Montag, 25. Juli 2011
Sarrazin und Co
In den Niederlanden wurde der Rechtspopulist Geert Wilders freigesprochen, weil er sich angeblich gegen den Islam und nicht gegen die Muslime ausspricht (berichtet die taz).

Die taz druckt eine Laudatio auf Heinz Buschkowsky unkommentiert ab.

Güner Balci organisiert für Aspekte eine Provokation in Kreuzberg (sie führt mit einem Kamerateam Sarrazin durch verschiedene Orte in Kreuzberg und Neukölln - siehe z.B. taz). Sarrazin inszeniert sich daraufhin in der Welt als Opfer. Die FAZ analysiert detaliert die Inszenierungen von Balci und Sarrazin und kontrastiert diese mit dem, was auf den Videos zu sehen ist. Die Aspekte-Sendung ist im Ton dann auch viel vorsichtiger als die Artikel vorher. So werden die beiden Protestierenden nicht mehr als Mob sondern als ein Paar beschrieben. Balci spielt sich dabei aber weiterhin als ausgleichende Vermittlerin auf. Buschkowsky wiederum kritisiert via Morgenpost die Kritik an Sarrazin.

Die Aspekte-Sendung, die Artikel und die Youtube-Videos könnte mensch jetzt im Detail analysieren. Da wimmelt es mal wieder von rassistischen Aussagen Sarrazins (so z.B. wenn er den Protestierenden wegen fehlender deutscher Staatsbürgerschaft aus dem Land verweist), es kommen auch Sexismen und natürlich Klassismen vor. Was mich (die ich kein Fernsehen habe und daher bewegte Bilder von Sarrazin noch gar nicht kannte) aber meisten schockierte, war, dass er so völlig unsouverän ist und überhaupt nichts argumentieren kann. Wie kann ein solcher Mensch so ein Publikumsliebling sein?

Die Morgenpost berichtet auch über die Thesen des norwegischen Terroristen Anders B. Die sind ziemlich anschlussfähig an Sarrazin, Wilders, Buschkowsky und Co. So berichtet auch Spiegel online, dass die antimuslimische Szene jetzt durchaus Schwierigkeiten hat, sich von dem Terroristen abzugrenzen.

Nachtrag 25.07.11: anthropologi.info schreibt zu Terror in Oslo: Who cares about Christian right wing extremism?

Und tagesschau.de hat ein Interview zum Rechtspopulismus.

Die norwegische Fortschrittspartei versucht sich laut taz von ihrem früheren Parteimitglied zu distanzieren und behauptet dass ihre antimuslimische Hetze solche Terrorangriffe verhindern würden:

"Die "Fortschrittspartei"-Chefin Siv Jensen wies die Vorwürfe zurück, dass ihre Partei indirekt für den Anschlag verantwortlich sei. In einer TV-Debatte am Samstagabend erklärte sie, dass die Gefahr einer Radikalisierung verringert werde, wenn in der Öffentlichkeit Themen diskutiert werden, die offenbar weite Teile der Bevölkerung bewegen. Sie gestand aber zu, künftig zurückhaltender mit Botschaften zu sein, die "missverstanden" werden könnten. "

Auch Pro Deutschland versucht sich laut taz zu distanzieren und behauptet:

"Christen und Konservativen sei "Hass fremd". "

Im taz-Interview tut sich der konservative Politiker Inge Lønning schwer, den Terroristen mit der Mitte der Gesellschaft in Verbindung zu bringen. Er schiebt die Tag immer wieder in den Rechtsextremismus.

In einem anderen taz-Interview wird der Terrorist aber weniger als Rechtsextremist und mehr als Anhänger der populistischen Rechten beschrieben:

"Er betont, dass er kein Nazi ist, sondern ein konservativer Nationalist. "

Nachtrag 28.07.11: Robert Misik schreibt in der taz über das rechtspopulistische Klima in Europa, im dem der norwegische Täter sienen Terroranschlag vorbereitet und durchgeführt hat.

Nachtrag 30.07.11: Die gestrige Print-taz berlin berichtet, dass Balci auch für den RBB eine Dokumentation über Sarrazin zur einjährigen Veröffentlichung des Buches geplant hat. Interessant wie sie versucht, das Buch und die Diskussion in der Öffentlichkeit zu halten.

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Unterschiedliche Einordnung
Ein Mann erschiesst am Frankfurter Flughafen US-Soldaten. tagesschau.de spricht von der "Tat eines radikalisierten islamischen Einzeltäters".

Ein Mann verübt in Oslo einen Sprengstoffanschlag und erschiesst auf einer Insel über 80 junge Menschen. In einem Kommentar auf tagesschau.de wird über die "Die Gefährlichkeit des manischen Einzeltäters" gesprochen.

Warum wird der eine Einzeltäter mit einer Religion in Verbindung gebracht, während der andere als krank dargestellt wird? Warum liegt einmal die Kollektivierung nahe und einmal die Individualisierung? Warum einmal die Politisierung und einmal die Pathologisierung? Warum werden die Taten, Motive und Verbindungen zu politischen Bewegungen nicht ähnlich eingestuft?

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Dänische Festung
Im Kontext der Festigung der Festung Europa und der Spaltung der Festung durch nationale Alleingänge hatte Dänemark angekündigt, trotz Schengen-Abkommen wieder Grenzkontrollen einzuführen. Ein klarer Verstoss gegen die Grundsätze der EU und Zugeständnis zu den Rechten im Land.

Die taz hat recherchiert, wie es denn jetzt an der Grenze aussieht und ist der Meinung es handelt sich um ein "dänisches Phantom". Tatsächlich wären die Kontrollen kaum verschärft, der Grenzverkehr zwischen Süddänemark und Schleswig-Holstein verliefe wie vorher auch.

Alles also gut? Das bezweifele ich. Denn bei solchen politischen Ankündigungen geht es nicht nur (oder vielleicht noch nicht mal vorallem) um das was tatsächlich passiert. Durch die Ankündigung wird eine Haltung ausgedrückt und Angst produziert. Menschen, die wissen, dass sie ungewollt sind (z.B. weil sie rassistisch ausgegrenzt werden), verstehen diese Drohung und werden durch sie bedroht, auch wenn es de facto kaum mehr Kontrollen gibt. Die Drohung ist kein Phantom, sondern hat ganz reale Konsequenzen für jene, die sich durch sie bedroht fühlen sollen.

Und es gibt auch schon Nachahmende: die taz berichtet über Dänemark an der Neiße:

"Drohen dänische Verhältnisse nun auch an Oder und Neiße? Geht es nach Klaus-Dieter Hübner, dann ja. Am Dienstag hat der Gubener Bürgermeister vorgeschlagen, an der Grenze zu Polen wieder Kontrollen einzuführen. Es sei zwar politisch nicht schick, darüber zu reden, aber Grenzkontrollen seien durchaus ein Mittel, um die Kriminalität einzudämmen. Er könne Dänemark gut verstehen. "

Kein Phantom sondern eine Festung, die durchlässig für einige ist.

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Entwicklungen
Während laut taz in Mecklenburg-Vorpommern die CDU die Gemeinschaftsunterbringung für Asylbewerber_innen mit deren sozialen Inkompetenz begründet, sieht die taz in Brandenburg einen "Flüchtlingspolitischer Frühling". Und auf Bundesebene entfällt laut taz für Schulen die Meldepflicht für papierlose Schüler_innen.

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