Dienstag, 23. Januar 2007
Gewalt gegen Schwache
scheint Standard rund um die Welt: ob in Indien, Spanien oder in Deutschland.

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Mittwoch, 27. Dezember 2006
Seperatismus
Aus der schleswig-holsteinischen Provinz erreichte mich dieses mail:

"Die Dithmarscher üben sich übrigens grad als
Separatisten in Schleswig-Holstein. Die Landesregierung hat eine Kreisreform beschlossen, was bedeuten würde, dass sich Dithmarschen mit Steinburg und Pinneberg zusammentun müsste. Nun schlagen natürlich die Wogen der Entrüstung hoch... Wird alles rausgekramt an Freiheitswillen seit 1500 und Hemmingstedt.

Nun, was sach ich als DithmarscherIN dazu ??
Geschichte sollte man nicht so einseitig missbrauchen. Frauen durften anno 1500 auch nicht mitbestimmen und Anfang der 30er war Dithmarschen ganz vorn mit dabei was braune Suppe angeht. Die NSDAP hatte hier Wahlergebnisse, die nicht grad zum Vorzeigen waren. Auch wiederum aus heutiger Sicht betrachtet. Ich
kann damit jedenfalls grad nicht soooo viel anfangen. Jetzt wurden auch noch die Autofähnchen wieder rausgekramt. Statt schwarz-rot-gold wird nun allerdings der Dithmarscher Reiter spazieren gefahren."

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Freitag, 15. Dezember 2006
Zu viele Ausländer
Die taz berichtet: "der gesamtdeutsche Mittelwert liegt bei gut 48 Prozent, der Schnitt im Westen bei knapp 46 Prozent, im Osten bei 60 Prozent. So groß also ist der Anteil jener, die finden: "Es leben zu viele Ausländer in Deutschland" und "Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die in Deutschland lebenden Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken"."




"Von Patriotismuskampagnen als Mittel gegen wachsende soziale "Desintegrationsängste" hält Soziologe Heitmeyer nichts. Im Gegenteil: "Es ist gefährlich, soziale Desintegration mit Nationalstolz kompensieren zu wollen", so der Soziologe gestern. Denn Kampagnen wie "Du bist Deutschland" steigerten nicht nur das Zugehörigkeitsgefühl zu einem großen Ganzen, sondern gleichzeitig auch die Ressentiments gegen schwache Minderheiten. Zudem gingen solche Kampagnen zulasten der Wertschätzung der Demokratie aus."

Nachtrag 19.12.06: Der Tagesspiegel versucht sich in statistischen Verrenkungen, um den Rassismusvorwurf abzuwenden und wird dabei immer absurder:

"Die Ethnodeutschen werden zur Minderheit, erst beim Nachwuchs und in einigen Jahrzehnten im ganzen Land. Dadurch wird der Prozentsatz derer, die Ausländer ablehnen, stetig sinken. So schafft die Demografie von alleine, was heute noch vergeblich mit milliardenschweren Programmen zu erreichen versucht wird."

Seltsam, dass 'Weiße' in der Kolonialgeschichte immer wieder als Minderheit die Mehrheit unterjocht haben. Das war wohl was ganz anderes.

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Sonntag, 8. Oktober 2006
Was interessiert mich
Michael Schumacher? Warum ist sein Motorschaden die erste Meldung in den Radionachrichten von Radio Eins?

Er könnte mich natürlich schon interessieren. Als Vertreter eines höchst umweltschädlichen Sports (?). Der sicher kein Vorbild für menschen- und umweltfreundlichen Verkehr ist. Aber darum geht es Radio Eins wohl eher nicht.

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Sonntag, 23. Juli 2006
Schwarz-rot-goldener CSD
Wir sind Deutschland

Nachtrag 24.07.06: "Dass es in Berlin anders ist, dass man hier lesbisch oder schwul sein darf, ohne Angst haben zu müssen, dies legte sich wie ein zusätzlich sonniger Dankbarkeitsschleier über die Parade." schreibt Watraud Schwab über den CSD in der taz.

