Dienstag, 14. September 2010
Sarrazin ohne Ende
Zwei Wochen war ich im Urlaub. Im Funkloch und ohne Internetzugang. Sehr entspannend. Nur ab und zu, wenn ich an einem Zeitungsständer, die Titelseiten der deutschen Zeitungen überflog, bekam ich das Grausen. Jeden Tag war Sarrazin auf den Titelseiten. Er selbst interessiert mich nicht so sehr. Das es Menschen gibt, die hemmungslos Rassismus und Klassismus von sich geben, ist leider so. Das Schlimme ist, dass ihm so viele zuhören und seine Thesen weiter verbreiten. Wenn wir in einer Gesellschaft leben würden, die klar Rassismus ablehnt, dann würde Sarrazin als rassistischer Spinner abgetan und wir würden uns wichtigeren Themen widmen. Aber wir leben in Deutschland ganz offensichtlich in einer Gesellschaft, in der rassistische Argumentationen durchaus mehrheitsfähig sind. Und das ist sehr erschreckend.

Am liebsten würde ich den Kopf in den Sand stecken. Bloss nichts lesen. Mich wieder wegwünschen. Aber das geht nicht. Schon beim Rückflug wurde ich vom Flugbegleiter in ein langes Gespräch über Buschkowskys Interview im Stern zu Sarrazin verwickelt. Er wollte von mir erklärt bekommen, warum ich nichts von Buschkowsky halte, wo er doch Sarrazins biologischen Rassismus kritisiert. Er fragte mich, ob den Sarrazin nicht eine sinnvolle Diskussion angestossen habe.

In meiner Mailbox zu hause erwartete mich dann eine Email einer Migrationsforscherin hier aus Berlin. Sie war in einer der Talkshows aufgetreten und bekommt jetzt per Mail nicht nur Beleidigungen sondern auch ganz konkrete Bedrohungen. Eine sinnvolle Diskussion ist sicher nicht angestossen worden. Die rassistische Realität zeigt sich noch hemmungloser.

Nachtrag 11.10.10: Im taz-Interview sagt der österreichische Wissenschaftler Klaus Ottomeyer:

"Ich habe immer gedacht, Deutschland sei nicht so schlimm wie Österreich, wo eine ausländerfeindliche Bewegung ein Viertel der Wähler erreicht. Jetzt weiß ich es besser. "

Nachtrag 24.02.11: In Halberstadt laden laut taz evangelische Pfarrer zu einer öffentlichen Diskussion ein. Einer davon sagt:

"Auch zwischen dem Engagement der evangelischen Kirche gegen Rechtsextremismus und Rassismus und Sarrazins Thesen sieht Kunze keinen Widerspruch: "Ich kann in seinem Buch keine eindeutig islamfeindliche Haltung erkennen.""

Derweil wird ein 32jähriger, der einen Mann aus dem Irak erstochen hat, wegen Totschlags verurteilt. Die taz berichtet:

"Der Haftbefehl hatte auf Mord gelautet. "Hinreichende Anhaltspunkte für eine ausländerfeindliche Motivation" bei der Tat hätten sich bei den Ermittlungen nicht ergeben, teilte die Staatsanwaltschaft nun mit."

und weiter: "E. hat laut Ermittlern Tattoos, die darauf hindeuten, dass auch er zur rechten Szene gehört."

In Deutschland ist niemand rassistisch, ausser natürlich den 'Ausländer_innen', die deutschenfeindlich sind.

Nachtrag 24.02.11: Die taz berichtet, dass Sarrazin
in Halberstadt nun doch wieder ausgeladen wurde.

Nachtrag 10.04.11: Wenn ich die taz richtig verstehe, wurde Sarrazin wieder nach Halberstadt eingeladen.

Und the Beaver berichtet, dass im Februar die German Society der Londons School of Economics Sarrazin eingeladen hatte (zusammen mit Broder, Kizilkaya und Karasek).

in: rassistisch ... link