Montag, 30. Januar 2006
Feddersen zu Islamo- und Homophobie
Jan Feddersen darf heute in der taz mal wieder gegen die "Multikulturalisten" ins Feld ziehen. Dabei lässt er - wie er es so gerne tut - Islamo- und Homophobie gegeneinander antreten. Wenn ich ihn richtig verstehe, geht seine Argumentation in etwa so: Da es homophobe 'Muslime' gibt, darf man 'Muslime' pauschal der Homophobie verdächtigen wie dies im Muslimtest geschieht und ist damit noch lange nicht islamophob.

Er spielt verschiedene marginalisierte Gruppen gegeneinander aus, und merkt nicht wie Islamo- und Homophobie nach den gleichen Mustern laufen. Er hat Recht, wenn er feststellt, dass es keine Solidarität zwischen Minderheiten gibt. Seine Artikel sind das beste Beispiel dafür. JedeR ist sich selbst am nähsten, und die anderen sind die Bösen. Ob wir damit aber weiterkommen ist sehr fraglich. Zum Kampf gegen Islamo- und Homophobie müssen deren Strukturen verstanden werden.

Feddersens polemische Zusammenfassung der Kritik am Muslimtest: "Na, das geht doch wirklich nicht, dass Menschen, die den deutschen Reisepass haben möchten, derartig unappetitlich ausgehorcht werden." ist zutiefst problematisch. Als ob die 'AusländerInnen', die sich einbürgern lassen wollen, nur den Reisepass haben wollen. Sie wollen gleichberechtigte BürgerInnen dieses Staates werden, sie wollen das Recht auf politische Teilhabe an ihrem Wohnort haben. Wahrscheinlich ist genau das das Problem.

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Was hat das mit der Einbürgerung zu tun?
Seyran Ates sagt heute in einer Diskussion zum Muslimtest in der taz: "Ich finde es absolut legitim, Menschen, die sich einbürgern lassen wollen, mit diesen Fragen zu konfrontieren."

Ich verstehe das nicht. Was haben Sexismus und Homophobie mit der Einbürgerung zu tun? Anspruch auf Einbürgerung hat laut Staatsangehörigkeitsgesetz nur ein "Ausländer", der "seit acht Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat". Es geht also um Menschen, die sowieso schon in Deutschland leben, einen gesichterten Aufenthaltsstatus haben und hier bleiben werden. Wenn sie sexisitisch und homophob sind, dann sind sie es, unabhängig davon ob sie eingebürgert werden oder nicht. Der Kampf gegen Sexismus und Homophobie - die auch beide unter deutschen StaatsbürgerInnen sehr verbreitet sind - muss also an anderen Orten geschehen.

Es geht hier um etwas anderes. Einbürgerung wird nach wie vor als ein Gnadenakt verstanden und soll möglichst restriktiv vergeben werden. Über die deutsche Staatsbürgerschaft definieren wir 'uns' und die 'Anderen'. Es geht um Zugehörigkeit und die Verweigerung der Zugehörigkeit. Kein Wunder, wenn sich da einige der von uns definierten 'Anderen' gegen 'uns' wenden.

Ein historisches Beispiel über die Veweigerung einer Einbürgerung gibt es auf urmila.de.

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Sozialminister Ba-Wüs ausgebürgert
Des Ländles Sozialminister Andreas Renner ist zurückgetreten.

Er hatte die Schirmherrschaft für den Christopher Street Day in Stuttgart übernommen. Was der katholischen Kirche nicht gefiel. Woraufhin Renner ziemlich undiplomatisch auf die Kritik reagierte. Und nun zurücktreten musste.

Homosexualität ist ein Reizthema in Baden-Württemberg. Homophobie, nicht nur in der Kirche, die Norm. Eigentlich müssten sich die baden-württembergischen Konservativen mit jenen 'Muslimen', die homophob sind, recht gut verstehen. Warum nur tun sie im Muslimtest so, als ob sie ein Problem damit haben?

Nachtrag 06.06.07: Die Fragen zur Homophobie sind jetzt gestrichen. Warum?

Nachtrag 27.03.11: Die taz berichtet, dass Baden-Württemberg in Deutschland das Schlusslicht bei der Umsetzung der Gleichstellung von Homosexuellen ist.

