Montag, 17. Dezember 2007
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In der Online-Ausgabe des taz-Artikels "Schmachtsongs im Neonlicht" fehlt der Zwischentitel aus der Printausgabe: "Alltag in Tausendundeiner Nacht." Das ist gut so. Leider verhindert diese Auslassung aber nicht, dass der Artikel etliche Orientalismen reproduziert.

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Ja, wenn man da
mal anfangen würde auszumisten. Allein schon: Orientalismen. Ich bitte Sie, einen Begriff wie Orient (oder schlimmer noch: Morgenland) kann doch nur jemand verwenden, der daran glaubt, dass die Sonne um die Erde kreist, oder? Was soll denn das bitte schön sein, ein Orientalismus? Und folgt daraus, dass die grottigen und verzerrten Vorstellungen, die sich beispielsweise die Gottesstaat-Propaganda im Iran vom gottlosen Westen (oder gar dem großen Satan USA) macht, Okzidentalismen sind?

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Zu Orientalismus einfach mal das Standardwerk von Edward Said ansehen.

"Kritischer Okzidentalismus" hingegen ist ein Begriff der meines Wissens nach von Gabriele Dietze geprägt wurde und einen ähnlichen Ansatz wie die Kritische Weißseinsforschung hat.

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Aha.
Das mit den Orientalismen hatte ich schon einigermaßen verstanden. Es befremdet mich nur ein wenig, dass Okzidentalismen im Sinne von stereotypen Vorstellungen über das Abendland, den Westen oder wie auch immer man das nennen will, in diesem Kontext komplett nonexistent zu sein scheinen. Vielleicht habe ich da ja was übersehen oder gehe zu oberflächlich heran, aber so wie es nach Durchsicht dieser Links aussieht, ist der Blickwinkel des Weißen immer falsch, rassistisch, dominierend oder sonstwas. Und auf wundersame Weise sind alle anderen anscheinend wie durch ein Wunder (oder auch aus ihrer Opferrolle heraus?) gefeit gegen ähnliche Fehlleistungen.

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Es gibt keine Guten und Bösen.

Aber es gibt geschichtlich gewachsene Machtsysteme, die sich immer wieder reproduzieren und die Ungleichheit auf der Welt vertiefen. Dieser geschichtlich gewachsenen und strukturell verankerten Privilegierung müssen die 'Weißen' sich bewusst werden und damit umgehen. (Den anderen ist die Privilegierung der 'Weißen' schon lange bewusst.)

Ich lebe in Deutschland, interessiere mich dafür was hier passiert, kenne mich hier etwas aus, daher denke und schreibe ich über die Situation in Deutschland.

Wenn ich in Indien leben würde oder in Saudi Arabien oder Nigeria, würde ich mich mit den Machtsystemen dort beschäftigen. Aber ich rede nicht über andere Gesellschaften, nur um das, was ich in Deutschland zu kritisieren habe, zu relativieren.

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Danke für die Präzisierung.
Es ging mir auch nicht darum, etwas gegeneinander aufrechnen zu wollen. Ich wollte sozusagen nur den Gültigkeitsbereich Ihrer Axiome etwas genauer abgesteckt wissen. Der Punkt mit der strukturellen Privilegierung ist nicht von der Hand zu weisen, auch wenn ich an mancher Schlussfolgerung daraus noch zu knabbern habe. Ich denke auch, dass wir von Ihrem externeren Blick auf das Geschehen hier durchaus lernen können.

Aber ich würde nicht so weit gehen, dass die unterprivilegierte Minderheit deswegen automatisch immer recht hätte. Wenn Sie beispielsweise den Universalitätsanspruch der katholischen Kirche unter "Islamophobie" eintüten, finde ich die Frage schon legitim, was an den islamischen Vorstellungen von der Missionierung der Welt so viel toller oder toleranter sein soll. Aber genug von diesem religiösen Nebenschauplatz. Ich habe zunächst mal zu danken für das Stopfen meiner Bildungslücken in Sachen "critical whiteness"...

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Noch einmal: Es gibt keine Guten und Bösen. Es gibt keine essentiellen toleranten und essentiell intoleranten. etc. Es gibt geschichtlich gewachsene Machtsysteme und daraus entstehende strukturelle Privilegierungen.

Und zu den Kategoriesierungen: Die sind immer unvollkommen und auch uneindeutig (leider kann ich hier nicht mehrere Kategorien oder Schlagworte für einen Eintrag benutzen).

Die Beiträge zur katholischen Kirche tauchen in der Kategorie 'Islamophobie' auf, weil sie darauf hinweisen, dass bestimmte dem Islam vorgeworfenen Denkweisen nicht auf den Islam beschränkt sind, aber sie bei anderen Religionen viel weniger Kritik hervorrufen.

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Wenn es "keine Guten und Bösen" gibt, was sind denn dann diese "Machtsysteme"? Kann ein Machtsystem ohne Menschen existieren, die es aufbauen und erhalten, weil sie ein Interesse an "Privilegierungen" haben?

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