Freiheit und öffentlichen Raum. Es geht um die Kontrolle von Frauen*körpern, ihre Verbannung aus dem öffentlichen Raum und damit die Einschränkung ihrer Handlungsmöglichkeiten.
Beim Zuhören hat sich das Thema in meinem Kopf weiterbewegt. Verbunden mit dem Thema Sicherheit, gerade auch für Frauen*, aber nicht nur, ist auch das Autofahren der Ober-/und oberen Mittelklasse. Da es im öffentlichen Raum nicht sicher genug ist, fahren sie überallhin bzw. lassen sich überallhin fahren. Am liebsten mit einem großen SUV.
Die Metro mit ihrem Frauenabteil wäre zwar auch sicher (und sauber). Aber die hat das Last Mile-Problem. Die Haltestellen sind weit auseinander und mensch muss erstmal zur und von der Metrostation kommen. Wenn mensch nicht läuft, ist da da wieder ein Auto/eine Auto-Rikscha nötig.
Und Ober- und Mittelklasse-Inder_innen laufen eher nicht. Aus Sicherheitsgründen, aber auch weil sie gar nicht auf die Idee kommen. Als nach dem Workshop der Fahrer der einen Kollegin nicht zur Verfügung stand und sie nicht so recht wusste wie sie nach hause kommen soll, bot ich ihr an, dass ich mit ihr laufe, etwa 1,5 km. Davon ein guter Teil durch den Lodi Garden. Sie hat bereitwillig zugestimmt. Im zweiten Teil des Weges merkte ich dann aber, dass es nicht so ein toller Fußweg ist. Wir mussten zwei Roundabouts und eine Kreuzung mit viel Verkehr (vor allem SUVs und ein paar Busse) queren und das ohne Überwege für Zufußgehende. Nicht so nett. Ich kann verstehen, wenn sie das nicht täglich mehrfach machen will. Am Wochenende ist sie dann aber nochmal mit einem Freund aus Oxford zu Fuß gegangen. Sie meinte, von ihren indischen Freund_innen käme niemand auf so eine Idee, aber so schlecht sei die gar nicht. Angst vor Übergriffen hat sie aber weiter.
Am Tag zuvor hatte es beim Workshop noch Buffet gegeben. Danach ging es in der Dunkelheit nach hause. Die Kollegin machte sich Sorgen um mich, die ich zu Fuß gehen wollte. Der Weg waren keine 10 Minuten. Eigentlich. Denn durch den Park konnte ich um die Zeit nicht mehr gehen. Ich musste an der Strasse lang. Und ich konnte nicht durch mein normales Fußgänger_innentor in der Gated Community gehen. Das war schon geschlossen. Ich weiss nicht genau, wann es geschlossen wird. Irgendwann zwischen 19 und 21 Uhr. Und dann verlängert sich mein Weg um gut 5 Minuten, denn ich muss zum Haupteingang gehen und zurück. Das ist natürlich unsicherer, weil mehr Gefahr von Autos und Hunden.
Die Gated Communities sollen ihre Bewohner_innen schützen. Vor den Ungewollten, den Armen, den Gefährlichen? Es gibt nur ein paar Tore. Bei uns tagsüber mehrere für Zufußgehend und drei für Autos. Ab 21 Uhr nur noch das Haupttor. Wenn ich von der Metro komme, ist das ein Umweg von 10 Minuten und führt mich durch einsamere Gegenden. Dass die geschlossenen Tore die Wege für Zufußgehende unsicherer machen, ist denn meisten aber wohl nicht bewusst. Denn sie gehen nicht zu Fuß. Sie lassen sich fahren (und gefährenden damit die Zufußgehenden weiter).
Ihre Sicherheitssuche schränkt sie aber natürlich auch ein. Auch sie müssen Umwege fahren. Auch sie müssen ihre Wege danach einstellen. Auch sie müssen überlegen, bis wann sie zu hause sein müssen, um noch anzukommen. Das Sicherheitsdenken strukturiert auch das Leben von reichen Männern* und schränkt sie ein.
Damit bin ich ziemlich vom Thema Loitering weggekommen, aber die Frage von (scheinbarer) Sicherheit und öffentlichem Raum ist damit verbunden. Ich finde es spannend, wie sehr die Reichen sich selbst einschränken und dabei Andere oder auch sich selbst gefährden.
