Mittwoch, 26. September 2007
Die Wissenschaft beweist
Mit dem Satz "Was oft vermutet wurde, ist nun auch wissenschaftlich nachgewiesen" kann eigentlich nur eine Satire auf die Wissenschaft beginnen. Aber das war wohl nicht das Ziel des taz-Artikels über eine vom LSVD in Auftrag gegebene Studie. Der Artikel setzt sich ganz ernsthaft mit der Studie auseinander und meint, dass diese beweist, dass: "Jugendliche mit Migrationshintergrund sind deutlich schwulen- und lesbenfeindlicher als ihre deutschen Altersgenossen."

Mir ist dabei unter anderem folgende wissenschaftliche Aussage völlig schleierhaft:"Der Autor Bernd Simon glaubt, dass die Studie die tatsächliche Homophobie unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund eher unter- als überschätzt. "Die Ergebnisse wären möglicherweise noch drastischer ausgefallen, wenn wir in Hauptschulen gefragt hätten.""
Wie soll das jetzt miteinander zusammenhängen? Und woraus kann ich schließen, dass die 'Muslime' eigentlich noch viel homphober sind?

Die taz zitiert auch eine Islamwissenschaftlerin, die die Ergebnisse hinterfragt, aber mit folgender Aussage trotzdem daneben liegt: "Zwar sei in muslimischen Ländern die Homosexuellenfeindlichkeit schon deshalb angelegt, weil die Familie eine wichtige Stellung habe. "Da genießt die gleichgeschlechtliche Liebe nicht den Schutz von Gesellschaft und Religion""
Das mag wohl so sein, dass in muslimischen Ländern, die gleichgeschlechtliche Liebe nicht den Schutz von Gesellschaft und Religion genießt. Nur tut sie das in Deutschland auch nicht.

Gut, dass die taz auch ein Interview mit Gürkan Buyurucu von Gladt abdruckt, das zeigt, dass der Wissenschaft wenn sie Vorurteile bestätigt, nicht unbedingt zu glauben ist:

"Ich kann nicht bestätigen, dass türkischstämmige Jugendliche zu 80 Prozent homophob sind. Diese Aussage ärgert mich. Jetzt sind Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht nur potenzielle Kriminelle, sondern auch noch homophob. Ich glaube nicht, dass Deutsche weniger Probleme mit Schwulen haben. Aber sie wissen, dass diese Einstellung von der Gesellschaft nicht erwünscht ist."

Ich fühle mich ehrlich gesagt auch nicht wirklich homophober als meine "deutschen Altersgenossen". Und vom LSVD fühle ich mich als "Betroffene" auch nicht vertreten, ich fühle mich eher von dessen Rassismus und Islamophobie sehr betroffen.

Die Wissenschaftlerin Jin Hariataworn hat unter anderem im Sammelband re/visionen zu "Queer-Imperialismus: Eine Intervention in die Debatte über 'muslimische Homophobie'" geschrieben.

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buch
Oh danke für den Buchhinweis. Werd ich mir demnächst mal besorgen. Das Inhaltsverzeichnis liest sich spannend!
Gerade habe ich das nächste Desaster in der Taz von Feddersen entdeckt. War ja klar, dass der auch nochmal seine Meinung dazu Kund tun musste... und sich in seiner Begriffs- und Konzepte-Verwendung mal wieder total unsensibel zeigt. Bei seinem Tonfall kriege ich immer wieder so rote Punkte im Gesicht. Ich frage mich, ob er gestern wohl mal das Interview mit Gürkan Buyurucu gelesen hat? Wahrscheinlich eher nicht.

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Dessen Artikel lese ich schon lange nicht mehr. Da kommen immer viel zu viel Aggressionen in mir hoch und das will ich mir nicht antun. (Ich hoffe, ich tue ihm irgendwann unrecht und er fängt an lesbare Artikel zu schreiben. Dann will ich ihn auch gerne lesen.)

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Meine ganz persönliche und vor allem ganz unwissenschaftliche Meinung ist wohl auch sehr streitbar. Ich denke, jugendliche Männer haben grundsätzlich konkretere sexuelle Phantasien. So nehmen sie die Konfrontation mit Homosexualität persönlich und haben das Bedürfnis, sich davon zu distanzieren um ihrem Bild von einem Mann gerecht zu werden.

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Meine persönliche und noch streitbarere These besteht darin, dass Jugendliche meist dämlich sind und sich im Gruppenzwang heimisch fühlen. Dieser drängt zur Uniformierung und somit wird alles was anders erscheint erst einmal negativ beurteilt. Da Sexualität in diesem Alter ein immens wichtiges Thema ist und Homosexuelle eine Minderheit darstellen, wird Homophobie wahrscheinlich, wenn man nicht gesellschaftlich in die Richtung erzogen wird, dass Homosexualität und sowieso Andersheit ganz normal ist. Leider findet diese Erziehung in vielen Familien, ob mit oder ohne "Migrationshintergrund", nicht statt. Ob der Prozentsatz sich allerdings unterscheidet, dass ließe sich sicher empririsch irgendwie hinterfragen.

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Die beste "Erziehung" ist immer noch Konfrontation: wenn man Andersheit erlebt statt der Eltern, die es schon sehr kritisch finden und das auch allerorten bermerke, dass nun 80% der Kinder in der Klasse ihrer Tochter "türkisch" sind, bewirkt das viel. Der taz-Artikel jedenfalls zeigt mal wieder wie "alternativ" die Zeitung noch ist. Weder wird die Studie wirklich vorgestellt noch findet irgendeine Reflektion statt.

Was mich interessieren würde: hat sich hier schon jemand kritisch mit den Thesen Pinkers bzw. der Evolutionspsychologie auseinandergesetzt (oder was dazu gelesen...?)? Der Herr bestätigt ja auch so einige Vourteile (das Hobbe'sche Menschenbild zum Beispiel, Intelligenz sei genetisch bedingt, Kriege liegen in der Natur des Menschen, widerlegt teilweise die Konstruiertheit von Geschlect) naturalistisch und ich kann nicht recht glauben, dass diese biologistische Aufwärmung nicht ernsthaft widerlegt werden kann...

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