Samstag, 22. Dezember 2012
Ausbeutung und Aufenthaltsstatus
Die aktuelle sonntaz berichtet über die Ausbeutung von polnischen Arbeitnehmer_innen auf einem Berliner Weihnachtsmarkt. Justyna Traszkowska und Martyna Szubert gehen dagegen nun vor. Dabei hilft ihnen ihre EU-Staatsbürger_innenschaft. Andere haben dieses Privileg nicht. In einem Hintergrundartikel zitiert die taz Nivedita Prasad:

""Unser Tipp ist: Arbeitgeber sollten gar nicht erst erfahren, dass man keine Papiere hat." Sonst würden die Zahlungen sofort eingestellt. Prasad: "Die Arbeitgeber wissen, dass ein Mensch ohne Papiere nie zum Gericht gehen wird." Weil sonst der Arbeitgeber den Behörden Bescheid sagt, die dann beim Gerichtstermin auftauchen - um die Opfer der Ausbeutung abzuschieben."

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Ismen reproduzieren oder nicht
Die rechtskonservative Ministerin Schröder scheint der Zeit ein Interview zu Erziehungsfragen gegeben zu haben (siehe taz). Darin hat sie wohl gesagt, dass sie Sexismen und Rassismen, die in Kinderbüchern vorkommen, ihrer Tochter nicht unbedingt so vorliest, sondern beim Lesen Änderungen vornimmt. Die taz berichtet nun, dass es in der Union dagegen Widerstand gibt:

" „Dieser verkopfte Quatsch macht mich sprachlos“, stöhnte Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) in der Bild-Zeitung. Sie finde „es traurig, wenn unseren Kindern aus lauter Unsicherheit vor Political Correctness die starken Bilder genommen werden, die für ihre Fantasie so wichtig sind“. "

und dass der ISD Schröders Aussagen begrüßt:

"„Sehr begrüßenswert“ nannte Tahir Della, Vorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD), die Äußerungen der Ministerin, „zumal sie aus einem politischen Lager kommen, aus dem man das nicht erwartet. Es ist wichtig, Sprache und Begriffe in historischen Texten kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ersetzen.“ "

Im taz-Kommentar verweist Daniel Bax darauf:

"Auch linke und liberale Kulturschaffende tun sich hierzulande sehr schwer damit, die eigenen Traditionen kritisch zu hinterfragen, wie die anhaltenden Debatten um schwarze Figuren und „Blackfacing“ an deutschen Theatern gezeigt haben. "

Allerdings erwähnt er nicht, dass es vor wenigen Tagen einen Kommentar in der Print-taz gab, der Schröders Aussagen lächerlich gemacht hat und sich für das Beibehalten von Ismen in Kinderbüchern ausgesprochen hat. Da ich diesen Kommentar nicht online gefunden habe, habe ich noch nicht dazu geschrieben und erinnere mich jetzt auch nicht an den Namen der Autorin. Bax Kritik sollte sich aber auch explizit an die taz wenden.

Ansonsten stimme ich Bax zu:

"Wirklich überzeugend wäre ihr [Schröders] Sinneswandel aber erst, wenn sie sich von den ultrakonservativen Diskursen verabschieden würde, mit denen sie bisher aufgefallen ist. Dann wäre auch ihr Einsatz gegen Rassismus glaubwürdiger."

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Ein Rassismusproblem
Wer das taz-Interview mit dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei Bernhard Witthaut liest, kann klar erkennen, dass die Polizei ein strukturelles Problem mit Rassismus hat. Da wird dann auch klar warum Wissenschaftler_innen an Polizeiakademien , die sehen, dass es strukturelle Probleme gibt, diese nicht als Rassismus bezeichnen (können).

Witthaut weist im taz-Interview vehement von sich, dass es institutionellen Rassismus bei der Polizei gibt. Er sagt, dass vorsichtig mit dem Begriff Rassismus umzugehen sei, definiert aber nicht, was er darunter versteht. So kann ich nicht auf sein Verständnis eingehen und nur mit meinem arbeiten. Und da finde ich so einiges problematisches in dem Interview.