Beim Zuhören hat sich das Thema in meinem Kopf weiterbewegt. Verbunden mit dem Thema Sicherheit, gerade auch für Frauen*, aber nicht nur, ist auch das Autofahren der Ober-/und oberen Mittelklasse. Da es im öffentlichen Raum nicht sicher genug ist, fahren sie überallhin bzw. lassen sich überallhin fahren. Am liebsten mit einem großen SUV.
Die Metro mit ihrem Frauenabteil wäre zwar auch sicher (und sauber). Aber die hat das Last Mile-Problem. Die Haltestellen sind weit auseinander und mensch muss erstmal zur und von der Metrostation kommen. Wenn mensch nicht läuft, ist da da wieder ein Auto/eine Auto-Rikscha nötig.
Und Ober- und Mittelklasse-Inder_innen laufen eher nicht. Aus Sicherheitsgründen, aber auch weil sie gar nicht auf die Idee kommen. Als nach dem Workshop der Fahrer der einen Kollegin nicht zur Verfügung stand und sie nicht so recht wusste wie sie nach hause kommen soll, bot ich ihr an, dass ich mit ihr laufe, etwa 1,5 km. Davon ein guter Teil durch den Lodi Garden. Sie hat bereitwillig zugestimmt. Im zweiten Teil des Weges merkte ich dann aber, dass es nicht so ein toller Fußweg ist. Wir mussten zwei Roundabouts und eine Kreuzung mit viel Verkehr (vor allem SUVs und ein paar Busse) queren und das ohne Überwege für Zufußgehende. Nicht so nett. Ich kann verstehen, wenn sie das nicht täglich mehrfach machen will. Am Wochenende ist sie dann aber nochmal mit einem Freund aus Oxford zu Fuß gegangen. Sie meinte, von ihren indischen Freund_innen käme niemand auf so eine Idee, aber so schlecht sei die gar nicht. Angst vor Übergriffen hat sie aber weiter.
Am Tag zuvor hatte es beim Workshop noch Buffet gegeben. Danach ging es in der Dunkelheit nach hause. Die Kollegin machte sich Sorgen um mich, die ich zu Fuß gehen wollte. Der Weg waren keine 10 Minuten. Eigentlich. Denn durch den Park konnte ich um die Zeit nicht mehr gehen. Ich musste an der Strasse lang. Und ich konnte nicht durch mein normales Fußgänger_innentor in der Gated Community gehen. Das war schon geschlossen. Ich weiss nicht genau, wann es geschlossen wird. Irgendwann zwischen 19 und 21 Uhr. Und dann verlängert sich mein Weg um gut 5 Minuten, denn ich muss zum Haupteingang gehen und zurück. Das ist natürlich unsicherer, weil mehr Gefahr von Autos und Hunden.
Die Gated Communities sollen ihre Bewohner_innen schützen. Vor den Ungewollten, den Armen, den Gefährlichen? Es gibt nur ein paar Tore. Bei uns tagsüber mehrere für Zufußgehend und drei für Autos. Ab 21 Uhr nur noch das Haupttor. Wenn ich von der Metro komme, ist das ein Umweg von 10 Minuten und führt mich durch einsamere Gegenden. Dass die geschlossenen Tore die Wege für Zufußgehende unsicherer machen, ist denn meisten aber wohl nicht bewusst. Denn sie gehen nicht zu Fuß. Sie lassen sich fahren (und gefährenden damit die Zufußgehenden weiter).
Ihre Sicherheitssuche schränkt sie aber natürlich auch ein. Auch sie müssen Umwege fahren. Auch sie müssen ihre Wege danach einstellen. Auch sie müssen überlegen, bis wann sie zu hause sein müssen, um noch anzukommen. Das Sicherheitsdenken strukturiert auch das Leben von reichen Männern* und schränkt sie ein.
Damit bin ich ziemlich vom Thema Loitering weggekommen, aber die Frage von (scheinbarer) Sicherheit und öffentlichem Raum ist damit verbunden. Ich finde es spannend, wie sehr die Reichen sich selbst einschränken und dabei Andere oder auch sich selbst gefährden.
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