Dienstag, 20. Januar 2015
Schrecklich
Unter der Überschrift Eine schrecklich nette Runde kommenteirt Jürn Kruse in der taz eine Jauch-Talk zur Etablierung von Pegida und AfD. Neben Vertreter_innen dieser beider Organisationen waren noch andere Pegida-Versteher anwesend. Die taz fasst zusammen:

"Die Talkshow zeigte: Die Anbiederung an die Protestbewegung hat begonnen."

Ist es eigentlich auch denkbar, dass in einer solchen Talkshow zu Pegida ausschliesslich Muslim_innen, Flüchtlinge, linke Aktivist_innen und Parteienvertreter_innen links der Mitte vertreten sind? Warum nicht, wenn es doch auch Talks nur von Rechten gibt?

So eine Zusammensetzung wie bei Jauch macht mir wirklich Angst.

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Samstag, 17. Januar 2015
Grenzen der Meinungsfreiheit
Nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo schienen sich alle einig: Das war ein Anschlag auf die Pressefreiheit. Satire darf alles. Wir sind alle Charlie. Die Freiheit, satirisch alles kritisieren zu dürfen, muss unbedingt geschützt werden.

Inzwischen sind einige Tage vergangen und die Aussagen und Handlungen sind weniger eindeutig. Allgemein wird zwar noch das Töten verdammt, aber immer häufiger kommt ein aber dazu. Die Meinungsfreiheit wird nicht mehr ganz so hochgehalten.

Der Papst meint laut tagesschau.de, dass man sich über Religion nicht lustig machen dürfe. Und soweit ich das mitbekommen habe, gab es zu dieser Aussage keinen medialen Aufschrei.

Und der Komiker Dieudonne wird laut tagesschau.de in Frankreich unter dem Vorwurf der Verherrlichung des Terrorismus festgenommen. In seinem Fall darf Humor wohl nicht alles. Gut möglich, weil er nicht wirklich witzig sondern eher antisemitisch ist (vgl. Blogbeitrag vom letzten Jahr).

Dass Satire aber einmal alles darf und einmal nicht, ist nicht ganz so leicht zu vermitteln. Vor allem denen nicht, die sich von der einen (als legitim angesehenen) angegriffen und von der anderen (als illegitim verurteilten) angesprochen fühlen. So berichtet die taz von Konflikten an französischen Schulen:

"Für die Erzieher im Bildungssektor ist es konsternierend, dass die Jugendlichen nicht begreifen, dass ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen Karikaturen, die sich über Terroristen lustig machen, die im Namen religiöser Phrasen morden, und einem offen antisemitischen Pseudo-Komiker, der schmierige Witze über Millionen Holocaust-Opfer macht."

Der Artikel suggeriert hier, dass der Unterschied einfach zu sehen ist. Ich bin mir da nicht so sicher. Macht sich eine Mohammed-Karrikatur tatsächlich über Terrorist_innen lustig? Oder macht sie sich über die Religion insgesamt lustig? Machten sich die Charlie Hebdo-Karrikturen über die Terroristen oder über Muslime lustig? Wurde durch sie auch antimuslimischer Rassismus reproduziert? Ich kann das nicht wirklich beurteilen, da ich noch keine Charlie Hebdo in der Hand hatte. Von den öffentlichen Diskussionen kann ich aber schliessen, dass es eine beachtliche Zahl von Menschen gibt, die meinen, dass sich die Karikaturen entweder über die Religion lustig machen (was der Papst problematisch findet) oder antimuslimischen Rassismus reproduzieren (was ich problematisch fände).

Hierüber bräuchte es eine differenzierte Diskussion, die auch die Schwierigkeiten der Abgrenzung thematisiert und eingesteht, dass die Abwägung von Grundrechten (Meinungsfreiheit vs. Schutz vor Rassismus) nicht immer einfach ist. Es gilt auch zu schauen, wessen Meinungsfreiheit verteidigt wird und wessen nicht. Über wen alles gesagt werden darf und über wen nicht. Dafür mag es jeweils gute Gründe geben, aber die müssen angegeben und ausgehandelt werden. Es ist nicht so eindeutig, wie der Artikel über die konsternierten französischen Erzieher_innen suggeriert.