Bitte? Lebe ich in einem anderen Berlin? Ohne Angst?
Es geht sicher schlimmer, viel schlimmer. Zum Beispiel in anderen Städten Deutschlands. Aber ohne Angst? Das ist mir neu.

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Mittwoch, 12. Juli 2006
Patriotismusskeptikerin
In der taz erklärt Hilal Sezgin, warum es wichtig ist Patriotismus skeptisch zu begegnen und warum die 'Deutschen' hier weiter waren als andere:

"Erst der Oxforder Philosoph Bernard Williams musste den Engländern beibringen, dass berechtigte Scham- und Schuldgefühle nicht unbedingt mit etwas einhergehen müssen, für das man selber haftbar zu machen ist. Und jetzt möchte ich mal stolz die deutsche Flagge hervorkramen: In Deutschland weiß so etwas jeder abiturlose Rowdy. Jeder weiß, dass mit diesem Land etwas im Argen liegt, dass jeder Lebende auf dem Grab Ermordeter wandelt. ...

Ja, seitdem Deutschland ein Höchstmaß an Perfidie gegenüber einigen aus seiner Mitte an den Tag legte und erst von außen daran gehindert wurde, bis in alle Ewigkeit damit weiterzumachen, haben wir eine größere Sensibilität auch für andere, subtilere, normaler wirkende, weiter verbreitete Perfidien bekommen (von denen wir einige mit anderen Ländern teilen). So hat die Mehrzahl der deutschen Bevölkerung eine tief sitzende Abscheu gegen jede militärische "Lösung" entwickelt, was kriegslüsterne Leitartikler gern als billigen Pazifismus verspotten - umsonst. Der Verkauf deutscher Panzer wird von den meisten "Tagesschau"-Sehern jedenfalls nicht mit "mehr Geld" assoziiert, sondern mit "mehr Tod".

Wenn es etwas gibt, das sich die Nachkommen der Verbrecher von einst bewahren sollten, dann ist es diese Sensibilität, ihr Gewissen. Wir sollten gar nicht erst hoffen, dieses Gewissen abschütteln und unsere Nationalhymne feucht-fröhlich drauflos singen zu können, "endlich wieder". Wir sollten vielmehr froh sein, dass wir dabei immer auch ihre negativen Untertöne heraushören, immer noch."

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Dienstag, 11. Juli 2006
Aggressiver Nationalismus
"Der Politiker Roberto Calderoli von der rechtsgerichteten Lega Nord hatte den Sieg der italienischen Auswahl als politischen Sieg über eine "gemischt-rassige" Mannschaft bezeichnet. Italien habe "eine Mannschaft geschlagen, die dem Streben nach Erfolgen ihre Identität geopfert hat, indem sie Schwarze, Moslems und Kommunisten aufstellte", sagte Calderoli bei der Heimkehr der siegreichen Nationalmannschaft nach Rom."

berichtet tagesschau.de. Wie befürchtet, tut auch Italien die WM nicht gut. Auch dort ermöglicht der 'nationale' Taumel rassistische Entgleisungen.

In Deutschland sind 'wir' nach wie vor von 'uns' selber begeistert:

"Grob überschlagen kam gestern eine Deutschlandfahne auf drei Personen; die Deutschen sind stolz auf ihr Team - und sogar auf ihr Land. "Ich denke, wir sind tolle Gastgeber gewesen. ..."

<Deutschlaaaand

So stolz können 'wir' sein, dass 'wir' das auch auf unsere Kleidung schreiben können:

"... das Hemd für heimische Fans ist mit einem großen Adler geschmückt und dem Spruch "Unsere Heimat. Unsere Ehre. Unser Stolz."."

Jegliche Ähnlichkeiten mit rechten Sprüchen sind natürlich völlig zufällig und es wäre eine Unverschämtheit, die Aufschrift mit diesen in Verbindung zu bringen. Auch die Beleidigungen der ItalienerInnen sind natürlich weiter völlig harmlos, weil das ist im Fußball halt so:

Auf dem Weg zum Ausgang singen die Italiener "Italia!". Die Deutschen rufen: "Ihr seid nur ein Wett-Skandal! Wett-Skandal! Wett-Skandal!" Oder einfach nur: "Deutschland!"

