Montag, 19. März 2012
Bloggen aus Indien
will ich in den nächsten drei Wochen auf dem Blog von suedasien.info. Heute habe ich begonnen mit Impressionen von einem Schulbesuch:

Seit gestern bin ich in Indien und habe mir vorgenommen, während dieser dreiwöchigen Reise regelmäßig zu bloggen. Mal sehen, ob das klappt.

Die ersten Tage verbringe ich bei meiner Bua (Tanter väterlicherseits) in Gurgaon, einer aufstrebenden Stadt in der Nähe von Delhi. Meine Nichte hat gerade die Prüfungen in der zehnten Klasse abgeschlossen und hat Ferien. Heute musste sie aber in die Schule, um sich für die weitere Schulzeit zu registrieren. Die Gelegenheit nutzten wir, um uns die Schule zeigen zu lassen.
Die Anlage ist sehr schön. Gut gepflegte Grünanlagen, Blumen in allen möglichen schönen Farben. Sehr angenehm. Auch die Gebäude wirken einladend, offene Flure, Innenhöfe, Ballspielplätze.
In den Gängen hängen lauter höchst akademische oder moralisch erbauende Sprüche, über Erfolg durch Wissen, Umweltschutz, etc. Meine Nichte hat sie noch nie gelesen.

Sie führt uns in ihr Klassenzimmer des letzten Jahres.
Auf jeder dieser Bänke sitzen je zwei Vierzehnjährige. Meine Nichte ist ganz überrascht, dass wir uns über diese Sitzmöbel wundern und dass ich meine, dass solche Bänke auch Hierarchien ausdrücken.

Im Eingangsbereich der Schule entdecke ich eine Tafel mit Fotos aus dem Schulalltag und einem Zeitungsartikel.
Die Schule scheint sich, in der Inklusion von anders befähigten Kindern (so die Wortwahl im Artikel) zu engagieren.

Meine Nichte will den non-medical Zweig der Schule einschlagen, um IT engineer zu werden. Die Arts-Fächer hält sie für die leichtesten (und uninteressantesten). Mal sehen, ob ich ihr was von meiner Begeisterung für diese Fächer vermitteln kann.

Nachtrag 20.03.12: Und heute über einen Spaziergang durch ein Neubauviertel:

Seit ein paar Jahren lebt meine Tante in einem recht komfortablen Wohnblock in einem Neubaugebiet in Gurgaon.
In diesem Gebiet werden auch viele kleine Parks angelegt. Gerade blüht es darin ganz wunderbar.
Die Häuser, die entstehen sind überwiegend recht luxuriös, die Autos der Hausbesitzenden ebenso.
Rund um die Baustellen wohnen die Bauarbeitenden in vorübergehenden Behausungen. So kommt es zu ziemlichen Kontrasten zwischen den Luxusvillen und den einfachen Hütten, zwischen den Reichen in den dicken Autos und den Bauarbeitenden in einfachsten Bedingungen. Dieses Nebeneinander der verschiedenen Klassen und Lebensmöglichkeiten während dieser Phase des Neubaus ist spannend.
In den Parks spielen Kinder, die von ihrer Bekleidung zu urteilen zu den einfachen Hütten und nicht in die Villen gehören. Ich vermute, dass dies ein vorübergehender Spielplatz für sie ist. Zum einen werden ihre Eltern mit ihnen zur nächsten Baustelle ziehen. Zum anderen kann ich mir nicht vorstellen, dass die Bewohner_innen der Luxusvillen, in den Parks auf Menschen mit viel schlechteren Lebensbedingungen treffen wollen.

Meine Nichte meint allerdings, dass die Kinder auch in Zukunft da spielen könnten, wenn sie denn noch da sein würden. - Ich finde die Transformation von (Stadt)Landschaft hier in dem Neubaugebiet spannend.

Nachtrag 01.04.12: Heute nun über die Schwierigkeiten aus Indien zu bloggen, was mich aber trotzdem nicht davon abhält zu bloggen:

Bloggen aus Indien ist gar nicht so einfach. Worüber berichten? Worüber nicht? Und wie überhaupt? Natürlich will ich nicht den exotisierenden-orientalistischen Blick der westlichen Beobachterin reproduzieren. Aber wie das verhindern, denn schließlich bin ich doch die westliche Beobachterin, die mit ihrer westlichen Brille kommt (auch wenn sie rassismuskritisch etc. geschult ist) und so nehme ich bestimmte Dinge wahr und andere weniger. Das was mir besonders auffällt, ist das, was anders ist, als ich das gewohnt bin. Das was normal für mich ist, fällt mir nicht auf. Und über das Normale zu bloggen wirkt langweilig.

Was mache ich mit den Sachen, die ich kritikwürdig finde? Darf ich nicht drüber schreiben, weil ich damit westliche Dominanz reproduziere? Oder reproduziert das Nicht-darüber-Schreiben die westliche Dominanz? Trage ich durch das Auslassen von Kritik zur Romantisierung des Orients bei? Lasse ich dann Solidarität mit den Menschen hier vermissen, die sich gegen Missstände einsetzen?

Es ist gar nicht so einfach, mit dem Wissen um den eigenen orientalisierenden Blick und dem gleichzeitigen Wissen, dass Nicht-Thematisieren auch ein Problem ist, umzugehen

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