Auch Daniel Bax problematisiert in der taz die Verhaftung von Dieudonne:

"Solche Reaktionen sind Wasser auf die Mühlen all jener, die Frankreichs Staat und Gesellschaft vorwerfen, im Umgang mit seinen Muslimen mit doppeltem Maßstab zu messen. "

Mit Reaktionen im Plural meint Bax nicht nur die Aktionen gegen Dieudonne, sondern auch dass bei Charlie Hebdo die Meinungsfreiheit nie grenzenlos war:

"Zur Wahrheit gehört auch, dass es selbst bei Charlie Hebdo nie eine absolute Meinungsfreiheit gab. Vor sechs Jahren warf die Zeitschrift ihren langjährigen Zeichner Siné hinaus, nachdem dieser eine Karikatur von Jean Sarkozy, dem Sohn des damaligen Präsidenten, veröffentlicht hatte, die als antisemitisch kritisiert worden war. "

Bei der Aushandlung der Grenzen von Meinungsfreiheit handelt es sich um einen schwierigen gesellschaftlichen Prozess. Zur Meinungsfreiheit muss es dabei auch gehören, dass die Äußerungen von Anderen kritisiert werden. Charlie Hebdo zu kritisieren, sollte als Teil von Meinungsfreiheit verstanden werden. Die Meinungsfreiheit muss aber da enden, wo Gewalt ins Spiel kommt. Morde sind selbstverständlich nicht Teil von Meinungsfreiheit. Wie weit Reproduktionen von Rassismen Teil von Meinungsfreiheit sind, muss noch weiter ausgehandelt werden. Einfach ist das nicht.

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Donnerstag, 15. Januar 2015
Pegida Statistiken
Seit gestern schwirren Daten zu Pegida-Demonstrant_innen der TU-Dresden durch die Medien. Auch die taz macht mit. Da lese ich:

"Laut der Studie sind Pegida-Teilnehmer zu drei Vierteln männlich und im Schnitt 48 Jahre alt. "

und wundere mich. Denn alle qualitativen Berichte, die ich bisher zu den Demonstrationen gelesen und gehört haben, berichten, dass vor allem junge Männer und alte Männer an den Demonstrationen teilnehmen. Ein Durchschnittsalter von 48 Jahren wäre dann ein blödsinniger Mittelwert, da er genau zwischen die beiden Gruppen fallen würde und einen ganz falschen Eindruck vermitteln würde. Ich ärgere mich also mal wieder über den stümperhaften Umgang mit Statistiken und mache mich auf die Suche nach den Original-Statistiken, um mir die Altersverteilung anzuschauen. Über die Pressemitteilung der TU Dresden, wo nichts differenziertes drin steht, komme ich zu einer Präsentation des Studienleiters Vorländer und da zu einer Altersverteilung. Zu meiner großen Überraschung zeigt diese, dass 37% der Befragten tatsächlich zwischen 40 und 60 Jahre alt war und die Streuung unauffällig ist.

Das passt überhaupt nicht zu den Eindrücken, die sonst geschildert werden und deutet auf ein noch größeres Problem der Studie hin, dass in der taz auch angesprochen wurde, ich aber überlesen habe:

"Nur ein gutes Drittel der Angesprochenen war auskunftsbereit. Das relativiert die statistische Relevanz der 400 verwertbaren Antworten. "

Relativiert ist wohl leicht untertrieben. Stefan Niggemeier führt sehr schön aus (und verlinkt noch andere Blogger_innen, die das tun), dass davon auszugehen ist, dass diese Studie eher nichts über die Gesamtheit der Demonstrant_innen aussagt (sondern nur über jene, die bereit sind mit Wissenschaftler_innen zu sprechen, was ein nicht zufälliger Teil ist). Niggemeier kommt zu dem treffenden Schluss:

"Zutreffender ist vermutlich eine andere Aussage: Der typische Pegida-Demonstrant nimmt ungern an Umfragen teil. Zwei Drittel derjenigen, die dafür angesprochen wurden, lehnten hier ab. "

Warum werden solche nichtssagenden Statistiken so gerne von der Öffentlichkeit aufgegriffen? Wieso strahlen Prozentzahlen solche Faszination aus, dass sie auch genutzt werden, wenn ihre Aussagekraft in Frage gezogen werden?

Nachtrag 19.01.15: Jetzt berichtet tagesschau.de über eine Studie mit 123 (nicht zufälligen) Antwortenden. Was soll das? Was für eine Aussagekraft soll das haben?

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Mittwoch, 14. Januar 2015
Muslim, schwarz, Flüchtling, Mitarbeiter, Retter
In ihrem Bericht über die Mahnwache gestern in Berlin schreibt die taz berlin:

"Aymam Mazyek, Generalsekretär des ZMD, sagt auf dem Pariser Platz: "Wir alle sind Deutsche - Juden, Christen und Muslime". Explizit bezieht er sich auf jenen Mitarbeiter des jüdischen Kaufhauses in Paris, einen muslimischen, schwarzen Flüchtling aus Afrika, der die Leben vieler Geiseln rettete, indem er sie im Kühlraum versteckte."