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Sonntag, 29. Januar 2006
eingedeutschte desis
Im Indernet-Forum fragt ein User die anderen: "wie findet ihr einge- oder verdeutschte desis?".

Die meiste Zeit diskutieren die UserInnen auf dem Indernet über alltägliches, wie auf den meisten anderen Internetportalen auch. Aber zwischendurch geht es auch immer wieder um das Anderssein in Deutschland. Sie tauschen sich über ihre Erfahrungen aus, diskutieren Zugehörigkeiten und Ausgrenzungen.

Desis ist der Begriff für 'InderInnen', die ausserhalb Indiens leben. Eine Selbstbezeichnung, die insbesondere in Großbritannien und den USA genutzt wird. In Deutschland ist der Begriff erst langsam im kommen.

Der User bekommt auf seine Frage recht kritische Rückfragen. Viele finden die Frage an sich schon diskriminierend.

Mehr zum Indernet gibt es auf urmila.de.

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Samstag, 28. Januar 2006
Bin ich Schwarz?
Ich weiss es nicht. Bei dem Workshop habe ich mich mal versuchsweise Schwarze Wissenschaftlerin genannt. Das wurde auch akzeptiert, weitgehend zumindest. Aber was heisst Schwarz? Richtig Weiss bin ich nicht, das ist klar. So wie ich nicht richtig 'deutsch' bin. Aber reicht das, um Schwarz zu sein? Häufig genug gehe ich schliesslich als Weisse durch.
Der passende Begriff für mich ist wohl Person of Colour. Aber was genau heisst das?

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Donnerstag, 26. Januar 2006
Weiße, heterosexuelle Männer ...
haben es wirklich schwer. Sie sind doch gar nicht so wie die anderen. Diese Kategorien passen nicht. Sie - die Kategorien, nicht die weißen, heterosexuellen Männer - bauen Barrieren auf.

Gestern abend habe ich lange mit einem dieser bedauernswerten Individuen diskutiert. Vorher hatte ich einen Vortrag über Critical Whiteness Studies gehalten. Irgendwie habe ich wohl nicht vermiteln können, dass Weiß-Sein benannt werden muss, weil damit strukturelle Vorteile und Privilegien verbunden sind.

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Dienstag, 24. Januar 2006
anders deutsch
Bin ich 'Deutsche', bin ich 'Inderin', bin ich irgendwas anderes? Erst habe ich mir die Frage gar nicht gestellt. Ich war beides. Dann habe ich angefangen mir die Frage zu stellen (weil andere mir die Frage stellten). Dann habe ich sie mit anderen diskutiert. Ein Versuch der Selbstbezeichnung war 'Indo-Deutsche'. Aber da war mir die Betonung auf 'indisch' viel zu stark, was weiss ich schon von Indien, dort bin ich nicht sozialisiert worden. Und dann wusste ich, ich bin 'deutsch' aber 'anders' also 'anders deutsch'. Und 'anders' in vielerlei Hinsicht, nicht nur ethnisch.

Theoretisch formuliert hat das der 'deutsche' Erziehungswissenschaftler Paul Mecheril, der das Konzept Andere Deutsche entwickelt hat.

Bei yeahpope gibt es noch ein kleines Beispiel ...

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Die Integrationsbeauftragte empfiehlt ...
"Deutschpflicht an Schulen sollte Schule machen".

Schon eine ganze Weile bekomme ich die Pressemitteilungen der Integrationsbeauftragten des Bundes per mail zugeschickt. Bis vor kurzen überflog ich sie kurz, und war zufrieden, dass Sinnvolles unterstützt wurde. Heute stockte ich erst beim Namen. Ach ja, es ist ja nicht mehr Marieluise Beck sondern Prof. Dr. Maria Böhmer. Hatte ich mal wieder den Regierungswechsel verdrängt. Beim Weiterlesen wird es dann noch schlimmer. Das kann sie doch nicht so meinen!

"Ja zu Deutsch im gesamten schulischen Leben heißt auch Ja zur Integration."

Sie ist tatsächlich der Meinung, dass es die 'Integration' fördert, wenn auf Pausenhöfen nur deutsch gesprochen wird. Vorbei sind offensichtlich die Zeiten, in denen die Integrationsbeauftragte nicht den xenophoben Mainstream unterstützt, differenzierte Sichtweisen eingebracht und für die Rechte von 'MigrantInnen' gestritten hat.

