Mittwoch, 9. August 2006
Konstruktionen
Gestern berichtete der Deutschlandfunk anlässlich ihres 130. Geburtstages über die 'Niederländerin' Margaretha Gertruida Zelle, die besser bekannt ist als Mata Hari (siehe z.B. bei Wikipedia). Mata Hari begeisterte zu Beginn des 20. Jahrhundert das 'europäische' Publikum mit 'indischen' Tänzen, in denen sie nur in Schleier gehüllt war. Um den Exotismus zu vervollkommen, legte sie sich auch eine 'indische' Identität zu:

"Meine Mutter war eine berühmte und gefeierte Bayadere im Tempel Kanda Swany. Mit 14 Jahren, als sie mich gebar, starb sie. Als ihre Leiche auf dem Scheiterhaufen verbrannt war, zogen mich die Priester auf. Schon als kleines Kind wurde ich in der unterirdischen Grotte der Pagode Schiwas in die heiligen Tänze Gottes eingeweiht."

Und mit dieser Konstruktion war sie so erfolgreich, dass der Richter im Spionageprozess gegen sie erklärte:

"Ich erblickte eine große Frau mit wulstigen Lippen und kupferfarbenem Teint mit falschen Perlen in den Ohren vom Typus einer Wilden. Katzenhaft. Geschmeidig. Durchtrieben. Ohne Skrupel und daran gewöhnt, sich der Männer zu bedienen, ist sie der Typ einer Frau, die zur Spionin prädestinierit ist."

Die gefährliche Spionin Mata Hari war also eine typische 'Orientalin' mit wulstigen Lippen, dunkler 'Hautfarbe', eine Wilde, tiergleich, gefährlich und hinterhältig. Was man alles so sieht, wenn man weiß, was man sehen will. Margaretha Gertruida Zelle wäre sicher anders beschrieben worden - und vielleicht hätte man sie auch nicht schuldig gesprochen und hingerichtet.

... comment