Sonntag, 20. August 2006
Integration und Norm
Christian Kortmann argumentiert in der taz unter dem Titel Die Freiheit, fremd zu sein gegen die allgemeinen Forderungen nach 'Integration'. Auch wenn ich einiges in dem Artikel problematisch finde: insbesondere die Annahme, dass es eine allgemeine Freiheit gibt, 'fremd zu sein', dass es unterschiedliche Kulturen gibt, dass Kortmann gar nicht über Machtverhältnisse und Rassismus spricht, stimme ich seinen Argumenten gegen den Normzwang zu:

"Denn die von der Mehrheit definierte und gewünschte Norm ist nicht per se erstrebenswert. Von ihr geht nämlich seit jeher ein immenser Druck aus, Außergewöhnliches zu stutzen, um es ins herrschende Mittelmaß einzupassen."

Interessant ist, wer die Definitionshoheit über die 'Norm' hat und mit welchen Machtmechanismen sie durchgesetzt wird, wer ausgeschlossen und wer eingeschlossen wird. Im Gegensatz zu Kortmann bin ich der Meinung, dass der Anpassungszwang an eine 'Norm' per se negativ zu bewerten ist.

Kortmann spricht später im Text auch von 'Parallelgesellschaften':

"Im Grunde leben wir doch alle parallel nebeneinander her, in relativ harmonischer Desintegration. Denn Parallelgesellschaften konstituieren sich nicht nur über ethnische Zugehörigkeiten. Ebenso können ein Hobby, etwa der Reitsport, eine ökologisch-alternative Weltanschauung, die sich über den Einkauf im Bioladen definiert, oder die Mitgliedschaft im Fanclub von Tokio Hotel einen ganzheitlich-esoterischen Lebensstil hervorbringen."

Hier teile ich nicht seine Meinung, dass dieses Zusammenleben generell 'harmonisch' verläuft. Ich sehe aber wie er viele 'Parallelgesellschaften', die in 'unserer' Gesellschaft verwoben (also nicht parallel sind), an denen sich niemand stört. Die Frage ist dann wieder, warum stört sich die 'Mehrheit' an einigen und an anderen nicht, wer hat die Definitionshoheit und mit welchem Ziel.

Bei der Forderung nach 'Integration' geht es um die Konstruktion der 'Anderen', um Macht und Machterhalt.

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