Mittwoch, 21. März 2012
Die Klangschale, die Touristin und meine Nichte
kamen heute im Central Cottage Emporium zusammen: You made my day:

Meiner Nichte haben wir heute das touristische Delhi gezeigt. Am Connaught Place sind wir in das Central Cottage Emporium gegangen. Dort gibt es alles, was das Tourist_innenherz begehrt. Interessiert schaute meine Nichte einer Touristin dabei zu, wie sie eine große Schale mit Klöppel in der Hand hielt.



Da meine Nichte so interessiert schaute (sie fragte sich, was das wohl sei: eine Suppenschale?), fragte die Touristin, ob sie es hören wolle und brachte die Schale an ihrem Ohr zum klingen. Meine Nichte fragte sie dann, was das sei. Sie erklärte es (aber was genau, weiss meine Nichte nicht mehr) und erzählte, dass sie viele Klangschalen zu hause hätte und zum Meditieren nutze. Meine Nichte wollte wissen, ob diese Schalen chinesisch seien. Die Touristin (Cathy from UK, wie sie sich vorstellte) fragte meine Nichte mehrmals, wo sie her sei. Sie konnte wohl nicht glauben, dass sie es wirklich mit einer Inderin zu tun hatte. Die Touristin fragte nochmals, ob meine Nichte wirklich nicht wüsste, was das sei und als meine Nichte wieder verneinte, sagte die Touristin: "You made my day, I will tell my friends that I told an Indian what this is."

Später sind wir nochmal zu den Klangschalen gegangen und haben versucht, Töne herauszubekommen, sind aber kläglich gescheitert.Zu hause haben wir dann Google translation für Klangschale benutzt.

Und weitere Eindrücke aus Indien auf dem Blog von suedasien.info.

Nachtrag 29.03.12: Nach ein paar Tagen offline geht es mit Eindrücken aus Hyderabad weiter:

Seit ein Samstagabend bin ich in Hyderabad und habe an einer Konferenz zu "Indian transnationalism online" teilgenommen.



Es hat allerdings ein paar Tage gedauert bis ich online war und erst heute komme ich dazu zu bloggen. Mal sehen, wieviel ich schaffe. Es kann gut sein, dass ich die nächste Woche auch überwiegend offline sein werde (in Bangalore und Chennai). Auch wenn einige auf der Konferenz behauptet haben, dass der Ort keine Rolle mehr spielt im Internetzeitalter, ist meine Erfahrung eine sehr andere: Online hängt ziemlich vom Ort ab.

Die Konferenz war auch eine interessante Beobachtung in Bezug auf akademische Hierarchien. Auf dem Bild ist der Sessel des Chairs zu sehen.

Hier jetzt noch ein paar weiter Eindrücke vom Campus und drum rum:



Heute war ich in der Bibliothek. Ich habe zwar nicht viel interessantes zur 'indischen Diaspora' gefunden, war aber beeindruckt, wieviele Bücher es zu Rassismus (von europäischen und USamerikanischen Autor_innen) es gibt.



Außerdem ist das Engagement der Studierenden beeindruckend. Ständig gibt es irgendwelche politischen Proteste und Aufrufe.

Beim Dinner des Vice Chancellors im Ausbildungszentrum der Statebank of India war anderes interessantes zu beobachten. Es gab eine Toilette:



und eine für Ladies:



Das ist mal ein schönes Beispiel für das Normale und das Abweichende.

Die Darstellung des Anderen konnten wir dann gestern im Shilparaman Crafts Village besichtigen.



Sowie Erlebnissen im Zug:



Von Delhi nach Hyderabad bin ich mit dem Zug gefahren (AC, 2 tier). Ab Nagpur war ich in meinem kleinen Abteil alleine. Ab und zu habe ich aber Besuch bekomen. Die Großmutter auf dem Weg zwischen verschiedenen Kindern und Enkel_innen kam immer mal wieder vorbei. Die beiden kleinen Mädchen sind immer wieder gekommen. Und der Soldat aus Rajasthan, der in Hyderabad stationiert ist, kam verschiedentlich vorbei. Morgens erzählte er mir, dass ich auf meine Wertsachen aufpassen solle, ihm seien seine Handys gestohlen worden (zwei von drei - er hatte sie neben sich liegen als er geschlafen hat - das mache ich als Touristin natürlich nicht). Kurz vor Hyderabad setze er sich dann länger zu mir und wir sprachen über Politik. Irgendwie kamen wir auf Hitler und der Einschätzung des Soldaten, dass das Naziregime auch nicht anders gewesen sei als die USA heute. Alle wollen halt ihre Macht durchsetzen. Nur die Inder wären nicht ausreichend kämpferisch. Sie hätten noch nie ein anderes Land angegriffen, dabei hätte Indien mal bis Thailand gereicht. Mein Hinterfragen seiner historischen Darstellungen führte dazu, dass er mir erklärte, dass Geschichtsschreibung immer die Geschichtsschreibung der Sieger sei und ihr deswegen zu misstrauen sei. Seine Erzählungen aber seien die wahren.

