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Mittwoch, 14. Dezember 2022
Zeitartikel über Inder_innen in Deutschland
urmila, 12:40h
Die britische Journalistin Gouri Sharma hat für die Zeit einen Artikel über indische Migration nach Deutschland geschrieben.
Dafür hat sie auch mich interviewt. Das war interessant, da sie mich in Englisch interviewt hat und dann die Zitate, die sie nutzen wollte, von jemanden anderen ins Deutsche übersetzt wurden. Eine zweifache Übersetzung, die ich immerhin Korrektur lesen konnte. Wäre das Interview aber gleich in Deutsch gewesen, hätte ich mich sicher anders ausgedrückt.
Als ich dann den fertigen Artikel gesehen habe, habe ich mich doch sehr über die Bebilderung gewundert. Wer hatte wohl die Idee, das hinduistische Fest Diwali für die Fotos zu nutzen? Es reproduziert auf jeden Fall das Bild der farbenfrohen, spirituellen, exotischen Anderen, das der Text sonst nicht so stark produziert.
Um die Kommentare zu lesen, habe ich extra ein Kurz-Abo abgeschlossen. Sie waren interessant. Viele mussten irgendwie darauf hinweisen, dass in Indien doch Frauen unterdrückt werden. Nur eine Person (wenn ich mich recht erinnere) hat viel relevanter darauf hingewiesen, dass mensch sich in Kontext Indien doch mit Hindu-Nationalismus beschäftigen sollte. Indien ruft immer wieder die gleichen Bilder hervor.
PS: Meine These, dass die neueren Migrant_innen weniger Deutsch lernen müssen, wird gerade von einer sehr netten Kollegin hier bestätigt. Sie lebt, wenn sie nicht gerade mit einem Fellowship in Delhi ist, seit vielen Jahren in Deutschland und kann kaum Deutsch.
Und wenn ich noch ein paar Jahre in Indien wäre, würde ich vermutlich auch weiterhin kaum Hindi können. Ich komme (wie sie) so durch und andere Sachen erscheinen immer wichtiger als Sprachkurse. Ausserdem halten die sozialen Medien mensch verbunden mit dem Herkunftsland und -sprache.
Dafür hat sie auch mich interviewt. Das war interessant, da sie mich in Englisch interviewt hat und dann die Zitate, die sie nutzen wollte, von jemanden anderen ins Deutsche übersetzt wurden. Eine zweifache Übersetzung, die ich immerhin Korrektur lesen konnte. Wäre das Interview aber gleich in Deutsch gewesen, hätte ich mich sicher anders ausgedrückt.
Als ich dann den fertigen Artikel gesehen habe, habe ich mich doch sehr über die Bebilderung gewundert. Wer hatte wohl die Idee, das hinduistische Fest Diwali für die Fotos zu nutzen? Es reproduziert auf jeden Fall das Bild der farbenfrohen, spirituellen, exotischen Anderen, das der Text sonst nicht so stark produziert.
Um die Kommentare zu lesen, habe ich extra ein Kurz-Abo abgeschlossen. Sie waren interessant. Viele mussten irgendwie darauf hinweisen, dass in Indien doch Frauen unterdrückt werden. Nur eine Person (wenn ich mich recht erinnere) hat viel relevanter darauf hingewiesen, dass mensch sich in Kontext Indien doch mit Hindu-Nationalismus beschäftigen sollte. Indien ruft immer wieder die gleichen Bilder hervor.
PS: Meine These, dass die neueren Migrant_innen weniger Deutsch lernen müssen, wird gerade von einer sehr netten Kollegin hier bestätigt. Sie lebt, wenn sie nicht gerade mit einem Fellowship in Delhi ist, seit vielen Jahren in Deutschland und kann kaum Deutsch.
Und wenn ich noch ein paar Jahre in Indien wäre, würde ich vermutlich auch weiterhin kaum Hindi können. Ich komme (wie sie) so durch und andere Sachen erscheinen immer wichtiger als Sprachkurse. Ausserdem halten die sozialen Medien mensch verbunden mit dem Herkunftsland und -sprache.