So kann dann auch Tobias Rapp in der taz polemisch fragen:

"Wo waren eigentlich die Nazis? Bei allem Gerede über den neuen deutschen Patriotismus sollte man doch die Nazis nicht vergessen. Zumal sie vor der WM noch in den düstersten Farben als Bedrohung erster Ordnung an die Wand gemalt worden waren. ... Wo waren sie? Hat es wirklich nicht zu mehr gereicht als einem angespuckten Engländer in Berlin-Charlottenburg und einem Mann in Aachen, der seinen Fernseher auf die Straße warf, als italienische Fans feierten? Oder hatten sie sich einfach gut unter schwarzrotgoldenen Fahnen versteckt?

Wohl kaum."


Die diversen Rassimen und Hitlergrüße haben 'wir' genauso ignoriert wie nationalistische Beleidigungen und auch den einen oder anderen rassistischen Überfall. Und wenn 'wir' bei all dem so beherzt wegschauen, dann sehen wir tatsächlich keine 'Nazis' um uns rum. Ach, wie schön ist 'unsere' Welt, wie toll sind 'wir' doch.

Nachtrag 12.07.06: Hier noch ein Beispiel für die ach so friedliche WM.

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Donnerstag, 6. Juli 2006
Trauer und Jubel
Fußballdeutschland trauert. Ich bin zutiefst erleichtert, wie auch yeahpope. Ich gebe zu, dass ich dabei etwas nach dem St. Florians-Prinzip ("Lieber Sankt Florian, beschütz mein Haus, zünd das Haus des Nachbarn an" oder so ähnlich) verfahre. Denn natürlich wünsche ich auch Italien keinen nationalen Taumel. Und ich befürchte, dass das auch in dem Land nichts Gutes ist. Aber ich bin total erleichtert, dass ich hier nicht den kollektiven "Wir sind Weltmeister"-Jubel erleben muss und empirisch testen kann, ob meine Befürchtungen sich bewahrheiten. Mit dem Ausscheiden, wenn auch einem sehr späten, habe ich die Hoffnung, dass Schwarz-Rot-Gold, "wir sind wieder wer" und "Deutschland Deutschlaaaand" wieder etwas abnehmen.

Ich verstehe nach wie vor nicht, warum alle diesen sogenannten 'positiven Patriotismus' so positiv finden. Ja, es gibt ein Gemeinschaftsgefühl unter vielen. Aber dieses geht einher mit ganz klaren Ausgrenzungen, nationalen Stereotypen und Diskriminierungen aufgrund von angenommenen 'nationalen' Zugehörigkeiten. Vorkommnisse wie auf der Berliner Fanmeile:

... Frau mit der Berliner Schnauze, die kurz zuvor noch prophezeit hat, die "Spaghettis" würden gleich aus dem Turnier fliegen ...

und

"Nur wenige Tifosi hatten sich auf die Fanmeile getraut, die einem schwarz-rot-goldenen Hexenkessel glich. Und so hielten sich Anfeindungen und chauvinistische Pöbeleien auch in Grenzen. "Ihr seid Bäcker, kleine Pizzabäcker, ihr schlaft unter Brücken oder in der Bahnhofsmission", hieß es dann und wann zur Melodie einer Bonnie-Tyler-Schmonzette."

oder wie unter dem Titel Fanmeile wird zur Deutschlandmeile berichtet:

"Ein Mann im Italien-Trikot wird aufgefordert, lieber Pizzen auszufahren als hier rumzustehen."

oder unter dem Titel Nationale Gröler mit Hool-Attitüde zum Popkick im Treptower Park:

