Dienstag, 5. Dezember 2006
Borat
Kürzlich war meine Mitbewohnerin hier im Armidaler Kino. Sie kam ziemlich verwirrt wieder. Nicht wegen des Kinos, sondern wegen des Filmes. Sie meinte, der war durchgängig rassistisch, ging so gar nicht, eigentlich wollte sie rausgehen, aber sie konnte es nicht glauben. Sie hat die ganze Zeit auf die Auflösung gewartet. Ein Ende, dass den Film in eine Kritik am Rassismus umwandelt. Sie kann sich gar nicht vorstellen, dass er einfach nur rassistisch ist. Sie vermutet(e) irgendwie Antirassismus durch absolute Überspitzung rassistischer Stereotypen und Witze, die sich so selber entlarven sollen. Aber irgendwie hat der Film die Auflösung am Ende nicht gegeben. Sie bleibt verwirrt. Und meint das auch bei den anderen KinogängerInnen gesehen zu haben.

Ich habe schon einiges über den Film gehört und gelesen. Ich werde mir ihn mir nicht ansehen und kann mir daher auch keine eigene Meinung bilden. Aber bei soviel kritischre Berichterstattung und der Beschreibung meiner Mitbewohnerin scheint er zumindest fragwürdig zu sein.

Ich finde es sowieso immer fragwürdig, wenn man sich über eine andere Gruppe, als man selber sich zugehörig fühlt, lustig macht. Wenn sich in der britischen Comedyserie "Goodness Gracious Me" 'InderInnen' über 'InderInnen' und ihre Interaktion mit 'BritInnen' lustig machen, ist das ein selbstbewusster Umgang mit Rassismuserfahrungen und ich finde es sehr witzig (und gleichzeitig sehr ernst). Wenn aber ein 'britischer' Comedy-Macher sich eine 'kasachische' Identität zulegt und dann über alles und jeden herzieht, hört sich das für mich problematisch an.

Ich verstehe es daher gut, wenn es viel Kritik gibt. Im australischen Fernsehen wurde von Kritik aus Kasachstan berichtet. Vor einiger Zeit habe ich entweder in der taz oder auf tagesschau.de gelesen, dass sich Roma in Deutschland beschwert haben. Nun berichtet tagesschau.de über eine Klage von 'rumänischen' Roma. Der Bericht nimmt sie nicht wirklich ernst. Damit wird die Entwürdigung weiter getrieben.

Nachtrag 10.12.06: Die Meinungen zu dem Film scheinen sehr geteilt. Ich habe ihn immer noch nicht gesehen. Aber meine Gastgeberin hier in Sydney war gestern drin, hat sehr gelacht und fand ihn eine gelungene Kritik an den USA.

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Montag, 4. Dezember 2006
Weihnachtspflicht
Ich habe meinen Rückflug bewusst nach Weihnachten gelegt. Mir liegt nicht viel an diesem Ritual. Ein nettes Familientreffen mag ich, aber muss es mit dem symbolisch aufgeladenen Datum Weihnachten zusammenfallen?

Weihnachtsmann in Sydney

Also, ich bin bewusst Weihnachten hier. Und mir fehlt auch nichts, wenn ich Weihnachten alleine bin. Dass ich jetzt schon mehrere Einladungen zu privaten Weihnachtsfeiern bekommen habe, ist sehr nett. Aber es ist auch ein Zeichen dafür wie unglaublich dominant diese Feier ist, wie wenig frau sich ihrer entziehen kann.

Dabei feiert der Großteil der Menschheit Weihnachten nicht. Es geht auch ohne. Da finde ich es nur gut, wenn auch Kindergärten in Deutschland darauf reagieren und auf Weihnachtsfeiern verzichten. Dass christliche ReligionspädagogInnen dagegen Sturm laufen ist auch klar. Die müssen schließlich das christliche Abendland retten.

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Treptower Park
"Zwei Treptower haben gestern Morgen möglicherweise einen Angriff von rechtsgerichteten Männern auf zwei dunkelhäutige Menschen verhindert. Die 31-jährige Frau und ihr 26-jähriger Begleiter nahmen die beiden Ausländer gegen 4 Uhr in einer S-Bahn auf dem Ring gegen eine verbale volksverhetzende und rassistische Attacke in Schutz, wie die Polizei mitteilte. Die Gruppe von etwa zehn Rechten war an der Frankfurter Allee zugestiegen und grölte in der Bahn herum. Als die beiden Ausländer am Ostkreuz einstiegen, wurden sie sofort rassistisch beleidigt. Der 26-jährige Treptower verbat sich ein solches Verhalten. Beim Ausstieg am S-Bahnhof Treptower Park stießen drei der rechten Männer den 26-Jährigen zu Boden. Einer von ihnen trat gegen den Kopf des Treptowers, bevor die Polizei zur Stelle war. Der Staatsschutz ermittelt." berichtet die taz berlin.