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Dienstag, 13. Dezember 2022
Indien-EU-Beziehungen
urmila, 10:07h
Am Samstag war ich bei einer Podiumsdiskussion des Indo-German Media Networks zu "India-EU relations after the Russian invasion of Ukraine". Zwei indische Politikwissenschaftler_innen und der ARD-Korrespondent in Delhi haben darüber diskutiert.
Für mich war es spannend, indische Perspektiven auf den Krieg in der Ukraine und seine Relevanz für Indien zu hören. Eigentlich sollte ich es inzwischen wissen, aber irgendwie vergesse ich es immer wieder. Natürlich ist die Perspektive aus Indien eine andere als aus Deutschland. Aus vielen Gründen. Es ist nicht nur eine Frage der Nähe des Krieges, es sind überhaupt auch Erfahrungen mit Krieg, Abhängigkeiten von Rohstoffen, etc.
Bei der Veranstaltung gab es eine Tendenz, sehr auf das Geopoltische zu konzentrieren. Auch das war gut für mich zu sehen, da ich das häufig zu wenig berücksichtige und das natürlich wichtig ist. Ganz von den einzelnen Akteur_innen und ihrer politischen Agenda (ihren Menschenrechtsverletzungen) abzusehen, finde ich aber nach wie vor problematisch. Egal wie wichtig Indien geopolitisch ist, ist es auch ein hindu-nationalisitisch regiertes Land und der Hindu-Nationalismus ist gefährlich für die Demokratie, für Menschenrechte sowieso.
Der These des indischen Politikwissenschaftlers, dass die europäischen Medien zu viel über Modi berichten, kann ich auch überhaupt nicht zustimmen. In Deutschland wird nicht zu viel, sondern zu wenig über den Hindu-Nationalismus berichtet. Die allermeisten Deutschen haben keine Ahnung, was hier gerade passiert. Zu viel (und vorallem zu sterotyp) wird hingegen über Frauenunterdrückung berichtet. Nicht dass sie nicht passiert, aber die Berichterstattung hilft da nicht, sondern bedient nur das Vorurteil und verdeckt alles andere.
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Montag, 12. Dezember 2022
Autonormativität und Klasse
urmila, 12:56h
Anlässlich des Unfalltodes eines Radaktivisten in Delhi hat der Indian Express geschrieben:
"A recent National Family Health Survey (NFHS)-5 revealed that only about 8 per cent of Indian households own cars while 55 per cent of Indian households have a bicycle. The survey further suggested that 54 per cent of Indian households own scooters and motorcycles."
Es ist eine absolute Minderheit hier in Indien, die sich Autos leisten kann. Die Autos dominieren aber den Verkehr völlig. Und sie haben immer Vorrecht.
Als Fußgänger_in läuft mensch hier meist auf der Straße (siehe Bild oben), da Fußwege kein Standard sind und wenn es sie gibt, sie häufig nicht passierbar sind. So läuft mensch dann an parkenden Fahrzeugen vorbei, während fahrende an eine_r vorbeifahren. Dabei haben die immer Vorfahrt. Es passiert mir immer wieder, dass ein motorisiertes Fahrzeug mir den Weg abschneidet, ich um es rumlaufen muss, zur Seite gehen oder anhalten.
Dabei hilft mir mein offensichtliches Europäische-Ausländerin-Sein nicht. Wer läuft ist weniger wert. Ganz offensichtlich ist Autofahren ein Klassenstatus und geht daher mit selbstverständlichen Vorrechten einher.
Auf der Straße zu Fuß gehen, kann ich inzwischen ganz gut. Fahrradfahren würde ich hier nie. Und die deutsche Kollegin, die Tretroller im Delhier Verkehr fährt, bewundere ich.
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Sonntag, 11. Dezember 2022
Virtuelle Konferenzteilnahme
urmila, 14:45h
Vor gut einer Woche habe ich an einem Workshop in Italien teilgenommen. Und da ich da nicht hinfliegen konnte, habe ich virtuell teilgenommen. Ich habe hier in Delhi eine ziemlich gute Internetverbindung. Das ging also. Als ich gemerkt habe, dass das Mikro im Workshopraum nichts taugt, habe ich darum gebeten, es auszutauschen und das haben sie auch schnell gemacht. Dann war es ganz gut zu verstehen. Ausser wenn sie durcheinander geredet haben. Online dabei sein, ist nicht das gleiche wie offline. Vorallem weil die ganzen Pausen- und Essensgespräche fehlen, also die ganze soziale Interaktion und das Netzwerken.
