Mittwoch, 12. Juli 2006
Sicherheit
Zu dem Jahrestag der Londoner Terroranschläge schrieb die taz:

"Man wird den Verdacht nicht los, dass die Regierung mit dem Terror-Schreckgespenst politische Zwecke verfolgt. Natürlich kann man neuerliche Anschläge nicht ausschließen, aber die ständige Beschwörung der Bedrohung soll die Bevölkerung offenbar mürbe machen für verschärfte Kontrollmaßnahmen, wie Blair sie sich wünscht: mehr Mittel für antiterroristische staatliche Institutionen, Personalausweise mit genetischem Fingerabdruck, Ausweisung von suspekten Ausländern, Internierung von Verdächtigen ohne Anklage."

Ein ähnliches Gefühl bekommt frau auch, wenn Schäuble über die Sicherheitsvorkehrungen während der WM spricht. Das Schreckgespenst des Terrorismus ermöglicht gerade massive Eingriffe in die Grundrechte.

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Sonntag, 25. Juni 2006
Piefke
Piefkes werden hier nicht gerne gesehen. Sie haben ihre Nase zu weit oben, haben die Nazis gebracht und noch so einiges. Und als Piefke fällt eine schnell auf. Die Sprache verrät eine. Es heisst Sessel, Obi gesprizt, Marillen. Und zum Kartoffelpuffer gibt es natürlich kein Apfelmus. Es ist schon spannend, wie unterschiedlich die gleiche Sprache sein kann. Und noch spannender wie alle der Meinung sind, sie sprechen die einzig richtige Form. Die Wienerin meinte, na die beiden hören sich doch sehr ähnlich an, haben den gleichen Akzent. Die Piefkes lachen sich tot, das ist doch kein Akzent, das ist doch das 'richtige' Deutsch.

Die 'ÖsterreicherInnen', höre ich, sollen sehr patriotisch sein, und auch die Piefkes diskriminieren. Das mag schon unangenehm für letztere sein. Sicher. Würde mich auch nerven, immer auf irgendeinen unterstellten 'nationalen' Charakter reduziert zu werden. Aber die Piefkes sind natürlich überhaupt nicht besser. Die finden die 'ÖsterreicherInnen' drollig, nehmen sie nicht ernst, argumentieren, dass das Wort Mücke doch mehr Sinn macht als das Wort Gelse. Und sie laufen anlässlich der WM auch hier in Wien mit Deutschlandfahnen durch die Gegend. Wirklich gefährlich scheint das nicht zu sein. Auch wenn die Piefkes hier nicht gemocht werden, so droht doch nicht der Baseballschläger.

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Montag, 8. Mai 2006
Uniformen statt Problemlösung
Ein wunderbarer Vorschlag von der Bundesjustizministerin. 'Wir' wissen nicht, wie 'wir' mit Vielfalt im Land umgehen können. Zwei Burkaträgerinnen bringen eine Schule durcheinander. Und das lösen wir indem wir Schulinformen einführen. Wenn das nicht innovativ ist. Und so viel einfacher als uns mit den Problemen an der Schule wirklich auseinander zu setzen.

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Samstag, 29. April 2006
Erster Mai
In der taz berlin zum Kreuzberger Myfest:

"Der Frust ist groß bei vielen Berliner Migrantinnen und Migranten: Als ausgrenzend, sogar kriminalisierend erleben sie die Debatten um Gewalt an Schulen oder Moscheeneubauten in Berlin. Dass dieser Frust am diesjährigen 1. Mai zu Randale führen könnte, befürchtet in Kreuzberg dennoch niemand.

"Wir kennen es ja nicht anders", sagt eine Sozialarbeiterin türkischer Herkunft, die namentlich nicht genannt werden möchte. "Der Frust ist doch immer da", sagt auch Levent Gülfirat vom Jugendtreff Omayra, der vor allem von türkisch- und kurdischstämmigen Jugendlichen besucht wird. Steine schmeißen würden die Jugendlichen deshalb aber nicht, sagt Gülfirat. Er meint jedoch: "Der Eindruck, dass so etwas drohen könnte, wird bewusst erweckt." Der "böse Ausländer" sei zurzeit eben ein gutes Thema."


Die 'AusländerInnen' sind es schon so gewöhnt, dass sie ausgegrenzt, diskriminiert, zum Sündenbock gemacht werden, dass sie es als Normalität erfahren.

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Donnerstag, 20. April 2006
Trennung von Staat und Kirche
dachte ich wäre eine der Grundlagen unseres Staates. Aber da muss ich mich wohl getäuscht haben. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen stellt heute ein 'Bündnis für Erziehung' vor, in dem beide großen christlichen Kirchen mitarbeiten. Kritik kommt von vielen Seiten: VertreterInnen anderer Religionen (Juden und Muslime) beklagen, dass sie nicht einbezogen werden. ErziehungswissenschaftlerInnen und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft bekklagen, dass weder Eltern noch ErzieherInnen udn LehrerInnen eingeladen wurden. Aber von der Leyen ficht das nicht an:

"Es geht um Erziehung im christlichen Glauben, und zwar auf den christlichen Werten, auf denen ja unser Abendland fußt."