Gut, dass es auch in Treptow Zivilcourage gibt. Ich gehe aber nach wie vor lieber durch den Wrangelkiez zum Schlesischen Tor als nachts durch Treptow.

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Freitag, 10. November 2006
Vorurteil
Auf tagesschau.de gibt es heute aus gegebenen Anlass einen Artikel zum Thema Antisemitismus mit der Überschrift Die Geschichte eines Vorurteils. Was für ein unglaublich Verharmlosung! Weder bei Antisemitismus noch bei Rassismus, Islamophobie, Sexismus oder Homophobie geht es um Vorurteile. Das Konzept des Vorurteils unterstellt, dass es tatsächliche Differenzen gibt und frau nur die falschen Vorstellungen darüber hat. Darum geht es aber nicht. All diese -ismen und -phobien sind Differenzlinien, die konstruiert werden, um Machtstrukturen zu legitimieren und zu festigen. Es geht nicht drum, was die 'Juden' machen, sondern dass 'wir' die 'Juden' erst als Kategorie festschreiben und dann ausgrenzen.

Der Rest des Artikels ist nicht wirklich besser:

"Es ist allerdings nicht so, dass derjenige, der antisemitische Stereotype verwendet, auch zwangsläufig Antisemit sein muss. ...

Ein Paradebeispiel dieser Art findet sich bereits im historischen "Berliner Antisemitismusstreit" von 1879: Damals veröffentlichte der liberale Geschichtsprofessor Heinrich von Treitschke einen Artikel, der die Juden angriff und ihnen vorwarf, ihr Verhalten provoziere den Ausruf "die Juden sind unser Unglück"."


Was bitte daran ist nicht antisemitisch?

"Obwohl Treitschke ganz sicher kein gewalttätiger Antisemit war, machten die Nazis seinen Spruch 50 Jahre später zum Motto ihres Hetzblattes "Der Stürmer"."

Soll das heißen, dass antisemitische Einstellungen erst dann antisemitisch werden, wenn sie von Gewalt begleitet werden? Meistens sind die Vordenker von gewalttätigen Ideologien nicht selber gewalttätig. Sie legitimieren durch ihre Schriften aber Gewalt.

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Donnerstag, 9. November 2006
Mitte der Gesellschaft
Die taz berichtet über eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zu Rechtsextremismus in Deutschland (pdf):

"Brähler und sein Kollege Oliver Decker bestätigten andere Studien, nach denen Rechtsextremismus keine gesellschaftliche Randerscheinung ist. Knapp 60 Prozent der Deutschen mit gefestigtem rechtsextremem Weltbild wählen Union, SPD oder Grüne. "Rechtsextremismus ist eigentlich der falsche Begriff", sagt Brähler, "er verschleiert, dass derartige Einstellungen längst in unserer Mitte zu Hause sind.""

Es geht nicht um den Rechtsextremismus von ein paar verwirrten Köpfen, es geht um die rassistische Strukturierung der Gesellschaft, die sich in den Institutionen und den Einstellungen reflektiert. Studien zu Rechtsextremismus (auch die zitierte) berücksichtigen dabei immer nur die Extreme. Rassismus ist noch viel mehr in der Mitte der Gesellschaft verankert.

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Sonntag, 5. November 2006
Schwarzfahrer
Eine Bekannte schrieb mir:

"Auf der Rückreise hat uns ein Schaffner einigen Stress gemacht mit der Behauptung, meine Fahrkarte sei ungültig - falsch am Computer ausgedruckt. Wir sollten gleich zahlen oder die Sache würde direkt an ein Inkassobüro gehen. Mein Mann hat sich geweigert zu zahlen. Ein netter Mitfahrer nebenan wurde ziemlich ruppig. Der nette Schaffner hätte uns doch alles gut erklärt und mein Mann solle nicht so halsstarrig sein. Einige Zeit später kam der Schaffner kleinlaut zurück. Er hätte sich geirrt und gab uns zwei Getränkegutscheine. Der liebe Mitfahrer war inzwischen ausgestiegen und wird seinen Leuten von dem schwarzfahrenden Schwarzen erzählen."

Mehr zu Rassismuserfahrungen des Ehepaars hier.

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Donnerstag, 2. November 2006
Rassistische Werbung
annabexis hat zu einem besonders eindeutigen Motiv gebloggt.

Nachtrag 03.11.06: Und zu rassistischer Werbung in anderer Form gibt es mehr bei katunia.

