Samstag, 4. Februar 2023
Massaker von 1984
In der Nähe des Bengali Market


1984 wurde Indira Gandhi umgebracht. Von einem Sikh. Vorausgegangen war die Operation Blue Star und eine längere Geschichte der separatistischen Bewegung von Sikhs und deren staatlicher Unterdrückung. Dies alles kulminierte im Herbst 1984 in Massakern von Sikhs in Nord-Indien. Laut Wikipedia wurden alleine in Delhi 2800 Sikhs umgebracht. Mukundans Roman "Delhi. A Soliloquy" beschreibt die Grauen eindrücklich.

Als ich letztes mit meinen drei Nichten (Jahrgänge 1969, 1977 und 1979) zusammen sass, kamen wir darauf zu sprechen. Sie lebten damals im Zentrum Delhis, in der Nähe des Bengali Markets. Alle drei erinnerten sich an die Massaker, obwohl sie erst 5, 7 und 15 Jahre alt waren. Sie wussten wie grausam sie waren. Wie Sikhs auf offener Strasse umgebracht wurden. Sie erzählten wir in ihrer Nachbarschaft Patrouille gelaufen wurde, um die dort lebenden Sikhs zu schützen. In ihrer Erinnerung ist dort auch nichts passiert. In ihrem Haus wohnte ein Sikh. Bis zu den Massakern trug er Bart, wie dies für Sikhs üblich war und was sie erkennbar machte. Meine Nichten erinnerten sich, wie er dann auf einmal glatt rassiert war.

Als ich Mukundans Roman gelesen hatte, war mir bewusst geworden, wie stark die Massaker in Delhi Spuren hinterlassen haben müssen. Mein Vermieter ist Sikh, sein Vater hat Turban getragen. Sie müssen schlimmes durchgemacht haben. Das ist aber etwas, wonach ich nicht fragen kann. Um so überraschter war ich, als meine Nichten so eine klare Erinnerung daran hatten und darüber sprachen.

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Freitag, 3. Februar 2023
Eine neue Generation
Meine Nichte und zwei Freundinnen in Gurgaon


Als ich im Oktober nach Delhi kam, hatte ich nicht wirklich Lust, meine Familie zu treffen. In der Vergangenheit fand ich Aufenthalte bei der Familie häufig sehr langweilig und anstrengend. Wir hatten keine gemeinsamen Themen und haben uns gegenseitig nicht wirklich verstanden.

Und so habe ich meine Familie erstmal nicht kontaktiert. Zwei Nichten (Töchter einer Cousine), mit denen ich auf Facebook befreundet bin, haben mitbekommen, dass ich da bin und haben mich angeschrieben. Bei der Familie war ich mittlerweile zweimal und es war ganz nett. Ich kann Spaß mit ihnen haben und offen mit ihnen reden, auch über meine Partnerin.

Und so habe ich dann auch noch eine andere Nichte (Tochter eines Cousins) kontaktiert (sie ist Mitte Zwanzig, die anderen über Vierzig). Vor zehn Jahren war sie ein netter Teenager und hat uns in Deutschland besucht. Und ist jetzt eine selbstbewusste junge Frau. Mit ihr und ihren Freundinnen konnte ich unter anderem über unterschiedlichste Genderfragen kritisch reden und hatte Spaß beim Kartenspielen. Das meine Freundin meine Partnerin ist, war ihnen klar. Auch wenn eine arrangierte Ehe für sie eine Option ist, stellen sie Anforderungen (sie wollen weiter berufstätig sein, nicht mit den Schwiegereltern zusammenleben, sich trennen können, etc.). Die Einstellungen und Reflektion hat sich sehr geändert. Und auch die Eltern gehen Teile mit, lassen sich auf die Anforderungen beim Arrangieren ein und würden auch eine Liebesheirat akzeptieren. Nur geheiratet muss werden, möglichst bald.

In den nächsten Tagen werde ich beide Familien mit meiner Partnerin besuchen. So was hätte ich vor zwanzig, dreissig Jahren in meiner Familie nicht gemacht.

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Donnerstag, 2. Februar 2023
Unlimited Girls
Filmvorführung "Unlimited Girls"


2004 bin ich durch das Queere Indien gereist und habe Interviews gemacht (und danach auch dazu geschrieben). Dabei habe ich Paromita Vohras Dokumentarfilm Unlimited Girls kennengelernt.

Heute haben wir den im Büro gemeinsam angeschaut. Einige kannten ihn schon, die meisten nicht. Manche kannten einzelne feministische Protagonistinnen*. Auch wenn er 20 Jahre alt war, hat er auch heute noch zu uns gesprochen. Aber er kam ganz offensichtlich auch aus einer anderen politischen Zeit, in der die Bundespolitik nicht so zum Fürchten war wie zur Zeit.

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Mittwoch, 1. Februar 2023
Metro fahren
Ladies Coach an der Endhaltestelle


Eine der besten Sachen, die Delhi in den letzten 20 Jahren verändert hat, ist die Metro. Damit kommt mensch gut und sicher an viele Orte in der Stadt. Im Ladies Coach ist es auch meistens nicht überfüllt.