Sobald Klinsmanns Elf einläuft, fühlt sich eine Handvoll grölender Jungmänner in Deutschland-Trikots zuständig, für Stadionstimmung zu sorgen: Buh- und Pfui-Rufe für die Italiener, "Deutschland, Deutschland"-Rufe für die "Unseren". Als ein dunkelhäutiger Mann mit Vollbart nach einem Platz sucht, schreien sie: "Osama, setz dich hin!"

und weiter:

Merkwürdig genug, doch sobald das Spiel beginnt, übernimmt wieder die Fanfraktion - und kennt jetzt verbal kein Halten mehr. Von "Scheiß Spaghettischweine" bis "Wir verbacken euch zu Pizza" reicht die Palette der Zwischenrufe ...

und:

Inzwischen hat sich auch auf der linken Wiesenseite eine Fraktion aus ganzkörperbeflaggten Jungs und Mädchen gebildet, deren Sprachschatz ausschließlich aus dem Wort "Deutschland" zu bestehen scheint. Jeder Fall eines Italieners, ob Schwalbe oder echt, wird höhnisch mit "aua" oder "steh auf, du Arschloch" kommentiert. Kurz vor Ende der zweiten Halbzeit fordert ein Chor von links und rechts: "Steht auf, wenn ihr Deutsche seid!"

Italiener will man spätestens da nicht mehr sein, erst recht nicht nach den beiden Toren ...


Was ist an diesem 'deutschen' Patriotismus postitiv? Warum wird toleriert, dass der kollektive Taumel, sich so gegen andere 'Nationen' wendet? Das Spiel gegen 'Italien' war da nicht anders als die vorherigen.

Nachtrag 04.10.06: Rassistische Kommentare sind wohl auch in der Kabine normal gewesen wie die taz über Sönke Wortmanns Jubelfilm schreibt:

"Wir wissen, wie unser Trainer brüllt, und auch, dass wir Gegner - zumal wenn es sich um böse Italiener handelt - ruhig mal "Scheißer" nennen dürfen."

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Samstag, 1. Juli 2006
Vermeiden, Verwerten, Sicheres Entsorgen
Noch ist die 'deutsche' Mannschaft nicht rausgeflogen. Aber irgendwann wird auch diese WM vorbei sein und dann stellt sich die Fragen, was tun mit all den Fahnen. Die taz hat den Umweltreferenten der NRW-Verbraucherzentrale Björn Rickert gefragt:

taz: Herr Rickert, Deutschland ertrinkt in einem Fahnenmeer. Was machen wir mit den Flaggen...?

Brörn Rickert: ... Auch bei Fahnen gilt, was bei Abfall immer gilt: 1. Option: Vermeiden, 2.: Verwerten, 3.: Sicheres Entsorgen
...

taz: Verbrennen aus Frust, ein Stadionklassiker?

Rickert: Auf keinen Fall. Verbrennen ist sogar amtlich verboten. Weiterverwerten! Da gibt es viele Möglichkeiten: Nach Belgien schicken und quer aufhängen, auch wenn man sie umschneiden müsste. Zerschneiden und als Taschentücher nutzen für die Tränen. Ganz große Fahnen eignen sich, mit Feinwaschmittel gewaschen, auch als Betttuch.

... zur nächsten WM benutzen, vielleicht schon zur Frauen-WM 2007. Oder in die Karnevalskiste.

taz: ... Auf welchen Müll gehört Deutschland? Gelber Sack?

Rickert: Mag man denken. Ist aber falsch. Fahnen sind keine Verpackung, auch wenn sich manche Fans darin einwickeln. ... Nach Abfallrecht sind Fahnen ganz klar Restmüll.

.... Das meiste dürfte aus synthetischen Stoffen sein. Die taugen selbst als Putzlappen nicht viel.

taz: Wenn ich statt Polyester-Billigzeug zumindest eine Fahne in Textilmischung habe?

Rickert: Dann wird sie zum Umnähen vielleicht nach Afrika exportiert und macht da die Märkte kaputt. Zudem glaube ich nicht, dass man dort Deutschlandfahnen in solcher Menge als Kleidung braucht.

