Dienstag, 20. Oktober 2015
Frauenförderung
Ein Workshop in einem Frauenförderprogramm. Eine Teilnehmende hat ihr viermonatiges Kind mitgebracht. Der Vater muss arbeiten und kann sich erst am Nachmittag frei nehmen. Kinderbetreuung war im Ausschreibungstext zwar angekündigt worden. Das Geld ist aber nicht bewilligt worden.

Das Kind ist sehr ruhig, ab und zu gibt es ein paar Laute von sich. Ich sitze direkt daneben, es stört mich nicht (obwohl ich schlecht höre). Die Trainerin aber macht jedesmal eine Pause, wenn das Kind etwas hörbar wird. Dann fordert sie die Mutter auf mit dem Kind den Raum zu verlassen.

Die Mutter steht sofort auf und will den Raum verlassen. Ich bin von der ganzen Situation irritiert (Frauenförderung, Familie und Karriere, ziemlich ruhiges Kind, ...) und frage nach, was der Grund ist, warum die Mutter gehen soll. Da ich selbst bei Nebengeräuschen nur schwer Bildungsarbeit machen kann, kann ich mir vorstellen, dass ein Problem vorliegt und wir da was zu klären haben. Im ersten Satz nimmt die Trainerin auch mein Angebot an und sagt was von Hören und ihrer Stimme. Dann aber sagt sei "Meine Stimme ist meine Stimme". Die Message ist klar, da ist nichts zu verhandeln. Die Mutter verlässt den Raum.

Im Folgenden führt das ganze zu einer Eskalation, da noch weitere Teilnehmende irritiert sind und die Trainerin sich einer Auseinandersetzung verweigert.

Thema des Workshops war "Verhandeln".

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Sonntag, 18. Oktober 2015
Zur Ausgrenzung von Roma
in Osteuropa schreibt Stephan Müller in der taz.

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Samstag, 3. Oktober 2015
St. Florians Prinzip
'Deutschland kann nicht alle aufnehmen.' 'Die Grenzen der Aufnahmefähigkeit sind erreicht.' So heisst es immer öfter. Und so wird legitimiert, die Grenzen vor jenen zu verschliessen, die vor Krieg, Konflikt, Armut und oder sonst widrigen Lebensverhältnissen fliehen.

Aus nationalstaatlicher Logik mag das Sinn machen. Türen und Augen zu und hoffen, dass keiner mehr kommt. Gemäß dem Sankt-Florian-Prinzips: "Heiliger Sankt Florian / Verschon' mein Haus / Zünd' and're an!"

Für alle, die ein Perspektive haben, die über die nationalen Grenzen hinaus geht, ist es Blödsinn, so zu argumentieren. Die Menschen fliehen unabhängig von dem, was in Deutschland passiert. Sie brauchen Unterstützung. Und ja, es kann sein, dass diese Unterstützung dazu führt, dass jene, die sie gewähren, dadurch einen niedrigeren materiellen Lebensstandard haben werden. Aber ist das ein Grund, keine Hilfe zu leisten? Wer kann es mit seinen Grundwerten vereinbaren, nicht zu helfen, wenn es Menschen gibt, die die Hilfe brauchen?

Menschen in Not haben immer wieder erlebt und erleben noch heute, wie ihnen Türen vor der Nase zugeschlagen werden. Viele haben dafür mit dem Leben bezahlt, viele werden dafür noch mit dem Leben bezahlen. Und wir wollen unseren Wohlstand schützen, in dem wir die Türen fest verschliessen? Auf welche Werte berufen wir uns dabei?

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Freitag, 2. Oktober 2015
Ende der Willkommenskultur
Die Willkommenskultur ist nun offiziell vorbei. De Maiziere hetzt im ZDF gegen die Flüchtenden (ich zitiere aus tagesschau.de):

"Sie gehen aus Einrichtungen raus, sie bestellen sich ein Taxi, haben erstaunlicherweise das Geld, um Hunderte von Kilometern durch Deutschland zu fahren. Sie streiken, weil ihnen die Unterkunft nicht gefällt, sie machen Ärger, weil ihnen das Essen nicht gefällt, sie prügeln in Asylbewerbereinrichtungen."

