Montag, 17. September 2012
Am falschen Ort
Wie nicht anders zu erwarten, nutzen rechte Politiker_innen die Kontroverse um den Anti-Islam-Film dazu, um Muslim_innen aus dem Land zu verweisen. Die taz berlin zitiert den innenpolitischer Sprecher der CDU Berlin:

"Die Forderung muslimischer Verbände, die Meinungsfreiheit zu begrenzen, lehne er vollständig ab, sagte Juhnke. Wenn man in einem Land mit freiheitlicher Grundordnung lebe, müsse man mit solchen Dingen klarkommen. „Wer diese Toleranz nicht aufbringt, sollte überlegen, ob er am richtigen Ort lebt.“ "

Leider scheint Juhnke unser Grundgesetz nicht zu kennen, denn unbeschränkte Meinungsfreiheit gibt es in Deutschland nicht. Muss er jetzt überlegen, ob er am richtigen Ort lebt?

Zudem müsste er auch etliche Vertreter_innen aus seiner Partei aus dem Land verweisen, da sie die Meinungsfreiheit gegen Religionen einschränken wollen. Oder ist das, wenn es um das Christentum geht, ok?

Nachtrag 21.09.12: Die taz berichtet, dass mehrere CSU-Politiker und ein Erzbischof die Meinungsfreiheit einschränken und en Blasphemioe-Paragrafen verschärfen wollen:

"bei Muslimen stößt der Vorschlag der CSU auf Skepsis. „Ich bin mir nicht sicher, ob eine Gesetzesänderung viel bewirken würde“, sagte Ali Kızılkaya vom Islamrat, der aktuelle Sprecher des Koordinationsrats der Muslime, am Donnerstag der taz. „Wichtiger als Gesetze ist, dass wir uns als Gesellschaft in einer Kultur des Respekts üben.“

Auch Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime sprach sich gegen eine Verschärfung des Blasphemie-Paragrafen aus. „Der Schutz der freien Religionsausübung im Grundgesetz reicht aus“, sagte er der taz. Ähnlich sieht das Ali Doğan, Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde Deutschland. Satire müsse erlaubt sein, auch wenn es um „unseren eigenen Glauben“ gehe."


Was sagt der Berliner Juhnke dazu?

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Zensurverbot!
Meinungsfreiheit mag durch allgemeine Gesetze und den Jugend- und Ehrschutz (und nur dadurch) einschränkbar sein (Art.5 II GG)...

(Ob hier statt der Meinungsfreiheit nicht viel mehr die Filmfreiheit ( Art. 5 I 2 Var.3 GG ) angegriffen ist lasse ich dabei unkommentiert, weil es für die folgenden Ausführungen nicht bes. wichtig ist.)

...das staatliche Zensurverbot (Art 5 I 3 GG) hat dennoch bestand. Keine staatliche Zensur - wer dies dennoch fordert, der wandelt auf nicht-verfassungskonformen Wegen.

Somit bleibt die Aussage von Juhnke im Grundsatz richtig. Wer Filme oder Meinungen von vornherein verbieten will oder aber die Meinungsfreiheit als für die freiheitlich-demokratische Grundordnung wohl wichtigstes und (laut BVerfG) "schlechthin konstituierendes" Grundrecht einschränken will, der steht nicht auf der Seiten der Gesellschaft, des Staates und seiner Verfassung. Das ist kein Hexenwerk, keine rechtspopulistische Stimmungsmache, das ist (juristisch) Fakt.

Sollte der Film im jur. Sinne volksverhetzend oder religionsbeleidigend sein, so stehen genug rechtsstaatliche Mittel zur Verfügung um dagegen angemessen vorzugehen - das macht die geforderte Verschärfung, Beschränkung und Verengung der Meinungsfreiheit oder die Forderung nach Zensur mehr als überflüssig.

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Das ist was ich meinte, unter bestimmten Vorraussetzungen ist die Meinungsfreiheit in Deutschland einschränkbar. So darf, zum Beispiel, der Holocaust nicht geleugnet werden. Ich darf auch nicht behaupten, dass zum Beispiel Sarrazin oder Juhnke rassistisch ist.

Deswegen halte ich Juhnkes Aussage im Grundsatz nicht für richtig, sondern für absichtlich verkürzend oder aber unwissend.

Und ich habe nicht gesagt, dass ich dafür bin, den Film zu verbieten oder zu zensieren.

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Ich glaube Juhnke Aussage bezieht sich auf die Forderung der Muslime die Meinungsfreiheit weiter / stärker (!) zu beschränken (Religionen sollen aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit genommen werden / Es soll nicht möglich sein Religion zu kritisieren) oder die Forderung nach staatlicher Zensur (für dessen Verbot es übrigens keine verfassungsrechtliche Möglichkeit zur Aufhebung gibt)
Die Erfüllung der Forderungen würde eine weitere Einschränkung der Meinungsfreiheit bedeuten. Einer solchen Einschränkung würde das GG entgegenstehen.

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Ich habe es nicht so verstanden, dass Sie den Film selbst verbieten oder zensieren wollen.
(Zu dem Film selbst habe ich ohnehin keine (fundierte) Meinung, da ich mich (noch) nicht näher damit beschäftigt habe - und ich überlege auch es dabei zu belassen. Für mich scheint der Film einfach eine Provokation zu sein - schade, dass viele Muslime sich dadurch zur Gewalt provozieren lassen.)

Ich wollte lediglich auf die (Be-)Deutung des Grundgesetzes hinweisen, und klarstellen, dass -aus dieser staatsrechtlichen Sicht- Juhnkes Aussage nicht falsch, populistisch oder gar manipulativ ist.

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Bei dem Interviewfragment, dass mir von Juhnke vorliegt, bezweifele ich stark, dass es ihm um eine rechtliche Aussage ging. Insbesondere der Zusatz: „Wer diese Toleranz nicht aufbringt, sollte überlegen, ob er am richtigen Ort lebt.“ zeigt, dass er davon ausgeht, dass Muslime nicht zu Deutschland gehören. Das ist antimuslimischer Populismus.

Dass es auch anders geht, zeigen andere Politiker_innen, die aus verfassungsrechtlichen Gründen gegen ein Verbot sind und trotzdem Rassismus kritisieren.

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Die taz berichtet:

"Nach Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dafür ausgesprochen, die geplante Vorführung des islamfeindlichen Mohammed-Videos in Berlin rechtlich zu verhindern. "

Juhnke müsste also auch Friedrich und Merkel fragen, ob sie am richtigen Ort leben.

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