Wir Berliner Fellows fahren damit in der Regel zu unserem Kolloquium in den Norden der Stadt. Und schwärmen davon. Das hat Auswirkungen. Die junge Kollegin, die die Metro für zu voll gehalten hat, fährt jetzt auch meist nach dem Kolloquium mit der Metro nach hause. Eine andere indische Fellow hat sich auch von uns mitziehen lassen und ist zum erstenmal seit 15 Jahren wieder Metro gefahren. Und sie war begeistert, über die Sauberkeit und Nutzbarkeit. Dass wir zu Fuß zur Metro gehen, und das auch bei Dunkelheit, fand sie erst überraschend, hat sich aber dann darauf eingelassen. Abends hat sie sich dann vom Fahrer ihrer Familie von der Metrostation abholen lassen.

Dass die Verkehrsmittelwahl mit Klassenstatus zusammenhängt, ist auch in Deutschland nicht anders. Will mensch hier Mitglieder der Mittelklasse in die Metro holen, muss wohl aber noch mehr als in Deutschland Überzeugungsarbeit gemacht werden.

Und natürlich ist die Verkehrsmittelwahl auch gegendert. Frauen* sind hier weniger mobil als Männer*. Der öffentliche Raum gilt als unsicher und ist es teilweise auch. Wenn frau es sich da leisten kann, nimmt sie daher eher das Auto als die Metro. Um das zu ändern, müssen auch die Wege von und zur Metro sicherer werden.

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Montag, 30. Januar 2023
Kochen
Indische Gewürze


Ich habe mir nun endlich auch indische Gewürze gekauft. Und ein Nudelholz. Und Atta, das lokale Mehl. So konnte ich nun auch beginnen, indisches Essen zu kochen. Das Weißkohlgericht habe ich schon unzählige Male in Deutschland gekocht. Chapatis habe ich aber (fast) erstmalig versucht. Und sie waren essbar! wenn auch noch verbeserungsfähig.

Chapatis mit Weißkohl

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Freitag, 27. Januar 2023
Affen
Affe auf dem Weg zur Dachterasse


Die deutsche Kollegin ist ganz begeistert von den Affen, setzt sich in den Park, um sie zu beobachten, und möchte sie am liebsten auch mit Leckereien versorgen.

Die indische Kollegin reagiert eher negativ auf den Affen, der vor dem Bürofenster rumturnt. Affen sind in ihre Wohnung eingedrungen, haben den Kühlschrank gefunden, das Obst gegessen und die Reste rumgeworfen. Und sie hat gehört, dass sie randalieren, wenn sie nichts Leckeres finden. Ausserdem müssen Wassertanks gut verriegelt werden, damit die Affen nicht dort trinken und baden.

Die Tiere scheinen ziemlich clever zu sein. Zu clever für eine gute Ko-Existenz mit den Menschen. Daher gehen wohl die Angestellten bei mir im Haus auch immer wieder auf Affen-Verscheuch-Tour.

Ach ja, aggressiv können sie auch werden. Als Fünfjährige musste ein Cousin mich mal vor Affen retten, die mir den Rückweg ins Haus versperrt hatten.

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Donnerstag, 26. Januar 2023
Republic Day
Michpackung mit Grüßen zum Republic Day


Heute war der indische Republic Day, der an die Inkraftsetzung der indischen Verfassung vor 74 Jahren erinnert. Eigentlich etwas sehr Republikanisches. Aber auch schon immer sehr Militaristisch, denn zentral ist eine Parade der Armee. Und natürlich nutzen die Hindu-Nationalist_innen das Ganze für ihre Zwecke. So gibt es zum Beispiel jedes Jahr als Ehrengast einen ausländischen Regierungschef. Eine meiner Kolleg_innen hatte im Vorfeld gefragt, welcher Faschist denn wohl dieses Jahr eingeladen wird. Es war dann der ägyptische Regierungschef.

Hingehen wollte ich nicht, und weiss auch nicht, ob ich ein Ticket bekommen hätte (1976 hatten wir eines, ich erinnere mich aber nicht mehr). Ich habe mir allerdings einen Teil der Live-Übertragung angeschaut. Eingeschaltet habe ich als die Motorradartisten (ich vermute das Gender ist richtig) an der Tribüne vorbei gefahren sind. Dann war die Luftwaffe dran. Schon seit Tagen sind die Militärflugzeuge über Delhi gedonnert, um für heute zu üben. Dann war es aber heute sehr wolkig und neblig. Sie waren kaum zu sehen, wie auch auf dem Bildschirm deutlich wurde. Gehört habe ich sie auch zu hause.

Screenshot von der Übertragung des Republic Days


Nachtrag 27.01.23: Hier noch Berichterstattung aus dem Indian Express: India exhibits military might, cultural diversity during parade und Egyptian Army contingent, 23 tableaux, fly-past through misty skies.

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