... Also im Restmüll versenken. Dann kommen sie in hochtechnische Verbrennungsanlagen.

taz: Sind wir damit ökologisch glücklich?

Schwierig. Wenn wir nichts vermieden oder verwertet haben, bleibt es der beste der schlechten Wege. Bis Mitte letzten Jahres wären Fahnen sogar auf Deponien legal ablagerbar gewesen. Dann wären Farben, Imprägnierungen und Chemikalien ins Grundwasser gegangen. Wir hätten uns an Deutschland vergiften können.

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Dienstag, 13. Juni 2006
Fahnen schwenken
Fahnen, überall Fahnen. Egal wohin ich schaue. Auf Autos, an Fahrrädern, in Schaufenstern, an Balkonen, in Händen, Fenstern, in der Krankengymnastikpraxis, auf Köpfen, in Gesichtern. Überall Fahnen.

Ausserdem: "Deutschland, Deutschlaaand"-Rufe, gelegentlich auch "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus", gerne auch mal der Hiltergruß, oder aber als Kommentar zum Sieg der deutschen Männermannschaft vom Freitag "Die Wehrmacht hat gesiegt".

Überall auch Fernseher, auf Bürgersteigen, in (fast) jedem Cafe, Restaurant. Davor Menschen, die darauf starren. Kollektiver WM-Taumel.

Gestern vor einem WM-freien Cafe: Eine Gruppe will WM schauen, eine Cafebesucherin weisst sie darauf hin, dass sie da woanders hin müssen. Einer aus der Gruppe zu ihr: "Wohl WM-geschädigt?" Sie zu ihm: "Wir nicht, aber ihr!"

Zu erklären ist dieser Tage aber nicht der WM-Taumel, sondern die Opposition dazu. Täglich mehrere Diskussionen: in meinem Seminar, mit meiner Krankengymnastin, mit FreundInnen, MitbewohnerInnen, Nachbarn. Und immer wieder: das ist doch nicht schlimm. Die Fahnen sind doch unschuldig. Sogar in der taz berlin gestern hält Uwe Rada, das Verbot von Deutschlandfahnen an Polizeifahrzeugen für die "erste WM-Posse" und führt aus:

"Aber glaubt im Ernst einer, sie würden einen randalierenden Fan anders behandeln, nur weil eine Deutschlandfahne an der Wanne wedelt."

Nein, das glaubt eine nicht. Die Gefahr schlechter behandelt zu werden, hat ein Schwarzer auch dann wenn keine Deutschlandfahne da wedelt. Aber eine glaubt im Ernst, dass einer noch mulmiger wird, wenn sie Deutschlandfahnen an den Wannen sieht. Was macht eine denn, wenn sie eine rassitischen Überfall oder eine Diskriminierungserfahrung anzeigen will und sieht bei der Polizei die gleichen Symbole?

Rada scheint auch zu glauben, dass das Ignorieren von Hitlergrüßen ein gutes Zeichen ist:

"So wagte am Freitagabend auf der Fanmeile eine kleine Gruppe offensichtlich rechtsextremer Jugendlicher ab und zu den Hitlergruß. Gleichwohl gingen Gesten wie diese fast unter. Die Fans ignorierten die Rechten ..."

Verfassungsfeindliche Symbole zu ignorieren, zeugt nicht von etwas Positiven. Sie müssen verfolgt werden. Nicht toleriert. Denn auch wenn viele sie vielleicht ignorieren können, fühlen sich andere durch sie massiv bedroht. Die letzteren brauchen Unterstützung, sie brauchen die Gegenwehr.

Eine meiner Studentinnen rief bei einem solchen Erlebnis letzten Freitag spontan: "Arschloch". Ihre Freundin war besorgt um sie, leicht hätte die Situation eskalieren können. Den Hitlgergrußzeigenden wird sie damit nicht geläutert haben, aber sie hat den allgemeinen Konsens gebrochen. Das ist wichtig.