Aiman Mazyek sprach von Lassana Bathily, einem Angestellten des koscheren Supermarktes, der mehrere Einkaufende versteckte und ihnen damit möglicherweise das Leben gerettet hat (siehe taz-Porträt). An dieser Figur lässt sich zeigen, wie unzulänglich einzelne Zuschreibungen sind, um eine Person zu charakterisieren.

Hervorgehoben wurde in der Berichterstattung besonders, dass Bathily Muslim ist. Die Medien fanden dies wohl besonders berichtenswert, weil er Jüd_innen rettete in einem jüdischen Supermarkt. Zum einen wurde damit das Bild Muslim gleich Terrorist gebrochen, zum anderen wurde aber die Differenz muslimisch und jüdisch betont und implizit auch eine Verwunderung über Bathilys Tat transportiert (im Sinne von: von einem Muslim hätte man das nicht erwartet).

Hervorheben hätte man auch können, dass er schwarz ist. Wie der Terrorist im Supermarkt. Auch Schwarze sind also nicht alle gleich.

Oder man hätte betonen können, dass er Flüchtling ist und lange Zeit ohne legalen Aufenthaltstitel in Frankreich gelebt hat. Dass er die Arbeitsstelle im jüdischen Supermarkt bekommen hat, hat ihm erst ermöglicht, zum Retter zu werden. Daraus könnte man schliessen, alle Menschen müssen legalsiert werden und ihnen ein Zugang zum Arbeitsmarkt geschaffen werden. Oder nicht?

Oder man könnte fragen, ob diese Kateogrisierungen für ihn und seine Tat entscheidend sein. Vielleicht sind andere Identitäten oder Einstellungen, zum Beispiel politische, relevanter für ihn. Ihm taz-Porträt wird er zitiert:

"Dass er mit seinem geistesgegenwärtigen Verhalten jüdische Mitmenschen vor dem Zugriff eines antisemitischen Killers geschützt hat, hält er nicht für etwas Außergewöhnliches. "Es geht nicht um Juden, Christen oder Muslime", sagte Bathily. "Wir sind Brüder." "

Vielleicht sind für ihn diese Zuschreibungen gar nicht so wichtig. Vielleicht doch. Die Dichotome Berichterstattung in den Medien (islamistische Terroristen vs. westliche Gesellschaft, Muslime vs. Jüd_innen, etc.) können die komplexe Realität auf jeden Fall nicht abbilden.

Auch die Todesopfer waren in vielerleiweise vielfältig: zumindest Karikaturisten, Polizist_innen, Angestellte, Weiße, Schwarze, Juden, Muslime. Es waren auch Frauen darunter (sowohl in der Redaktion wie bei den Polizist_innen). Unter den Toten sind so einige Andere der westlichen Gesellschaft. Die Terroristen haben unterschiedslos gemordet, ihnen scheint es egal gewesen zu sein, wer unter den Opfern ist. Vermutlich hatten sie ein einfaches Weltbild: wir und nicht-wir. Aber auch die Öffentlichkeit betrauert vor allem bestimmte Zuschreibungen: Karrikaturisten, Polizisten und Juden. Die anderen fallen auch hier unter den Tisch. Wer bei dem simplen Weltbild Wir und die Anderen mitmacht, trägt zur Polarisierung der Gesellschaft mit bei.

Damit nochmal zurück zu Aymam Mazyek. Wenn er sagte "Wir alle sind Deutsche - Juden, Christen und Muslime" war das bestimmt inklusiv gemeint. Ich fühle mich aber nicht mit gemeint. Ich gehöre keiner Religion an. Und auch nicht alle in Deutschland können bzw. dürfen sich als Deutsche fühlen.

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Dienstag, 13. Januar 2015
Differenziert betrachten
Der taz-Redakteur Daniel Bax, der wenn ich mich recht erinnere auch Islamwissenschaftler ist, hat in der taz einen Kommentar dazu geschrieben, warum sich Terrrorist_innen wie jene in Paris auf den Islam beziehen. Bax bietet dabei eine differenzierte Darstellungen der Entwicklung des Islams und seiner verschiedenen Schulen. Er plädiert dafür die Gegensätze nicht zwischen "westlichen Gesellschaften und den Muslimen [..], sondern zwischen Demokraten und Terroristen" zu sehen. Lesenswert.