Prof. Dr. weiss offensichtlich nicht, dass Kinder die deutsche Sprache nicht dadurch lernen, dass ihnen ihre Muttersprache verboten wird. Dann wird sie auch nicht wissen bzw. es wird sie nicht interessieren, dass es Ansäzte gibt, die Mehrsprachigkeit in der Schule zu fördern und dadurch Sprachkompetenz zu erhöhen.

Wir sind schliesslich in Deutschland und in Deutschland wird Deutsch gesprochen. Schluss, fertig, aus. Es sei denn es handelt sich um eine elitäre internationale Schule. Da ist natürlich Mehrsprachigkeit etwas sinnvolles.

Ich war an einer solchen Schule, der Europäischen Schule Karlsruhe. Bei uns wurde in fünf Sprachen gesprochen und gelehrt, alle gleichberechtigt. Einige SchülerInnen und LehrerInnen konnten kaum Deutsch. Das war vollommen ok, denn alle waren 'Weiß'. Die paar wenigen SchülerInnen mit nicht-europäischen Hintergrund fielen nicht ins Gewicht - denn immerhin kamen wir fast alle aus privilegierten Schichten.

Wie sagt die GEW-Vizechefin Marianne Demmer in ihrer Kritik der taz: "Niemand hätte etwas dagegen, wenn sich die Schüler auf Englisch unterhalten." Vielleicht sollte es ehrlicherweise gleich Türkischverbot statt Deutschpflicht heissen.

Nachtrag 28.06.06: Für die Abwertung anderer Sprachen als der Deutschen an der Schule bekomt diese nun den Nationalpreis. Die taz berichtet:

"Die Herbert-Hoover-Realschule im Wedding erhält heute den mit 75.000 Euro dotierten Nationalpreis. Ausgezeichnet wird die Schule mit dem Lernschwerpunkt Deutsch für ihre in der Schulordnung festgeschriebene Regel, nach der innerhalb auf dem gesamten Gelände auch während der Pausen nur deutsch gesprochen werden soll.

"Schüler, Eltern und Lehrer der Herbert-Hoover-Schule haben die Identität stiftende Wirkung der gemeinsamen Sprache erkannt", heißt es in der Begründung des Senatspräsidenten der Deutschen Nationalstiftung, Kurt Biedenkopf. Und weiter: Die Schule habe "den Begriff der Nation durch ihr pragmatisches Verhalten mit Leben gefüllt" und nicht erst auf staatliche Regelungen gewartet."


Der Nationalpreis erscheint durch und durch national, und das in seiner ausschliessendsten Form. Die Nation definiert sich also über eine Sprache, die deutsche Sprache.

Das wird den 'Anderen Deutschen' aber nichts bringen. Sie scheitern nicht an fehlenden Deutschkenntnissen, sondern an struktureller Diskriminierung. Die taz titelt Medienrummel bringt noch keine Lehrstellen.

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Montag, 23. Januar 2006
Menschwerdung
Heute vor 31 Jahren wurde ich Mensch!

'Inderin' war ich schon voher. Aber damit war ich 'Ausländerin' und also nicht Mensch. Zumindest nicht in Deutschland, wo ich seltsamerweise einige Jahre vorher geboren wurde.

1975 aber hatte sich der deutsche Gesetzgeber (männlich) überlegt, dass auch Frauen - nur die 'deutschen' natürlich - Menschen sein könnten. Oder er war dazu gezwungen worden, was wahrscheinlicher ist. Also galt ab sofort das ius sanguinis auch für die Kinder 'deutscher' Frauen, die 'Ausländer' geheiratet hatten. Auch ich hatte nun 'deutsches' Blut in mir und Anrecht auf einen ebensolchen Pass.

mensch

Die letzten 31 Jahre habe ich sträflich vernachlässigt, diesen eigentlichen Geburtstag, meine 'Deutschwerdung' zu feiern. Das will ich nun hier nachholen. Vielleicht sollte ich rückwirkend noch den Muslimtest machen? Der soll inzwischen schliesslich für alle gelten. Und ich bin aus dem Ländle. Nicht dass die mich damals fälschlicherweise eingebürgert haben.

Mehr zum Thema auf urmila.de. Ist aber schon ein bisschen älter.

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