Wer die Situation der Flüchtenden, die Unglaubliches hinter sich haben und in überfüllten Unterkünften unter menschenunwürdigen Bedingungen wohnen müssen, so beschreibt, giesst Öl ins rassistische Feuer. Kein Wunder, dass tagesschau.de die Kommentarfunktion schliessen muss:

"Anmerkung der Redaktion: Wir haben die Kommentierung dieses Artikels beendet, weil die überwiegende Anzahl der Kommentare nicht unserer Netiquette entsprochen hat."

Ein verantwortungsvoller Umgang mit der Situation der Flüchtenden und auch den Konflikten, die daraus entstehen, geht anders.

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Donnerstag, 1. Oktober 2015
Kritik an Asyrechts-Reform
Der Rat für Migration schreibt:

Die Bundesregierung plant weitreichende Änderungen des Asylrechts: So soll die Liste der "sicheren Herkunftsstaaten" erweitert werden, Asylbewerber sollen künftig bis zu sechs Monate in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden und dort in der Regel Sachleistungen statt Geld erhalten. Das Bundeskabinett will das Gesetz noch heute beschließen. Die Debatten in Bundestag und Bundesrat sind für Mitte Oktober geplant. Der Rat für Migration bewertet die geplanten Reformen als höchst problematisch: "Mit ihrem aktuellen Plan setzt die Bundesregierung eine Politik fort, die in erster Linie auf Abschreckung und Abschottung basiert. Damit verschlechtert sie nicht nur die Situation der Flüchtlinge, sondern erstickt auch die Bereitschaft vieler Bürgerinnen und Bürger, sich aktiv für Schutzsuchende einzusetzen", so Prof. Dr. Werner Schiffauer, Kultur- und Sozialanthropologe an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Darüber hinaus wirken die geplanten Maßnahmen widersprüchlich, so Prof. Dr. Jochen Oltmer, Historiker an der Universität Osnabrück: "Einerseits soll die Aufnahme und Versorgung von Asylbewerbern entbürokratisiert werden, andererseits sind Maßnahmen zur Kontrolle von Flüchtlingen vorgesehen, die für die Behörden in den Ländern und Kommunen eine stärkere Belastung und mehr Kosten bedeuten.“

Der Rat für Migration sieht in den steigenden Flüchtlingszahlen nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance, die Flüchtlingspolitik grundsätzlich neu auszurichten. Der RfM stellt zehn Forderungen für eine zukunftsfähige Flüchtlingspolitik. Dazu gehört: Kriegsflüchtlingen aus Syrien und Irak Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewähren, ohne dass eine Einzelfallprüfung stattfinden muss; die Zahl der Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge deutlich zu erhöhen sowie es von unnötigen Aufgaben zu befreien; Initiativen aus der Zivilgesellschaft zu fördern; legale Einwanderungswege nach Europa zu schaffen.

Hierzu gibt es auch eine ausführliche Stellungnahme als pdf.

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Sonntag, 27. September 2015
Von Hochqualifzierten, Willkommenskultur und Abschottung
Am Montag war ich auf einer Tagung des BAMF zur Migration aus Indien. Anlass war die neue BAMF-Studie zum Thema.

Tagung Migration aus Indien


Aufgrund der aktuellen Entwicklungen war einiges anders als geplant. So ist z.B. der Konferenzraum des BAMF zu einem Computerraum umgewandelt worden und wir tagten in der Baptistengemeinde unter einem großen Kreuz. Zudem stellte sich parallel zur Veranstaltung der neue Chef vor, weshalb die Beteiligung von BAMF-Mitarbeitenden weniger als geplant war.

Tenor der Tagung war ganz eindeutig, dass hochqualifizierte Migration aus Indien gewünscht ist und gefördert werden soll (Stichwort: Computer-Inder). - Nicht-hochqualifizierte Migration aus der Region wurde kaum bis gar nicht thematisiert. - Der Leitgedanke dabei war: Fachkräftemangel. Auf diesen warf allerdings der Vortrag einer GIZ-Vertreterin einen interessanten Blick. Sie erzählte, dass sie sich in einem Modelprojekt (im Rahmen der Make it in Germany-Kampagne, wenn ich es richtig verstanden habe) darum bemühten, kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland indische Fachkräfte zu vermitteln. Aber obwohl letztere hochqualifiziert sind, griffen die Unternehmen kaum zu. Ihre Schlussfolgerung war, dass es mit dem Fachkräftemangel doch nicht so weit her sei, denn dann würden sich die Unternehmen mehr bemühen, wie es z.B. im Bereich der Pflegekräfte geschehe.