Nachtrag 15.01.15: Und noch eine lesenswerte Kolumne in der taz. Rober Misik endet mit:

"Man kann den Islamismus ablehnen, ohne gleich jeden Muslim unter Generalverdacht zu stellen. Man kann den Terrorismus bekämpfen und gleichzeitig die Kopftuchträgerin gegen Anfeindungen in der U-Bahn verteidigen. Man kann den Rassismus bekämpfen, ohne die Gefahr des Islamismus kleinzureden. Man kann auch verstehen, weshalb der Islamismus als Identitätsangebot unter deklassierten jungen Muslimen so attraktiv ist, und ihn dennoch bekämpfen. Man kann für sich die Richtschnur zurechtlegen: Beim paranoiden „Wir gegen sie“ mache ich nicht mit. Wir haben nichts zu fürchten außer die Mutlosigkeit der Vernünftigen."

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Montag, 12. Januar 2015
Gegen Gender-Leute
Um David Berger, den Herausgeber des schwulen Magazins Männer, scheint es eine Kontroverse zu geben. Laut taz wird ihm vorgeworfen er sei "Rechtspopulist und fördere falsche Männerbilder". Diese Vorwürfe kann ich nicht beurteilen, da ich Männer nicht kenne.

Beurteilen kann ich etwas das taz- Interview, das Jan Feddersen und Enrico Ippolito mit Berger geführt haben. Das wirkt so, als ob sie Berger mal eine Gelegenheit geben wollten, sich gegen die Vorwürfe zu positionieren. Scharf gefragt, hinterfragt wird er nicht. Das passt zu einem queer.de-Text vom November, in dem Jan Federsen als Unterstützer von Berger dargestellt wird. Kritischer Journalismus würde anders aussehen.

Unmöglich macht sich Berger aber auch so im Interview:

"Ich sehe nur ein Problem damit, wenn man so tut, als ob der Kampf gegen Homophobie und Ausgrenzung gleich ist mit dem Kampf, den die Gender-Leute führen. Ich als schwuler Mann sage, ich bin froh, dass es echte Mannsbilder gibt, weil ich eben geil auf Männer bin und nicht auf irgendwelche Zwischenwesen. Ich gestehe jedem zu, so zu sein, aber ich bin froh über die Geschlechtlichkeit, ich möchte nicht, dass sich die schwule Welt in einer Unisex-Toilette auflöst. Und diese Einschätzung teilt die große Mehrheit aller schwulen Männer."

Nun bin ich natürlich eine von diesen Gender-Leuten, die Geschlecht abschaffen wollen, alle zu Zwischenwesen machen wollen, einen Feldzug für Unisex-Toiletten fechten und die armen Männer nicht mehr Männer sein lassen wollen. Da verwundert es natürlich nicht, dass ich diese Passage für problematisch halte. Das beweist wahrscheinlich nur Bergers These.

Und meine These wäre: Schwul zu sein und mehr Privilegien haben zu wollen, reicht weder aus, um strukturelle Ungleichheiten und ihre Konstruktion zu erkennen noch um solidarisch mit anderen gegen diese zu arbeiten.

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Freitag, 9. Januar 2015
Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus
Die taz berlin berichtet über eine Studie des Zentrums für Antisemitismusforschung, die auf eine hohe Dunkelziffer bei antisemtischen Übergriffen hinweist. In der Analyse der taz, beschäftigt sich die Studie auch differenziert mit dem Eindruck, dass Antisemitismus vor allem von muslimischen Menschen verübt würde.

Gegen das Ausspielen von Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus gegen einander wendet sich in beeindruckenderweise auch ein Opfer antisemitischer Gewalt. Die taz berlin berichtet:

"Der in der Neujahrsnacht angegriffene Israeli Shakak Shapira hat sich mittlerweile über Facebook und Interviews geäußert - und davor gewarnt, einen Vorfall wie diesen als Vorlage für Islamhass zu verwenden. Shapira hatte eine Gruppe Jugendlicher gefilmt, die in der U-Bahn antisemitische Parolen grölten und Menschen bedrohten, woraufhin ihn die Gruppe am Bahnhof Friedrichstraße körperlich angriff. Er wolle nicht, dass der Angriff als Vorwand für "noch mehr rassistischen Mist gegenüber Arabern" genutzt werde, so Shapira. Stattdessen wünsche er sich, dass die Deutschen mehr Zivilcourage zeigten - ob bei Vorfällen wie diesem oder etwa durch die Teilnahme an Anti-Pegida-Protesten."

Antimuslimischer Rassismus hilft nicht gegen Antisemitismus. Eine rassismuskritische Haltung hilft gegen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus. Beide gilt es gleichzeitig zu bekämpfen.

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