Hybride Teilnahme ist gut, wenn sonst keine Teilnahme möglich ist. Sie verstärkt aber auch Ungleichheiten. Am Anfang des Workshops wurde kurz gesagt, dass einige Teilnehmende kein Visum bekommen haben und daher virtuell teilnehmen. Unter den virtuellen Teilnehmenden war das wohl die Mehrheit. Und viele von ihnen hatten auch keine stabile Internetverbindung. Sie konnten teilnehmen, aber nur eingeschränkt. V
or Ort war das vermutlich nur beschränkt bewusst. Damit unsere Bedürfnisse wahrgenommen wurden, mussten wir das Mikro anmachen und reinreden. In den Chat schreiben reichte nicht. Und das so Reinreden muss mensch sich auch erstmal trauen.
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Mittwoch, 7. Dezember 2022
Kartoffeln
urmila, 17:47h
Heute mittag hallte ein entsetzes vierstimmiges "No" durch den Besprechungsraum. Eine indische Kollegin hatte irgendwas zu Brot gefragt, was zu diesem entsetzen, überzeugten, gemeinsamen Ausruf von uns deutschen Kolleg_innen geführt hat. Ich weiss gar nicht mehr, was genau sie gesagt hatte.
Vorher hatte eine in Deutschland wohnende indische Kollegin uns Deutsche gefragt, ob wir was Deutsches mitgebracht hätten. Gegen das Heimweh. Ich hatte großspurig behauptet: Nein, brauche ich nicht. Aber dann ist da die Brot-Whatsapp-Gruppe. Es gibt hier einen Bäcker, der macht Sauerteigbrot (wenn auch weißes) mit echter Kruste. (Irgendwas mit der Kruste hatte zu dem vierstimmigen "No" geführt.) Und eine deutsche Kollegin hatte mir eine Scheibe des Brotes zum Probieren gegeben. Seitdem bin ich Mitglied der Brot-Gruppe und bestelle jede Woche einen Laib.
Dabei wollte ich dieses Mal nicht nach "deutschem" Brot suchen, wie das Deutsche im Ausland (und auch ich) immer wieder tun. Wo sich alle in der German Backery treffen. Ich dachte, diesmal komme ich auch ohne aus. Toastbrot lässt sich auch mal essen. Aber die deutschen Netzwerke haben das verhindert.
Mittags haben wir immer gemeinsames Lunch mit vielen verschiedenen indischen Gerichten. Lecker. Und abends wenn ich mir selbst was koche, freue ich mich auf wenig gewürztes Essen, zum Beispiel Pellkartoffeln mit Bohnen. Ich bin eben eine echte Kartoffel.
In Deutschland werde ich mir dann wieder indisches Essen kochen...
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Dienstag, 6. Dezember 2022
Punjabi Girl
urmila, 10:19h
Ich habe zwei meiner Salwar-Kamiz (Hose-Hemd) mit nach Indien genommen. Bisher hatte ich sie noch nie an. Vor allem weil mir Taschen fehlen. Eines hat gar keine, das andere nur eine, wo ein Taschentuch reinpasst. Aber kein Geldbeutel, Taschenmesser, Schlüssel, Smartphone, Kamera - was ich sonst so in meinen Taschen habe.
Zur gegenderten Taschengröße hat mich die Kollegin Anne-Kathrin Will auf einen Artikel von Data Feminismus hingewiesen. K(l)eine Taschen beeinträchtigen die Handlungsfähigkeit von Frauen*.
Eigentlich trage ich die Salwar-Kamiz aber ganz gerne. Und so habe ich das heutige Weihnachtslunch, zu dem wir grün und rot tragen sollten, als Anlass genommen, eines anzuziehen. Das Taschenmesser ist zu hause geblieben, die Kamera auch, sowie mein Fernglas, das ich immer in der großen Hüfttasche durch die Gegend trage, um Vögel zu beobachten.