Nachtrag 06.11.06: Kyla kommentiert aus Pakistan.

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Mittwoch, 1. November 2006
Nichts Neues vom Fußball
Und: "Neuruppin ist nicht so schlimm, da haben uns kürzlich nur zwei, drei Zuschauer beleidigt. Das empfindet man schon als harmlos."

Mehr zu den alltäglichen Erlebnissen von 'Anderen Deutschen' Fußballspielern in der taz berlin.

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Montag, 30. Oktober 2006
Wann ist die Schwelle überschritten?
Vor ein paar Tagen hatte die Vorsitzende des Zentralrats der Juden Charlotte Knobloch erklärt: antisemitische und rechtsradikale Aktionen hätten bereits "eine Öffentlichkeit und eine Aggressivität erreicht, die an die Zeit nach 1933 erinnern" (zitiert nach einem taz-Kommentar).

Der Kommentator Christian Semler hält diese Aussage nicht nur für falsch sondern für fatal:

"Charlotte Knoblochs Irrtum besteht nicht nur in ihrer Interpretation der Fakten. Mit der Zeitbestimmung "nach 1933" suggeriert sie mit ihrem Vergleich eine Fatalität, die vom Terror des Frühjahrs 1933 bis hin zum Völkermord an den Juden reicht."

Auch ich habe gestutzt, als ich das Zitat gelesen habe. Nach 1933 war die NSDAP an der Macht und das ist sie heute nicht. Aber ich habe mich gefragt, ob wir denn erkennen wü(e)rden, wenn die Schwelle zum Umkippen in ein totalitäres System erreicht ist. Woher wissen wir, wann Gewalt und antidemokratisches Verhalten noch kontrollierbar sind und wann sie Überhand nehmen? Sind wir vielleicht schon wieder gefährlich nahe dran? Und weißt uns Knobloch (und andere) daraufhin, damit wir noch rechtzeitig etwas dagegen machen können?

Heute bringt die taz eine Kurzmeldung:

"30 bis 40 Rechte haben gestern Nacht wahllos Passanten an einem U-Bahnhof im Berliner Stadtteil Friedrichshain angegriffen. Daraufhin wurden die Unbekannten offenbar von einer linksgerichteten Personengruppe attackiert und flüchteten beim Eintreffen der Polizei. Zwei Tatverdächtige wurden festgenommen."

Diese öffentliche massive Präsenz von gewaltbereiten Rechten hat es vor ein paar Jahren noch nicht gegeben. Warum trauen die sich das inzwischen? Wie hat sich die Gesellschaft verändert, dass sie sich das trauen können? Können wir die Gefahr wirklich so einfach abtun?

Nachtrag 06.11.06:

Nach der Tat habe es rund 45 Minuten gedauert, bis die Polizei eintraf, berichteten Röpke und ihr Begleiter gegenüber tagesschau.de übereinstimmend. Auch die später eingetroffenen Sanitäter hätten mehrmals über Funk Polizeikräfte angefordert, da sich vor dem Supermarkt immer mehr Neonazis sammelten. Die Journalistin bat viele Augenzeugen darum, eine Zeugenaussage bei der Polizei zu machen, doch niemand sei dazu bereit gewesen, so Röpke. "Alle hatten Angst!" berichtet tagesschau.de.

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Mittwoch, 25. Oktober 2006
'Weiße' Geschichte - deutsche Version
Auch in Deutschland ist die Kolonialgeschichte im öffentlichen Straßenbild allgegenwärtig. Allerdings muss frau sich schon ein wenig mit ihr beschäftigt und sich sensibilisiert haben, um sie wahrzunehmen. Wer kennt heute denn noch Lothar von Trotha, der massgeblich am Völkermord an den Hereros beteiligt war?

Es gibt einige Initiativen, die gar nicht so heroische deutsche Kolonialgeschichte wieder sichtbar zu machen und gegen die Ehrung der Kolonisierer und die Reproduktion von Rassismen in Straßennamen etc. vorzugehen. In Berlin gibt es unter anderem eine Studierendenaktion zur Umbennenung der Mohrenstrasse.

In München will laut taz der Stadtrat die Von-Trotha-Strasse in Hererostrasse umbennennen, um an die Opfer zu erinnern.

Unter aktiver Teilnahme der CSU wehren sich jetzt AnwohnerInnen dagegen, unter anderem mit folgender Begründung:

"Die Hereros haben schließlich vor 200 Jahren in Namibia die dort lebenden Buschmänner massakriert, deswegen haben wir massive Bedenken gegen den neuen Namen", fasst Kronawitter die Meinung vieler aus München-Trudering zusammen.

Unglaublich!

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