Wer sich das ganze Interview vom WDR anhört, wird merken wie wenig von der Leyen ihre Position vertreten kann. Allen kritischen Fragen des Reporters weicht sie aus und kommt darauf zurück die Bedeutung der Kirchen zu betonen.

Mit diesem Vorgehen stösst sie nicht nur Angehörige anderer Religionen vor den Kopf sondern auch all jene, die säkular eingestellt sind. Und die Wessi von der Leyen hat natürlich auch mal wieder den Osten nicht im Blick, wenn sie davon spricht, dass im Westen 50% der Kindergärten in christlicher Trägerschaft sind.

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Freitag, 14. April 2006
Traditionen und Rituale leben und pflegen
Kürzlich in meiner Mailbox:

"Sehr geehrte Damen und Herren der Deutsch-Indischen Gesellschaft,

wir von der TV-Produktionsfirma ...produzieren verschiedene Reportagen und Magazinbeiträge für den deutschen Fernsehmarkt. Momentan recherchiere ich für ein neues TV-Projekt. Gerne würden wir ein neues Tauschformat produzieren, in dem wir „fremde“ Kulturen vorstellen und jeweils ein Familienmitglied aus der Familie mit einem aus einer anderen Familie tauschen. Ich fände es sehr interessant einmal die indische Kultur im TV vorzustellen und bin deshalb momentan auf der Suche nach einer indischen Familie, die offen und sympathisch ist sowie ihre Traditionen und Rituale leben und pflegen.

..."


Das fände ich auch interessant, die 'indische' Kultur vorgestellt zu bekommen.

Was das wohl sein mag? Puja vor Götterstatuen? Essen mit den Fingern? Farbenfrohe Gewänder?

Zu Ostern haben wir immer Ostereier im Garten gesucht. Ob das zu den Ritualen gehört, die sie meint?

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Sonntag, 9. April 2006
Alltägliches Othering
"Mein Traummann, ich spürte es sofort, war schwer enttäuscht. Ich weiß nicht, was schlimmer für ihn war: dass ich den tollen Schritten, die er mit so viel Mühe in der Tanzschule gelernt hatte, nicht folgen konnte oder dass ich ihn nicht wegen seiner (für mich antrainierten) Geschicklichkeit bewunderte. Na ja, zumindest hat er durch mich erfahren, dass nicht alle Lateinamerikaner "Salsa tanzen können", zumindest nicht in dem Stil, wie die meisten Deutschen es erwarten. Es gibt sogar jede Menge Lateinamerikaner, denen hängt Salsa zu den Ohren heraus. Ich könnte mir vorstellen, dass es auch viele Deutsche gibt, die keine Blasmusik mögen."

beschreibt Mariella Checa im taz mag eine ihrer vielen Erfahrungen von Othering in Deutschland. Und schliesst den Artikel mit:

"Denn man braucht nicht unbedingt mit Fremdenfeindlichkeit konfrontiert zu werden, um sich "außerhalb" zu fühlen. Es reichen die täglichen Kleinigkeiten: nicht angesprochen, angeschaut oder begrüßt zu werden. Nicht ernst genommen zu werden."

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Freitag, 7. April 2006
Othering an den Schulen
Nachdem der erste Medienhype zur Rütli-Schule abgeebbt ist, die absurdesten Forderungen gestellt wurden, kommen langsam auch vernünftigere Stimmen zu Gehör. Die taz hat Ute Erdsiek-Rave, die Kultusministerin Schleswig-Holsteins interviewt. Die sich vehement gegen die momentane Stimmungsmache ausspricht und schaut genauer auf das eigentliche Problem:

"Aber ich bin dagegen, diese Schüler ständig als defizitär hinzustellen. Das sind Kinder, die etwas ganz Großartiges leisten, indem sie schon vor der Schule eine zweite Sprache lernen. Warum sollen diese Kinder dafür bestraft werden, indem wir sie aussondern? Wir bereiten ihnen damit schon am Beginn ihres Bildungswegs die erste Demütigung. Das ist pädagogisch falsch und fatal für das Selbstbewusstsein. Sechsjährige merken genau, wie man über sie spricht und mit ihnen umgeht."

Hier beschreibt sie sehr genau die strukturellen Prozesse des Otherings an deutschen Schulen, die schon früh dafür sorgen, dass 'Andere Deutsche' nicht die gleichen Startchancen haben wie 'Weiße Deutsche'. Das Nicht-Anerkennen von Mehrsprachigkeit ist eine Form des Otherings. Die wiederholte Erfahrung als defizitär angesehen zu werden, macht die Sozialisation aus. Wenn dieser strukturelle Rassismus angegangen wird, dann lassen sich viele Probleme verhindern.