Kurz vor Hyderabad bot er mir noch an, dass ich ihn jederzeit anrufen könne, wenn ich etwas brauche. Ihm stünden dank seines Jobs viele Ressourcen zur Verfügung. Ich verzichtete dankend und wollte mich lieber auf die Konferenzorganisatoren verlassen als auf die Armee. Da die Angaben zu den PrePaid-Taxis in Hyderabad am Bahnhof dann aber doch nicht stimmten, ging ich dort zur Traffic Police und die besorgten mir einen Theewheeler. Und obwohl der Fahrer nicht wusste, wo die Uni ist, hat er mich erfolgreich hingebracht.

, als Overseas Citizen of India,:

Seit kurzem bin ich OCI (Overseas Citizen of India). Für mich ist vorallem wichtig, dass ich damit lebenslang kein Visa für Indien brauche. Ich habe eine OCI-Card und eine Art OCI-Visa in meinem deutschen Pass. In der Botschaft in Berlin hiess es, dass ich nur meinen Pass zur Einreise brauche. Die OCI-Card habe ich trotzdem mitgenommen, um mich bei Monumenten ausweisen zu können. Bei der Einreise war das ein Glück, denn die Beamten wollten die Card auf jeden Fall sehen und meinten die Leute in der Botschaft hätten keine Ahnung.



Im Red Fort in Delhi hatte ich dann die erste Gelegenheit auszuprobieren, ob ich mit der OCI zur Inderin werde. Für Ausländer_innen ist der Eintritt Rs. 250 für Inder_innen Rs. 10. Wir beschlossen, dass ich Inderin bin und stellten uns in die Schlange. Ein Security-Mann wollte mich in an den anderen Ticketschalter verweisen. Ich argumentierte, ich sei OCI. Nachdem ich dann meine OCI-Card gezückt hatte, war er einverstanden. Am Eingang musste ich sie aber wieder vorzeigen. Ganz offensichtlich sehe ich nicht wie OCI aus.

der Wahrnehmung als Touristin:



Nach unserem Besuch des Red Fort spazierten wir letzten Freitag zur Jama Masjid. Das Mittagsgebet war gerade zu Ende, die Moscheebesucher_innen kamen aus der Moschee und wir warteten auf den Treppen davor, dass wir reingehen konnten. Irgendwann wurden wir dazu aufgefordert. Meine Freundin ging rein, ich wollte hinterher und wurde aufgehalten: ob ich eine Kamera hätte? Ich hatte gesehen, dass eine Kameragebühr (Rs. 200) zu zahlen ist und da ich schon viele schöne Bilder aus der Jama Masjid habe, hatte ich beschlossen, keine Fotos zu machen. Also verneinte ich. Es wurde mir aber nicht geglaubt und immer wieder nachgefragt. Meine Freundin kam zurück, fragte was sei und wurde auch mehrmals gefragt, ob wir keine Kamera hätten. Schliesslich durften wir ohne Gebühr rein.

Kurz darauf stiessen zwei Freundinnen aus Sri Lanka dazu. Die eine war zum erstenmal in Delhi und lief mit ihrer Kamera rum, fotografierte alles. Sie war nicht angesprochen worden, sah wohl nicht nach einer Touristin aus. Dabei war sie viel mehr Touristin als ich. Sie wollte unbedingt auch mal mit einer Fahrradrikscha fahren und dabei fotografiert werden. Als wir in der Rikscha sassen, machte sie sich sorgen, um den Fahrer. Ganz die Touristin.

und noch ein paar Eindrücke von einem queeren Filmabend:

Letzte Woche habe ich einen Abend mit den Leuten von Nigah verbracht. Nigah organisiert queere Filmfestivals und macht Workshops zu queeren Themen. An diesem Abend wollte sie Kurzfilme für einen Workshop aussuchen. Sie sahen eine große Kiste mit Einsendungen zu ihrem Filmfestival durch. Ein paar Filme waren kaum mehr als ein paar Minuten auszuhalten. Andere waren kurz und eindrücklich. Auf einmal sah ich die Berliner Szene auf dem Bildschirm - ein deutscher Film wurde angeschaut. Schon seltsam, wenn mensch gerade nach Indien gereist ist. Noch seltsamer wurde es, als die Kurzfilme ausgesucht waren und ein langer Dokumentarfilm eingelegt wurde. Auch eine Einsendung zum Filmfestival. Nur was haben sich die Einsendenden gedacht? Sollte es eine Comedy-Einlage werden? Zumindest die Nigah-Leute lagen am Boden vor Lachen. Die Protagonistinnen des Dokumentarfilms aber schienen sich sehr Ernst zu nehmen, die Reaktionen wollten sie sicher nicht. Aber wenn weiße alternde Lesben ganz ernsthaft über tantrischen Sex und seine Spiritualität sprechen, diesen auch inszenieren und dabei Feuer-Atem-Orgasmen photoshoppen, dann ist es schon schwierig das Ernst zu nehmen. Insbesondere wenn mensch in Indien sitzt und sich mit den ganzen orientalisierenden Bilder über Indien im Film auseinandersetzen muss.

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