Sonntag, 29. März 2015
Lesben oder Schwestern
Zu zweit gehen wir den S-Bahnsteig entlang. Dann werden wir angesprochen. Er habe eine blöde Frage, ob er sie stellen dürfe. Meine Begleitung möchte wissen, was die blöde Frage sei. Ob wir Schwestern oder Lesben seien, will er wissen. Für Schwestern würde er uns wegen unserer Wangenknochen halten. Warum wir auch Lesben sein könnten, erklärt er nicht. Er meint wohl, dafür wäre Händchen halten notwendig. Seine Begleitung war aber wohl nicht der Meinung, dass wir Schwestern seien, deswegen ist er zu uns gekommen.

Wir revanchieren uns mit der Frage, wo er her ist. Den Namen des Ortes verrät er nicht. Er sagt nur, dass die nächste Autobahn eine Stunde entfernt sei. Wir wünschen ihm noch viel Spaß in Berlin.

0 Kommentare in: heteronormativ   ... comment ... link


Montag, 16. März 2015
Kein Praktikumsplatz
Eine Person bewirbt sich um einen Arbeits-, Studiums-, Praktikumsplatz und wird abgelehnt. Das passiert regelmäßig. Mal liegt es daran, dasss es nicht genug Plätze gab, dass die Qualifikation nicht ausreicht oder sonstige gute Gründe. Mal liegt es aber auch daran, dass die bewerbende Person einer gesellschaftlichen Gruppe angehört (bzw. als ihr angehörend angesehen wird), die nicht gerne eingestellt wird (Behinderte, Frauen, Ausländer_innen, HartzIV, etc.). Auch das passiert regelmäßig. Da das aber Diskriminierung ist, wird natürlich kein oder ein anderer Grund angegeben und damit lässt sich meist die Diskriminierung nicht nachweisen.

Ungewöhnlich ist es, wenn die Diskriminierung in der Absage offen zugegeben wird. Das soll eine Leipziger Professorin aber gemacht haben (siehe z.B. sueddeutsche.de, und mdr.de). Sie soll einen indischen Studenten mit der Begründung abgewiesen haben, dass sie wegen der Vergewaltigungsfälle in Indien generell keine indischen Männer annehme.

Soweit ein klarer Fall von rassistischem Ausschluss. Menschen aus einem bestimmten Land grundsätzlich abzulehnen, weil diesen Menschen eine bestimmte Mentalität zugeschrieben wird oder sie für Verhalten anderer Menschen in diesem Land zur Rechenschaft zu ziehen, ist eine rassistische Praxis. Die Professorin behauptet allerdings, dass sie diese Aussagen so nie getroffen hat. bbc.com wiederum berichtet, dass sich ein anderer Student gemeldet hat, der schon vor einiger Zeit eine ähnliche Absage der gleichen Professorin bekommen hat. Ein migazin-Autor hält die Anschuldigungen an die Professorin auch für glaubwürdig.

Ich kann das nicht einschätzen. Wenn es aber stimmt (und diese Annahme treffe ich für den Rest des Blogbeitrags, ohne es zu behaupten), dann finde ich vor allem überraschend, dass die Professorin in der Korrespondenz mit den Studierenden so offen zu ihrem diskriminierenden Verhalten gestanden hat. Die Berichterstattung über die Vergewaltigung(en) in Indien hat ihre befürchteten Folgen (siehe hier und hier). Vergewaltigung wird als ein Problem Indiens (und nicht des Patriarchats) angesehen und damit auch aus (z.B.) Deutschland verlagert. Die Professorin sieht nicht ein Problem in gewalttätigen Männern sondern in indischen Männern.

Einen Fall von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, wie sie der migazin-Autor sieht, sehe ich allerdings nicht. Es trifft zwar indische Männer, aber nicht weil sie sexistisch sondern weil sie rassistisch ausgegrenzt werden. Indische Männer scheinen für die Professorin gefährlich . Indische Frauen hingegen will sie vermutlich beschützen. Sie werden nicht bevozugt, sondern viktimisiert. Die rassistische Diskriminierung ist genderspezifisch differenziert und hat unterschiedliche Folgen.