Vertrauen von 'Migrant_innen' will Witthaut durch interkulturelle Kompetenz erreichen. Das verschiebt das Problem nicht nur von rassistischer Ausgrenzung zu angeblichen kulturellen Missverständnissen sondern schreibt den 'Migrant_innen' auch eine andere Kultur zu.

Auf die Frage

"Im Rahmen der NSU-Affäre wurde bekannt, dass zwei Polizisten in Baden-Württemberg mal beim Ku-Klux-Klan waren. Muss die demokratische Einstellung von Bewerbern stärker kontrolliert werden?"

antwortet Witthaut mit:

"Bei der Polizei gibt es keine Gesinnungstests."

Das lässt mich doch sehr schlucken. In der Frage ging es um die demokratische Einstellung, nicht darum eine bestimmte politische Meinung zu haben. Eine demokratische 'Gesinnung' sollte doch Grundvorraussetzung für Polizist_innen in einem demokratischen Rechtsstaat sein, oder?

Dann führt Witthaut aus, warum er racial profiling für unproblematisch hält. Das käme aus dem Erfahrungswissen der Polizist_innen, die dies anwenden müssten (siehe dazu kritisch die Professorin der Polizeiakademie). Und kommt dann mit seinem ganz persönlichen Erfahrungswissen, das rassistische Bilder reproduziert, ganze Menschengruppen kriminalisiert und das in keinster Weise reflektiert:

"In der Region, aus der ich komme, gibt es zum Beispiel ein Asylbewerberheim, von dem die Polizei weiß, dass da mit Rauschgift gehandelt wird. Da leben viele Menschen aus afrikanischen Ländern, von ihnen bestimmen viele die Drogenszene. Wenn ein Polizist dann so jemanden am Bahnhof in Osnabrück sieht, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Stoff dabei hat, ziemlich hoch. Ob der Betroffene das als diskriminierend empfindet oder lediglich sauer ist, dass die Polizei seine Drogengeschäfte vereitelt hat, mag dahingestellt sein."

Und kommt dann noch mit dem scheinheilligen Totschlagargument:

"Wenn ich nichts zu verbergen habe, dann kann ich mich ja auch kontrollieren lassen, oder? "

Natürlich nicht. Wenn ich nichts zu verbergen haben, aber ständig so behandelt werde, als ob ich kriminell wäre, dann ist das überaus diskriminierend und ausgrenzend. Ausgrenzungen sieht aber Witthaut, wenn eine neutrale Stelle polizeiliches Fehlverhalten kontrollieren würde:

"Aber ich finde es falsch, die Polizei unter einen Pauschalverdacht zu stellen. Und das wird mit so einer Beschwerdestelle suggeriert."

Dabei, wenn die Polizei nichts zu verbergen hätte, dann wäre doch so eine Kontrolle ... oder gilt hier irgendwie eine andere Argumentation?

Im weiteren verschiebt Witthaut das Thema von institutionellen Rassismus in der Polizei zu Rechtsextremismus, der natürlich außerhalb der Polizei ist, und verweist auf die gewerkschaftliche Bildungsarbeit gegen Rechts. Ende der 1990er habe ich auch mal so ein Seminar angeleitet, das völlig in die Hose ging. Wir Teamer_innen habe ein Seminar über die eigenen Verstrickungen in Rassismus vorbereitet und die Gewerkschaft hat angekündigt, dass die Grenzschützer_innen was über Rechtsextremismus erfahren. Das konnte nur schief gehen.

Aber zurück zum Interview, dass Witthaut mit einem rassistischen Bild abschliesst. Auif die Frage, warum es so wenige Polizist_innen mit dem sogenannten Migrationshintergrund gibt, antwortet er doch tatsächlich:

"Unsere Anforderungen sind hoch, auch die gesundheitlichen. Aber wir sind dagegen, das Niveau der Einstellungstests abzusenken, denn wir wollen keine Polizisten zweiter Klasse schaffen. "

Auf die Frage bezogen, kann das nur heissen, dass Witthaut meint, dass die mit dem Migrationshintergrund weniger qualifiziert (auch gesundheitlich) sind als die ohne. Wie kommt er auf die Idee?

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