Leider verharrt aber auch Ute Erdsiek-Rave in einem kulturalistischen Bild von den 'Migrantenkindern':

"Vor allem viele pubertierenden Jungen mit Migrationshintergrund, die ein archaisches Wertesystem in ihren Familien erleben."

Hier spielt wieder das Bild der rückständigen 'muslimischen' Familie mit rein. Schade.

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Mittwoch, 8. März 2006
Zu stark philosophisch
Vor einem guten Jahr hat der Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky bundesweit Schlagzeilen mit seiner These "Mulitkulti ist gescheitert" gemacht. In Berlin ist er für solche Aussprüche schon länger bekannt, am Montag wurde er von der taz berlin interviewt. Auf den ersten Blick scheint es meinst ganz überzeugend, was er so sagt. Man muss die Probleme anpacken, etc. Ein Praktiker eben, dem das Integrationskonzept des Berliner Senats "zu stark philosophisch" ist. Aber wenn frau genauer hinschaut, dann wünscht sie sich schon, dass er sich auch stärker theoretisch mit dem Thema auseinandersetzte. Ein Beispiel dafür aus dem Interview:

"Je mehr Werte ein junger Mensch von dieser Gesellschaft in sich aufnimmt - egal wo die Wiege der Großeltern stand -, desto weniger wir der anfällig für falsche Werte von Parallelgesellschaften, sei es der religilöse Fanatismus, die organisierte Kriminalität oder überkommene Riten und Bräuche."

Welche Werte meint er hier genau? Jene, die es erlauben, Menschen aufgrund von Herkunft auszugrenzen? Jene, die dazu führen, dass sozial benachteiligte Kinder genauso wie jene aus 'Migrantenfamilien' schlechtere Chancen in der Schule haben? Jene, die Vielfalt ablehnen? Jene, die andere 'Kulturen' per se für rückständig erklären?

All jene sind Gründe dafür, dass sich junge Menschen ausgegrenzt fühlen und deshalb andere Zugehörigkeitskontexte suchen. Das Problem sind weniger Werte sondern Machtstrukturen, rassistische und islamophobe Denkstrukturen, institutionelle Diskriminierungen. Der Fehler steckt nicht in der Einzelnen sondern im System. Daran muss gearbeitet werden.

Aber mit einer solchen Argumentation passt wohl folgende Erklärung auf mich:

"Ehrlich gesagt hat es mich erstaunt, dass eine Aussage wie "Multikulti ist gescheitert" zu solchen Erruptionen führen kann. Aber es gibt Leute, für die ist Multikulti der Inbegriff für eine fröhliche Rutschbahn ins Paradies. Für die Leute ist so ein Satz die reine Kampfansage, weil sie nicht wahrhaben wollen, dass es zu Problemen kommen muss, wenn in einer Stadt wie Berlin die unterschiedlichsten Kulturkreise aufeinander stoßen."

In Berlin stossen nicht 'Kulturkreise' aufeinander. Es gibt Konflikte. Die müssen bearbeitet werden. Aber es nutzt nichts sie zu kulturalisieren. Aber so ein Ansatz ist wohl zu philosophisch.

Nachtrag: Passend zum Thema heute auch bei yeahpope was zu Neukölln.

Noch ein Nachtrag am 10.04.06: Und wieder hat Buschkowsky es in die bundesweiten Medien geschaft. Diesmal regt er sich über Schäuble auf, der von Neuköllner Slums gesprochen hat. Wundern sollte das Buschkowsky nicht, denn welches andere Bild von seinem Bezirk verbreitet er denn?

Nachtrag 30.11.06: Und das kommt dabei raus, wenn Buschkowsky einen Referenten empfiehlt.

Nachtrag 11.12.07: Und wieder profiliert sich Buschkowsky durch Distanz zur Wissenschaft. Die taz zitiert ihn in einem Artikel über den Wachschutz vor Neuköllner Schulen:

"Für Heinz Buschkowsky sind das unsinnige akademische Überlegungen. "Mich interessieren keine Studien", poltert er. "Mich interessiert, was sich täglich hier abspielt.""

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Mittwoch, 8. März 2006
Interkulturell
'Interkulturell' ist in. Bei uns an der Uni kann frau Interkulturelle Kommunikation studieren. Interkulturelle TrainerInnen sind gefragt. Wenn es fortschrittliche Ansätze sind, dann beschränken sie sich auch nicht darauf zu vermitteln, dass man sich in 'Asien' nicht die Nase putzt und in Deutschland Strafen zahlt.

Aber auch wenn 'interkulturell' so fortschrittlich erscheint dann bleibt da doch so ein schlechter Beigeschmack. 'Interkulturell' heisst schliesslich so viel wie zwischen den Kulturen, geht also davon aus, dass es verschiedene Kulturen gibt und diese - und nicht zwei Menschen - miteinander in Kontakt kommen (sollen). Damit wird dann schon wieder festgeschrieben, werden Grenzen aufgebaut, Gruppen homogenisiert.

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