Ein Referent, der aus den USA angereist war, begann seinen Vortrag damit, dass die Aufnahme der Flüchtlinge in Deutschland den Ruf Deutschlands international unheimlich gefördert hat, mehr als jede Make-it-in-Germany-Kampagne. Von der neuen 'Willkomenskultur' hatte er in New York viel gehört. An ihm vorbei gegangen war allerdings, dass das Willkommen schon wieder vorbei ist und gerade wieder die Festungsmauern aufgebaut werden (mehr dazu bei Pro Asyl).

Es ging auch viel darum, wie den indische Hochqualifzierte nach Deutschland gelockt werden können. Eine Studie ergab dabei, dass nicht nur die deutsche Sprache und fehlende Community-Strukturen gegen Deutschland sprechen würden, sondern auch die Angst vor rassistischen Übergriffen. Ein Vertreter eines (wohl wirtschaftsnahen) deutsch-indischen Vereins ging vor allem auf die Sprache ein und forderte mehr Bilingualität (Deutsch/ Englisch) in Deutschland. Zudem sprach er sich - obwohl CSU-Politiker - für ein Punktesystem für die Einwanderung aus. Und er widersprach dem Referenten aus den USA: er könne sich nicht vorstellen, dass die Willkommenskultur für Flüchtlinge indische Hochqualifzierte motivieren würde, nach Deutschland zu kommen. So wie er sich präsentierte, habe ich ihm das geglaubt. Die Hochqualifizierten (wie er selbst) waren ihm sehr viel näher als die Flüchtenden aus Krisenregionen.

So war die BAMF-Tagung viel spannender als ich gedacht hatte.

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Samstag, 19. September 2015
Reproduktive Selbstbestimmung
Heute war mal wieder der fundamentalistische 'Marsch für das Leben' (so wie Gott es wollte bzw. so wie wir Euch erzählen, dass Gott es will) in Berlin und es gab auch wieder Gegendemonstrationen. Wir waren wie letzten Jahr bei der vom What the fuck-Bündnis dabei. Nach Ende der Demonstration haben wir uns auf dem Weg zum Marsch gemacht und traffen vor dem Reichstag auch tatsächlich auf ihn.

Gegen den Marsch für das Leben - Berlin 2015


Vor uns Tausende von schweigenden Kreuz- und andere Plakattragenden. Rund um uns viele Polizist_innen. Und in der Hand meiner Begleiterin ein Schild "Reproduktive Selbstbestimmung ist Menschenrecht". Viele der Protestierenden lasen es, wie viele es verstanden haben, weiss ich nicht (Wikipedia erklärt Reproduktive Gesundheit und Rechte).

Ab und zu kamen andere Gegendemonstrant_innen vorbei und auf einmal standen zwei junge Frauen vor uns und fragten, was reproduktive Selbstbestimmung denn bedeutet. Ich erklärte ihnen, dass es darum geht, dass Frauen selbst über ihre Sexualität und das Kinderkriegen bestimmen sollten. Das unsere Position nicht einfach sei, für Abtreibungen zu sein, sondern dass es komplexer sei und eben um Selbstbestimmung ginge. Sie fragten interessiert nach. Die eine meinte, dann sei sie wohl auch für reproduktive Selbstbestimmung.

Irgendwann wurde es klar, dass die beiden im Marsch für das Leben mit liefen, weil sie gegen Abtreibungen seien (und Christ_innen wie kurz darauf klar war). Sie erklärten uns, dass sie nicht verstehen würden, warum die Gegendemonstrationen so viel zu Homophobie machen würden, darum ginge es doch gar nicht. Wir versuchten zu erklären, dass es gut sein könne, dass einzelne Teilnehmende wie sie nicht homophob seien, dass aber die Organisierenden des Marsches es aber sehr wohl seien. Und das wir uns durch den Marsch bedroht fühlten. Auch hier hörten sie interessiert zu, fragten nach.

Schliesslich verabschiedeten sie sich, um zu ihren Mitdemonstrierenden zurück zu gehen. Es schien uns aber so, dass sie das tatsächlich mit einem breiteren Horizont taten.

Gut, dass wir diesmal ein Schild dabei hatten.

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