Mittwoch, 21. April 2010
Preise gegen die Anderen
"Für seinen "Mut zu Veränderungen, aber auch Mut zu Widerspruch" hat die Bundes-SPD den Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) mit dem Gustav-Heinemann-Bürgerpreis 2010 ausgezeichnet." berichtet die taz. Der SPD-Parteichef Gabriel sagt: "Heinz Buschkowsky ist ein Berliner Sozialdemokrat, auf den wir stolz sind".
Hier eine kleine Sammlung, worauf die SPD da stolz ist.

Ausserdem hat auch die 'Islamkritikerin' Claudia Dantschke einen Preis bekommen. Die taz hat ein Interview mit ihr geführt. Immerhin sagt auch sie, dass sich Sarrazin klar rassistisch geäußert hat. Andererseits sagt sie auch:

"der Hang, die Verantwortung für Negatives immer bei anderen zu suchen, der zu Verschwörungstheorien führt."

Das lässt sich in verschiedene Richtungen interpretieren. Und ich kann da schon auch einiges nachvollziehen. Ich sehe diese Aussage aber auch als Abwehr gegen die Analyse, dass wir in Deutschland antimuslimischen Rassismus haben.

Nachtrag 29.04.10: Die taz hat über die Vergabe des Deutschen Filmpreises berichtet und sich gefragt, warum bestimmte Preise vergeben wurden. So hat der Film "Das weiße Band" sehr viele Preise bekommen,a ber nicth den für die beste weibliche Hauptrolle:

"Warum nun ausgerechnet Susanne Lothar, die Hauptdarstellerin bei Haneke, keine Auszeichnung bekam? Ihr Auftritt als gedemütigte Haushälterin und Geliebte des Dorfarztes war nun wirklich preiswürdig. "

Der Preis ging stattdessen an Sibel Kekilli (wunderbare Hauptdarstellerin in Gegen die Wand) für ihre Hauptrolle in Die Fremde. Christina Nord von der taz vermutet:

"Vielleicht wollten die Akademiemitglieder wenigstens in einer der wichtigen Kategorien für Abwechslung sorgen, vielleicht lag es auch daran, dass "Die Fremde" von der Unterdrückung und Bedrohung einer jungen Deutschtürkin durch ihre eigene, traditionsverhaftete Familie erzählt. Der Film greift ein Thema auf, das als gesellschaftlich relevant gilt, und gehört zu jenem vordergründig politischen Kino, das weniger Zweifel denn Gewissheit stiftet: Die anderen sind rückständig und gewalttätig, wir, die wir den Film sehen, bekommen das gute Gefühl, liberal und fortschrittlich zu sein. "

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Antimuslimischer Rassismus?
Seit wann sind Muslime eine Rasse?

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Rassen gibt es überhaupt nicht
aber Rassismus durchaus. Zu antimuslimischen Rassismus schreibt z.B. Iman Attia.

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Macht es denn dann Sinn, überhaupt von Rassismus zu sprechen? Das wäre ja wie Liberalismus ohne Freiheit oder Feminismus ohne Frauen.

Nach meinem Verständnis liegt der Rassismus darin, den „Rassen“ (als Gruppe von vererbbaren, äußerlich erkennbaren Merkmalen bestimmter Menschengruppen) eben das zuzuschreiben, was sie in ihrer Definition erwähnen: dass bestimmte kollektive Mentalitäten unterstellt und diese abgewertet werden, bzw. dass bestimmte negative Eugenschaften mit den physischen Merkmalen verbunden werden, z.B. dass Schwarze faul seien.

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Die Behauptung
dass es Rassen gäbe, ist ein Teil von Rassismus. Rassen gibt es nicht, Rassismus sehr wohl.

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Keine sehr argumentative Antwort.

Dass sich Europäer Asiaten und Afrikaner durch bestimmte, vererbte, physische Merkmale unterscheiden, ist wohl Tatsache. Ob man das als "Rasse" bezeichnet oder sonstwie, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass entsprechende psychische oder kulturelle Merkmale nicht nachweisbar sind.

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Das ist nicht Tatsache, sondern Rassismus.

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Vielleicht können sie das etwas näher ausführen?

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Literaturhinweise
Einen Verweis auf den Rassismustheoretiker Paul Mecheril hatte ich schon gegeben.

Ein anderer Lesehinweis:
AG gegen Rassismus in den Lebenswissenschaften (Hrsg./ 2009): Gemachte Differenz. Kontinuitäten biologischer "Rasse"-Konzepte, Münster: Unrast-Verlag.

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Na gut, ich habe mich mal über die Theorien des Herrn Mecheril informiert. Ich denke, diese Kritik seines Buches: http://www.socialnet.de/rezensionen/2066.php gibt seine Ideen ganz gut wieder , und die Rezensentin steht dem Buch im wesentlichen positiv gegenüber.

Da heißt es z.B.: „Die Analyse erfolgt auf der Basis der Diskurstheorie. Mecheril betont zu Recht: "... weil Diskurse in komplexer Weise mit Institutionen verbunden sind, konstituieren sie sich als materielle Wirklichkeit", weil Sprache ein "wirklichkeitstragendes und -konstituierendes Phänomen" ist (S. 43).“… “In Diskurse gehen Machtverhältnisse mit ein, und daher ist es so wichtig, sich über Begriffe zu veständigen. "Diskurse über Andere machen die Anderen zu dem, was sie sind und produzieren zugleich Nicht-Andere"

Das ist offensichtlich Unsinn. Wirklichkeit konstituiert Sprache, nicht umgekehrt. Voraussetzung für Sprache sind Sprecher, also physische existierende Menschen, und die kommen bekanntlich nicht durch Sprechakte in die Welt. Die Wirklichkeit existiert auch, wenn niemand über sie spricht. Weiter:

„Im sechsten Kapitel übt Mecheril Kritik an der Fremdheit, indem er den Rassismusbegriff thematisiert. Rassismus ist demnach "als ein Phänomen zu verstehen, in dem im Hinblick auf ethnisch-'rassische' und kulturelle Merkmale das Verhältnis von gesellschaftlichen Minderheiten und gesellschaftlicher Mehrheit erneuert, bestätigt, symbolisiert und praktiziert wird" (S. 194).“

Hier ergibt sich auch wieder die Frage: Warum spricht man von „Rasse“, wenn es um kulturelle, soziale, religiöse Merkmale von Menschen geht? Wenn ich recht sehe begründet weder Mecheril, noch die Autoren, die er zitiert, noch sie irgendwo diese Ausweitung des Begriffs. In gewisser Weise ergibt sich das natürlich aus den theoretischen Voraussetzungen nach denen Sprache Realität erst herstellt, und wenn es nur um Begriffe geht, kann man Rasse und Religion natürlich gleich behandeln. Aber diese Voraussetzung ist eben falsch, was auf der Hand liegt. Darüber hinaus hat sie natürlich auch relativistische Konsequenzen, da es unter diesen Voraussetzungen keine objektive Realität geben kann.

„Rassismus ist eine "Errungenschaft" der Moderne,“ Falsch, Bildungslücke. Ein deutscher Universitätsprofessor sollte schon mal was von Aristoteles gehört haben, der behauptete, Nichtgriechen seien von Natur aus zur Sklaverei bestimmt, und was Cicero und Tacitus über die Juden schreiben ist auch ziemlich rassistisch. Im islamischen Sevilla des 12. Jahrhunderts durften sich Muslime nicht nahe bei Christen, Juden oder Leprakranken ansiedeln. Usw.usw.

Rassismus als Errungenschaft der Moderne bedeutet natürlich auch, dass Rassismus eine Erfindung der westlichen Kultur sei, die ja die Moderne hervorgebracht hat, und auch das ist falsch. Rassismus gibt es überall auf der Welt, auch in Afrika und Asien, und gelegentlich auch gegen weiße Europäer bzw. deren Nachkommen.

Damit ist ein weiterer kritischer Punkt angesprochen: Sowohl Mecheril (wie auch sie, soweit ich sehe) sehen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit immer nur im Kontext Europas bzw. des Westens. Angesichts der Globalisierung ist das unangebracht und führt natürlich zu einer verzerrten Wahrnehmung. Wie schätzen sie den Konflikt in Darfur ein, Araber gegen Schwarzafrikaner? Kein Rassismus?

Auffällig ist auch, das sich Mecheril immer wieder auf einige wenige Autoren bezieht (Foucault, Judith Butler, Stuart Hall, den späten Wittgenstein) und alternative theoretische Ansätze nicht zur Kenntnis nimmt (oder zumindest in seinen Schriften nicht rezipiert). Man fragt sich warum? Jemand, der sich dermaßen extensiv über Sprache auslässt, sollte schon mal was von Biolinguistik bzw. Sprachevolution gehört haben.

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Wissenschaftliche Schulen
Es kann gut sein, dass wir uns da auf unterschiedliche theoretische Schulen und Argumentationslogiken beziehen. Wenn dem so ist, werden wir da auch kaum zu gemeinsamen Einsichten kommen können (dabei beziehe ich mich auf wissenschaftstheoretische Überlegungen von Thomas Kuhn und Imre Lakatos). Von offensichtlichem Unsinn zu sprechen, halte ich allerdings nicht für eine besonders wissenschaftlich-analytische Aussage.

Mein Rassismusbegriff ist im wesentlichen durch Mecheril (und andere Autor_innen der kritischen Rassismusforschung) geprägt. Auf dieser Basis sind auch die Beiträge in diesem Blog zu verstehen.

Für eine Kritik Mecherils Ansatzes wäre es allerdings hilfreich nicht nur eine Rezension zu lesen, sondern das Buch als solches. Da würden zum Beispiel die Ausführungen zur Moderne in ihrer Komplexität besser erfasst werden können.

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Ich weiß, Kuhn ist der einzige Wissenschaftstheoretiker, der von Sozialwissenschaftlern gelesen wird, aber wenn sie auch der Meinung sind, dass es keine allgemeingültigen Standards zur Wahrheitsfindung gibt, frage ich mich schon, woher sie die große Sicherheit nehmen, mit der sie andere als Rassisten beschimpfen?

Das ist ja das Problem aller Diskurstheorien, dass sie aufgrund ihres immanenten Relativismus konsequenterweise keinen Wahrheitsanspruch erheben können. Von der Begründung politischer Praxis ganz zu schweigen.

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Ich beschimpfe nicht, sondern analysiere. Dabei lege ich die Grundlage meiner Analyse offen.

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jemand, der die menschliche Wirklichkeit ganz offenbar aus allem abseits menschlicher Diskurse herzuleiten imstande ist, der 'Sprache' mit diesen Diskursen kurzschliesst und am Ende mehr diskursive Realitaet, vor allem Objektivitaet in 'Biolinguistik' findet als in menschlichen Dispositionen von gesellschaftlicher Wirklichkeit kann natuerlich dem hiesigen nicht folgen. Biolinguistik ist allein aus naturwissenschaftlicher Perspektive, noch viel eher aus der Perspektive der Gesellschaftstheorie, aehnlich 'weich' wie die philosophische 'Postmoderne' aus Poppers Perspektive sein mag, hier sollte man besser nicht mit Steinen werfen, wenn man argumentativ im Glashaus sitzt.

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