Am meisten überrascht mich aber weiter die offen diskriminierende Begründung. Wenn sie so getroffen wurde und auch noch mehrfach: Wieso denkt eine Professorin, dass sie das sagen kann? Und wieso gibt es so wenig öffentliches Interesse für den Fall in Deutschland?

0 Kommentare in: rassistisch   ... comment ... link


Spektaktuläres Migrantenkind
In der taz.berlin schreibt Andreas Hergeth über Nasser El-A.s Prozess gegen seine Familie (sie auch diesen taz.berlin-Artikel) und stellt fest:

"Das öffentliche wie medienwirksame Coming-out eines Migrantenkinds ist immer noch spektakulär, weil ziemlich einmalig."

Und da frage ich mich, wo lebt Andreas Hergeth? Oder aber, wen definiert er als Migrantenkind? Denn ich kenne ziemlich viele Kinder von Migrant_innen, die out sind. Öffentlich. Medienwirksam zumeist nicht, das gebe ich zu. Warum auch, denn an ihrem Out-sein ist nichts besonders medienwirksames, sie sind es einfach, ohne besondere Probleme. Sind sie deshalb keine Migrantenkinder? Sind Migrantenkinder per Definition mit Problemen belastet?

Nasser El-A.s Geschichte bräuchte diesen Superlativ nicht. Sie ist erschreckend genug. Erschreckend aber auch wie wenig Hergeht Nasser El-A. ernst nimmt. Der andere taz.berlin-Artikel zitiert El-A.:

"Auch wenn er jetzt allein lebe, „bin ich immer noch ein Familienmitglied von El-A.“, sagte der 18-Jährige. Ob es umgekehrt genauso sei, wisse er nicht. "

El-A. wehrt sich also dagegen, aus der Familie ausgeschlossen zu werden, besteht darauf, weiter dazu zu gehören. Hergeth aber beginnt seinen Artikel:

"Nasser El-A. hat keine Familie mehr, dabei ist er erst 18 Jahre alt."

Hergeth will wohl seine spektakuläre Geschichte erzählen und dafür muss El-A. mit der Familie brechen. Ob er will oder nicht.

0 Kommentare in: homonationalismus   ... comment ... link


Sonntag, 8. März 2015
Frauen*kampftag
Frauen*kampftag 2015 Berlin


Bei wunderschönen Frühlingswetter in Berlin.

Demonstration zum Frauen*kampftag 2015 am Berliner Alexanderplatz

0 Kommentare in: heteronormativ   ... comment ... link


Freitag, 6. März 2015
"Minderheiten und Meinungsfreiheit"
Das Zentrum für Antisemtismusforschung veranstaltet am Montag, den 16.03.2015, um 19:00 Uhr eine Diskussionsveranstaltung zu Minderheiten und Meinungsfreiheit.

Mit Stefanie Schüler-Springorum, Leiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA), diskutieren
Thomas Lackmann (Journalist, Der Tagesspiegel), Sergey Lagodinsky (Jurist, Heinrich-Böll-Stiftung) und ich. Mir geht es dabei vor allem um einen rassismuskritischen Blick auf die Debatte (wie z.B. hier).

Veranstaltungsort: orangelab, Ernst-Reuter-Platz 2, 10587 Berlin

Und eine Einladung (als pdf) gibt es auch.