Bei der Männer-WM geht es nicht um Fussball (zumindest nicht für die meisten). Es geht um Zugehörigkeit zu einer Nation (und damit die Abgrenzung zu anderen). Nationen sind die Grundlage für gewaltsames Vorgehen gegen andere Nationen und gegen Individuen, die aus der Nation ausgesondert werden.

Nationalfahnen sind nicht unschuldig. Sie stehen für die Ideologie der Nation. Egal welcher. Ich mag keine Fahnen, keine deutsche, keine indische, keine brasilianische. (Wobei natürlich im Namen der deutschen mehr Unheil angerichtet wurde als im Namen von ehemals Kolonialisierten.) Fahnen, in den Massen wie sie gerade geschwenkt werden ekeln mich nicht nur, sie bereiten mir ein ganz mulmiges Gefühl. Und nicht nur mir, auch annabexis und yeahpope haben schon zum Nationaltaumel anlässlich der Männer-WM geschrieben.

Nachtrag 18.06.06: Die Medien überschlagen sich ja geradezu, ob der friedlichen WM und dem positiven Fahnenschwenken. Der Tagesspiegel, die taz, die Junge Freiheit. Nur seltsam die so in einer Reihe zu lesen. Sollte es nicht ein bisschen zum Nachdenken anregen, wenn die Junge Freiheit das Fahnenschwenken als ein gutes Zeichen sieht?

Und es gibt übrigens auch noch Teile Deutschlands, die nicht ganz in schwarzrotgold getaucht sind. In Dresden habe ich in den letzten Tagen erfreulich wenige Fahnen gesehen.

Nachtrag 20.06.06: Zum schwarzrotgoldenen Patriotismus lohnt sich auch ein Besuch beim bildblog.

Nachtrag 22.06.06: Während sich alle nach wie vor in Freudentaumel über die ach so patriotisch-friedliche WM ergehen, werden nach wie vor der Hitlergruß von Fans gezeigt.

Nachtrag 28.06.06 Zur allgemeinen Verwunderung flaggen auch 'Andere Deutsche' schwarz-rot-gold und ziehen "Deutschland Deutschlaaand" rufend durch die Kieze. Viele interpretieren das nun als geglückte Identifikation mit Deutschland. Andere sind da skeptischer:

Muharrem Aras, Rechtsanwalt und Vorsitzender eines Vereins türkischstämmiger Sozialdemokraten, ist skeptischer. Er habe das Gefühl, "eine Entwicklung verpasst zu haben", wenn er seine Deutschlandfahnen schwenkenden türkischstämmigen Landsleute sehe, sagt Aras. Der 34-Jährige, selbst aktiver Fußballer, drückt Argentinien die Daumen: "Ich war immer gegen die deutsche Nationalmannschaft", erzählt Aras. Denn der DFB sei für ihn "die letzte deutsche Hochburg": "Es hat unheimlich lange gedauert, bis auch mal ein paar Migranten in die deutsche Nationalelf gekommen sind." Insbesondere Türkischstämmige hätten bis heute kaum Chancen. Die neue nationale Begeisterung vieler türkischer Migranten für die deutsche Mannschaft sieht er eher mit Beunruhigung: Er findet "Fahnenschwenken generell nicht so doll". "

Nachtrag 30.06.06: Neues aus Berliner Abgeordnetenhaus:

"Als die CDU-Abgeordneten gestern zu ihren Plätzen im Parlamentsplenum gingen, standen auf den 35 Tischen kleine schwarz-rot-goldene Papierfähnchen, eingepflanzt in winzige Blumentöpfchen, die in den 80er-Jahren den Neid der Alternativen Liste erzeugt hätten. Doch wollte die Union laut einem Sprecher ein "Bekenntnis" zur deutschen Nationalmannschaft vor dem heutigen WM-Viertelfinalspiel ablegen und zeigen, dass sie "gute Patrioten" seien. Demokratie-Liebe offenbart sich bekanntlich am besten im kollektiven Präsentieren kleiner Winkelemente.

Nachtrag 21.07.06: Die Hitze macht auch Schönbohm zu schaffen.

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