Montag, 27. März 2006
Rechtsstaat?
Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Rechtsstaat. Wer dort wohnt, dessen Rechte sind geschüzt. Und die Menschenrechte sowieso. Denn die sind universell. Ohne Verfahren darf hier keine eingesperrt werden. Solange die Schuld nicht bewiesen ist, gilt die Unschuldsvermutung. Und so weiter.

Ich dachte immer, in einem Rechtsstaat gelten die (Menschen-)Rechte für alle. Ich weiss wohl, dass in Deutschland 'Deutschen' (jenen mit der deutschen Staatsbürgerschaft) Sonderrechte eingeräumt werden. Ich weiss auch, dass manche Rechte nur für sie gelten. Andere StaatsbürgerInnen sind häufig genug BürgerInnen der zweiten Klasse. Aber das es soweit geht, dass hatte ich dann doch nicht gedacht.

Wenn der Spiegel Recht hat, dann wurde ein 'deutscher' Inländer, dem Bremer Murat Kurnaz, nicht nur mit Wissen der 'deutschen Regierung sondern sogar durch ihr Handeln bedingt unter völkerrechtswidrigen Verhältnissen jahrelang inhaftiert. Er hätte freikommen können, weil er unschuldig verhaftet wurde. Aber die Regierung wollte ihn nicht wieder einreisen lassen, in das Land, in dem seine Familie lebt, in dem er aufgewachsen ist. Welche Begründung kann es dafür geben?

Nachtrag 30.08.06: Der Bremer Murat Kurnaz ist inzwischen frei gelassen worden und wieder in Deutschland. Die Fragen darüber, ob er nicht früher hätte frei gelassen werden können und warum die deutsche Regierung, das verhindert hat bleiben. Siehe dazu die taz-Artikel Ein kaltes Doppelspiel und Berlin hatte Angst vor Kurnaz:

"Als Erster ergreift der BND-Präsident Hanning das Wort. Er plädiert für Abschiebung in die Türkei, nicht nach Deutschland. Er regt zudem eine Einreisesperre für Kurnaz an, die sicherstellen soll, dass Kurnaz nicht mehr zurück in sein altes Umfeld kann. Das Kanzleramt, dessen Vertreter der heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist, und das Innenministerium schließen sich dieser Meinung an: Ein Guantánamo-Heimkehrer könnte als Märtyrer ein Sicherheitsproblem, vielleicht auch ein Propaganda-Desaster werden.

Soweit die Darstellung des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, das sich auf schriftliche Aufzeichnungen der Sicherheitsbehörden beruft. Die Bundesregierung hat den Bericht von Ende März 2006 bis heute nicht dementiert."


Nachtrag 21.01.07: Je mehr Einzelheiten über das Handeln der deutschen Behörden bekannt werden, umso grausiger wird es.

Nachtrag 23.01.07: Dass sich auch die türkischen Behörden, nicht für Kurnaz eingesetzt haben, zeigt in welch prekärer Situation 'Andere Deutsche', mehrfach Zughörige und Ausgegrenzte leben.

Nachtrag 24.01.07: Steinmeier versucht auszusitzen, hoffentlich gelingt es ihm nicht.

Nachtrag 25.01.07:Das Bildblog zeigt auf, wie die Bild die Fakten verdreht, um Kurnaz zu verdächtigen.

Nachtrag 29.01.07: Aus der taz zum Fall Kurnaz: ""Man muss sich ja nur vorstellen, was geschehen würde, wenn es zu einem Anschlag gekommen wäre, und nachher stellte sich heraus: Wir hätten ihn verhindern können", so Steinmeier."

Lieber Generalverdacht gegen Muslime und rechtswidriges Einsperren inklusive Folterung. Wenn das kein Rechtsstaat ist.

Nachtrag 19.09.08: Die taz berichtet:

"Ob der türkische Bremer Murat Kurnaz 2002 von Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan misshandelt worden ist, bleibt auch nach der Untersuchung durch den Verteidigungsausschuss des Bundestags offiziell ungeklärt. Der Vorsitzende der Untersuchung Karl Lamers (CDU) erklärte am Donnerstag: "Die Mehrheit des Ausschusses ist der Meinung, dass der Nachweis für die von Kurnaz erhobenen Vorwürfe ebenso wenig erbracht werden konnte wie der Nachweis des Gegenteils.""

Für die KSK-Kräfte gilt also (im Gegensatz zu Kurnaz) die Unschuldsvermutung.

In der Printausgabe bebildert die taz den Artikel übrigens mit einem anderen Foto von Kurnaz: rassiert und frisiert.

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