Donnerstag, 14. Oktober 2010
Für die Statistikfans
hat die Friedrich-Ebert-Stiftung jetzt eine Studie herausgegeben, die aufzeigt, wie rassistisch die deutsche Gesellschaft ist (siehe auch taz). Im Gegensatz zu dem Volkswirten Sarrazin stehe ich ja nicht so auf Statistiken. In meinem Volkswirtschaftsstudium (mit Schwerpunkt Statistik und Ökonometrie) habe ich zu viel über Statistiken gelernt, um diesen auch nur im entferntesten zu glauben. Aber für alle die, die zur Zahlen glauben, hier ein paar Zitate aus dem taz-Artikel:

"Nach der Befragung diagnostizieren die Forscher für das Jahr 2010 einen "Anstieg von dezidiert antidemokratischen und und rassistischen Einstellungen" gegenüber dem Jahr 2008."

"Mit ihrer Studie verweisen die Forscher darauf, dass "rechtsextreme Einstellungen kein Phänomen der extremen Ränder, sondern in allen Teilen der Bevölkerung anzutreffen sind", wie Oliver Decker am Mittwoch sagte. Elmar Brähler ergänzte: "Wir finden rechtsextreme Einstellungen auch quer durch die großen Parteien. Bei Anhängern der SPD, der Union und der Linkspartei sind sie am stärksten anzutreffen, aber auch innerhalb der Grünen und der FDP.""

"Fast durchgängig findet sich unter Kirchenmitgliedern christlicher Konfessionen eine höhere Zustimmung zu rechtsextemen Einstellungen als unter Konfessionslosen."

"Frauen tendenziell weniger Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen als Männer äußerten."

"So stimmen Befragte, die über 60 Jahre alt sind, rechtsextremen Äußerungen deutlich häufiger zu als jüngere Menschen."


Nach Sarrazinscher Logik müsen wir jetzt also einen Generalverdacht gegen Christen_innen, Männer und alte Menschen aussprechen. Denn das ist ja statistisch bewiesen, dass alle Christ_innen, Männer und alte Leute rassistisch sind. (Mal sehen wie Sarrazin so in die Kategorien passt ...)

Wichtig ist es, die Studie zu kontextualisieren:

"Befragt worden waren die Menschen im April 2010, also noch vor Thilo Sarrazins Thesen zur Integration. "Hätten wird die Befragung heute durchgeführt, wären die Befunde sicher noch extremer", sagte Brähler."

Nachtrag 10.01.11: Statistiken zu Sarrazins Aussagen und Käufer_innen bei der taz oder auch direkt vom Forschungsprojekt Heymat (pdf).

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..'Statistik' und der Glaube daran ist ein gutes Beispiel dafuer, wie exakte Wissenschaft, also Mathematik, unter ihrer Transformation in sog. 'anwendungsnahe' Bereiche leidet und gleichzeitig aber gerade deshalb als 'unwiderlegbares' Argument in diesen Bereichen verwendet wird. Ganz so, wie man glaubte, 'Rassenlehre' auf 'mathematisch-physikalisch-exakte' Art betreiben zu können/müssen.

Was bei den Mathematikern in der Stochastik noch exakte Theoreme sind ('Gesetz der grossen Zahlen' etc.), ist bei den Ökonomen schon 'Heuristtik' und bei den Soziologen/Psychologen undurchschaubares Dogma. Ich kannte eine brillante spätere Mathematikerin und Zahlentheoretikerin, die wegen des Statistik-Wischiwaschis ihr Psychologiestudium geschmissen hat, gleichzeitig aber glauben die Psychologen, darin ihr 'haertestes' Handwerkszeug zu haben, all das ist zu grotesk.

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Habe mir die Studie auch zu Gemüte geführt, mich hat sie in ihrer Klarheit erschreckt (werde dazu in naher Zukunft wohl auch noch etwas zu Papier bringen).

Festzuhalten bleibt nicht nur die immense Verbreitung von Fremdenfeindlichkeit und Chauvinismus. Wichtigste Erkenntnis: Die deutsche Gesellschaft ist in ihrem Wesen undemokratisch. 90 % der Bürger glauben nicht daran, die Politik zu gestalten oder auch nur beeinflussen zu können. 3/4 aller Deutschen lehnen unsere Verfassungsrealität ab. Mit diesen Antworten würden sie alle also keinen Einbürgerungstest bestehen!
Erschreckend: Die ideologische Größe der Schicksalsgemeinschaft "Nation" ist mittlerweile einfach durch die ideologische Größe der Schicksalsgemeinschaft "Wirtschaft" ersetzt worden. Der Deutsche äußert seine Fremdenfeindlichkeit nicht verstärkt dann, wenn es ihm schlecht geht, sondern wenn es "der Wirtschaft" schlecht geht. Repressalien gegen "Ausländer" und "Sozialschmarotzer" sind gerechtfertigt, weil sie gut für "die Wirtschaft" sind. Einbußen in Lohn- und Rechtsfragen nimmt man in Kauf, weil es sonst „der Wirtschaft“ schaden würde. Egal ob man von einem Aufschwung profitiert, was ja nicht mehr der Fall ist, oder nicht.
Zu den fremdenfreundlicheren Frauen muss ich allerdings sagen, dass die Studie explizit sagt, der Unterschied zwischen den Geschlechtern sei zwar durchgängig, erreiche aber nicht den Ausmaß, dass man von Relevanz sprechen könnte. Sprich: Er ist vernachlässigenswert klein. So viel zu meiner männlichen Ehrenrettung : P

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Nachtrag: Ich will ja keine Eigenwerbung betreiben, aber da ich gerade meinen Artikel zu eben jener Studie beendet habe .. sei's drum: http://gonzosophie.de/archives/1210

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