Als ich in das Büro trat, hatte ich auf einmal eine Traube von Kolleg_innen um mich, die meine Kleidung bewunderten. Beim Lunch wurde mir gesagt, dass ich aussehe wie ein Punjabi Girl. Fast richtig, wenn mensch mich ethnisch zuordnen will. Richtig wäre Haryani Girl. Aber das werde ich offensichtlich erst durch die richtige Kleidung.
Morgen bin ich vermutlich wieder die German Butch, denn auf meine Taschen mag ich nicht zu lange verzichten.
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Montag, 5. Dezember 2022
Umgang mit dem Hindu-Nationalismus
urmila, 17:37h
Seit dem ich in den 1990er bei Hermann Kulke in Kiel Vorlesungen zu indischer Geschichte gehört habe, beschäftige ich mit dem Hindu-Nationalismus (zum Wikipedia-Artikel und hier das Buch von Christophe Jaffrelot mit dem ich mehr darüber gelernt habe). Abgesehen davon, dass mich rechte, gewalttätige Politiken sowieso abstossen, hat mich der Hindu-Nationalismus besonders betroffen, da ich 1992 in Indien war, als die Babri-Moschee in Ayodhya von Hindu-Nationalist_innen abgerissen wurde und es im ganzen Land zu Pogromen gegen Muslim_innen kam (hier die Wikipedia-Version).
Nun ist seit 2014 Narendra Modi, der 2002 [Korrektur: Hier stand ein falsches Jahr.] bei den Pogromen gegen Muslim_innen in Gujarat eine wichtige Rolle spielte, für die BJP Premierminister Indiens. Die Macht nutzt die BJP, um Schulcurricula zu hinduisieren, die Presse zu zensieren, die Universitäten zu hinduisieren, etc. Freund_innen, die in den letzten Jahren nach Indien gereist sind, haben mir erzählt, wie sie von der allgemeinen Begeisterung für die BJP schockiert waren.
Das war einer von diversen Gründen, warum ich mir nicht so sicher war, ob ich denn überhaupt ein halbes Jahr in Indien leben will. Inzwischen bin ich sehr froh, hier zu sein. Aber nicht weil die BJP besser ist, als gedacht. In Gesprächen mit Kolleg_innen wird deutlich, wie schlimm es hier ist, wie der Hindu-Nationalismus alles durchdringt und wie sie Angst davor haben, dass bei den Wahlen 2024 die BJP wieder siegreich hervorgeht. Das, meinen sie, wäre das Ende des säkularen Staates Indien, dem es zur Zeit schon schlecht geht. Ich spüre da eine große Angst vor dem Ende dieser großen Demokratie und der Gewalt gegen Mindherheiten und Andersdenkende, die davon ausgeht.
Derweil grinst mich Modi ständig von irgendwelchen Plakaten an. Es ist Wahnsinn, wie präsent er im Alltag ist. Ein ziemlicher Personenkult scheint da zu erfolgen. Und bei einem akademischen Vortrag musste ich ein Grußwort, das zumindest gefühlt länger war als der Vortrag selbst, einer BJP-Ministerin anhören. Sie erzählte, wie toll sich Modiji (und sie) für Nachhaltigkeit einsetzt und wie überhaupt Indien da führend ist. Während die Luft draussen nicht zum Atmen geeignet war.
Der deutsche Botschafter, der danach sprach, übte kein Wort der Kritik, sondern sprach von den Gemeinsamkeiten zwischen Indien und Deutschland. Und die deutsche Bundesaussenministerin sprach heute von einer Wertepartnerschaft mit Indien. Ich hoffe doch sehr, dass nicht. Die Werte der indischen Regierung sollte unsere auf keinen Fall teilen. Und ich verstehe schon, dass Diplomatie bedeutet, dass eine Gesprächsebene aufrecht erhalten werden muss. Aber das darf nicht heissen, dass keine Kritik an der menschenverachtenden Politik dieser Regierung formuliert wird.
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