0 Kommentare in: veranstaltung   ... comment ... link


Mittwoch, 4. März 2015
Vergewaltigungskultur
Auf dem Blog von suedasien.info habe ich über Kontroversen rund um den Film 'India's Daugther' geschrieben. Es geht um Vergewaltigung(skultur), der Blick auf Indien, internationale Solidarität, verschiedene Männlichkeiten und auch um Dominique Strauss-Khan:

tageschau.de berichtet , dass der Dokumentarfilm 'India's Daughter' der Filmemacherin Leslee Udwin in Indien (erstmal) nicht gezeigt werden darf. Wenn ich es richtig verstehe, geht Udwin in dem Film, der international bekannt gewordenen Gruppenvergewaltigung einer jungen Frau in Delhi im Dezember 2012 nach. Unter anderem interviewt sie einen der Vergewaltiger, der dem Opfer die Schuld an seiner Vergewaltigung gibt.

Dass die Motivation der Behörden, den Film nicht zu zeigen, problematisch ist, glaube ich sofort. Allerdings kommt auch aus feministischer Perspektive in Indien Kritik an dem Film. So hat Kavita Krishnan schon vor dem Verbot einen kritischen Artikel zum Film verfasst. Darin kritisiert sie unter anderem, die patriarchale Verwendung des Begriffes Tochter, die Fokussierung auf den Einzelfall, den (orientalistischen) Fokus auf Indien und das Ignorieren von feministischen Stimmen in Indien (ähnliche Kritik wurde 2013 auch von Urvashi Butalia im Interview mit suedasien.info forumuliert). In einem weiteren Artikel kritisiert Krishnan den Umgang mit dem Vergewaltiger, der weiterer öffentlichen Verurteilung (und Rufen nach Todesstrafe bzw. Selbstjustiz) ausgesetzt wird während noch ein Berufungsverfahren läuft. Krishan argumentiert, dass die Interviews unter zweifelhaften Rahmenbedingungen entstanden sind und dass der Film nicht vor Beendigung des Verfahrens gezeigt werden sollte.

Sie betont auch (in beiden Artikeln), dass das Problem nicht nur die individuelle Vergewaltigung ist, sondern die Vergewaltigungskultur (rape cultre - also die gesellschaftliche Rechtfertigung von sexualisierter Gewalt) in Indien und dem Rest der Welt.Daher sollte der Fokus nicht auf den einen indischen Täter aus der Unterschicht gelegt werden, sondern auf die Verhältnisse, die ihn und andere Männer dazu bringen, selbstverständlich zu vergewaltigen.

Dafür verweist Krishnan auch auf Ingrid Therwaths Artikel im Hindu zu Dominique Strauss-Kahn. Therwath arbeitet dort heraus, wie privilegierte Männer wie Strauss-KahnVergewaltigungsanschuldigungen entgehen. Anders als der indische Täter haben sie teure Anwälte und gute Kontakte. Zudem profitierten sie davon, dass die Vergewaltigungskultur privilegierten Männern erlaubt ihnen untergebene Frauen auszunutzen und dass Sexarbeiter_innen kein Schutz vor Vergewaltigung zugestanden wird.

Udwins Dokumentarfilm habe ich nicht gesehen, kann ihn daher nicht beurteilen. In jedem Fall aber sprechen Krishnan und Therwath wichtige Themen an. Es geht nicht darum indische Töchter zu retten, sondern die Vergewaltigungskultur in allen Ländern und allen Schichten zu bekämpfen und zu verunmöglichen.

Verfasst von: urmila am 05. März 2015 um 10 Uhr 00

Der Film kann jetzt online angesehen werden. Und im Guardian ist auch eine Kritik am Film erschienen.

0 Kommentare in: interdependenz   ... comment ... link


Montag, 2. März 2015
Teurer Abschiebegewahrsam
Die taz berlin berichtet mal wieder über die horrenden Kosten, die Berlin auf sich nimmt, um einen Abschiebegewahrsam zu betreiben. Die taz zitiert den Landesrechnungshof:

"Deshalb fielen für den Berliner Landeshaushalt 2012 umgerechnet auf jeden Insassen pro Tag Kosten von 1.821 Euro an."

In der Diskussion ist daher, den Abschiebegewahrsam in Grünau zu schliessen und dafür einen neuen in der Nähe des Flughafens BER zu bauen. Der soll dann auch (wie der in Grünau) Abzuschiebende aus anderen Bundesländern aufnehmen.

Das würde zwar Geld sparen, ist aber weiterhin menschenunwürdig. Für die Abzuschiebenden aus anderen Bundeländern würde weiterhin gelten, dass sie aus ihren Strukturen und Unterstützer_innenkreisen herausgenommen würden.

Grünau muss ersatzlos geschlossen werden. Abschiebehaft abschaffen! Das spart viel Geld und wahrt Menschenwürde.

0 Kommentare in: abschieben   ... comment ... link


Sonntag, 22. Februar 2015
Männerförderung statt Gleichstellung
Bereits im letzten Sommer hatten dieFrauenbeauftragten des öffentlichen Dienstsgegen den Entwurf des Gleichstellungsgesetzes protestiert. Es sah vor, dass wenn Männer in Berufsgruppen unterrepräsentiert sind (wie bei Sekretär_innen, Putzkräften und anderen unattraktiven Tätigkeiten), sie gefördert werden müssen. Wie die taz jetzt berichtet, hat der Protest noch nicht gefruchtet und wird jetzt noch mal lauter formuliert:

"„Wenn wir uns aber darum kümmern sollen, massenhaft Männer in die Niedriglohnbereiche zu locken, bleibt für unsere eigentliche Aufgabe, nämlich die Benachteiligung von Frauen zu bekämpfen, kaum noch Kapazität“, erklärt Kristin Rose-Möhring, Gleichstellungsbeauftrage im Familienministerium und Vorsitzende des Arbeitskreises der Gleichstellungsbeauftragten des Bundes."

Am Montag, den 23.02. wird dazu eine Veranstaltung organisiert.

Nachtrag 25.02.15: Wie die taz berichtet, scheint die Expert_innenanhörung im Rechts- und Frauenausschuss ein bisschen was bei Koalitionsangehörigen bewegt:

""Ich sehe auf jeden Fall Klärungsbedarf", resümiert Sönke Rix, frauenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag. "Wenn dieser Entwurf tatsächlich Verschlechterungen für die Frauen bringt, dann haben wir auch Änderungsbedarf." Marcus Weinberg, frauenpolitischer Sprecher der Union, meint sogar: "Der Gesetzentwurf geht in diesem Punkt am Ziel vorbei. Die Bemühungen um mehr Männer in unteren Gehaltsgruppen binden unnötigerweise Ressourcen und kosten damit Steuergelder. Daher hoffen wir, unseren Koalitionspartner davon zu überzeugen, hier nachzubessern.""

Nachtrag 05.03.15: Die taz berichtet, dass der Protest etwas gebracht hat:

" Entfernt wird aus dem Gesetzentwurf die Förderung von Männern dort, wo sie "unterrepräsentiert" sind. "

0 Kommentare in: heteronormativ   ... comment ... link


Unzureichende Umsetzung eines EuGH-Urteils
Wie die FAZ berichtet, wird Deutschland mal wieder gerügt, weil es internationale Vereinbarungen, Gerichtsurteile, etc. nicht ausreichend umsetzt. Diesmal geht es um die verpflichtenden Sprachtests für nachziehende türkische Ehepartner_innen:

"Die Europäische Kommission habe der Bundesregierung am 13. Januar mitgeteilt, dass sie die Umsetzung eines EuGH-Urteils in der Sache für unzureichend halte, heißt es in der Antwort des Innenministeriums auf eine Frage der Linke-Abgeordneten Sevim Dagdelen, über die der «Kölner Stadt-Anzeiger» berichtet."

Es ist immer wieder erschreckend zu sehen, wie häufig Deutschland (also die staatlichen Institutionen) gegen geltendes Recht verstösst, dafür auch gerügt wird, aber es trotzdem weiter ignoriert. Gleichzeitig pocht Deutschland - wenn es um andere und die eigenen Interessen geht - immer wieder auf Rechtstreue.

0 Kommentare in: deutsch   ... comment ... link