Sonntag, 13. Januar 2008
Rassismusversionen
Wenn CDU-PolitikerInnen rassistische Hetze fördern, ist das ein legitimes Hinweisen auf ein Problem.

Wenn ein SPD-Politiker die rassistische Hetze als solche benennt, dann ist das schlechter Stil und er muss sich dafür mindestens entschuldigen.

Wenn jene, die rassistische ausgegrenzt werden, darauf hinweisen, dass es sich um eine rassistische Kampagne handelt, dann wirft die CDU-
"Fachpolitikerin für Extremismus im Bundestag, Kristina Köhler ... dem TGD in einer Pressemitteilung vor, er "füttere schon seit Jahren gemeinsam mit islamistischen Verbänden den wachsenden deutschenfeindlichen Rassismus"." (von tagesschau.de).

Die Opfer sind die TäterInnen und die TäterInnen arme Opfer. So lässt sich die Welt zurecht rücken.

Nachtrag 15.01.08: In Tschechien verfährt ein christdemokratischer Politiker ähnlich: Er erklärt, die Roma, die in Tschechien massiver Diskriminierung ausgesetzt sind, kollektiv zu TäterInnen (die taz berichtet.

... comment

 
Bezüglich TGD und islamistischen Verbänden kann ich keine Aussagen treffen.
Fakt ist, dass ich als Jugendlicher ab und zu Gewalt oder Repressionen ausgesetzt war, und dass dies in über 50% aller Fälle von Ausländern ausging.
Die "Jugend-Gangs", von denen man sich so erzählte und von deren Mitgliedern ich auch den einen oder anderen zu Gesicht bekam, bestanden zu 90% aus Türken. Über verläßliche Quellen - ich hatte eine enge Freundschaft mit einem supernetten Türken, der diese Leute kannte, und stand in Kontakt mit Leuten, die mehr oder weniger danach strebten, in die Gunst dieser Gangs zu gelangen - hörte ich in der Tat von "deutschfeindlichem" Gedankengut in diesen Kreisen. Überhaupt war es nur möglich dort akzeptiert zu werden, wenn man einen Türken kannte, der mit denen mehr oder weniger eng in Kontakt stand.
Den supernetten Türken, von dem ich sprach, erfüllte es manchmal mit Scham, wenn er von den Pöbeleien "seiner Landsleute" hörte.

Dieser Bericht ist natürlich nur der einer einzigen Person. Wie repräsentativ das war bzw. ist, weiß ich nicht. In jedem Fall kann man den Gedanken, dass es auch einen "deutschfeindlichen Rassismus" gibt, ja mal überprüfen.

... link  

 
Ist es tatsächlich so, dass in 50% aller Fälle, die TäterInnen aus dem Ausland angereist kamen, um die Tat zu begehen? Oder waren es doch vielleicht eher InländerInnen?
Kamen die Mitglieder der Gangs direkt aus der Türkei? Oder waren auch das BewohnerInnen des gleichen Stadtviertels?
Wer ist 'Deutscher'? Was sind Landsleute?

Wer sein Leben lang an seinem Wohnort rassistisch ausgegrenzt wird, wer immer wieder gesagt bekommt, dass sie/er nicht dazu gehört, die/der übernimmt möglicherweise die Argumentationsmuster und Kategorisierungen des Rassismus. Dann reagieren manche von denen, die als 'AusländerInnen' und 'TürkInnen' aus Deutschland verwiesen werden, indem sie die Argumentationsmuster umdrehen und gegen jene in der privilegierten Machtposition verwenden. Sie machen das aber im Gegensatz zu den 'weißen' Machtvollen aus einer relativ machtlosen Position (in der körperliche Gewalt als eine der wenigen Inszenierungen von Macht übrig bleibt).

Das wesentliche Problem ist, dass Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, die hier gelebt haben und leben werden, permanent aus der Gesellschaft verwiesen werden. Es geht hierbei nicht um 'AusländerInnenkriminalität' sondern um 'InländerInnenkriminalität'.

... link  

 
Es mag wahr sein, dass manche ihren Rassismus als Kontrareaktion erst entwickeln. Aber das heißt noch lange nicht, dass es immer so ist und dass die Schuld für eine mangelnde Integration immer zuerst bei den "Deutsch-Deutschen" zu suchen sei. Vielleicht ist es ja sogar andersrum? Für körperliche Gewalt habe ich in jedem Fall kein Verständnis.
Der supernette Türke, von dem ich sprach, ist jedenfalls hervorragend integriert - wahrscheinlich weil er supernett ist und einfach auch keine Lust hatte, sich nur mit seinen "Landsleuten" abzugeben.
Ich glaube, er hatte lange Zeit keinen deutschen Paß. Offensichtlich hatte sein offizieller Status als "Ausländer" seinen sozialen Integrationsprozess nicht beeinträchtigt.
Es war für ihn kein Symbol der Ausgrenzung, sondern nur eine Formalität am Rande.
Er wurde in seinem subjektiven Empfinden also weder durch die ihn umgebenden Mitmenschen "an den Rand der Gesellschaft verwiesen" noch durch die deutschen Gesetze.

... link  

 
So richtig integriert, scheint der Supernette ja immer noch nicht sein. Dann müsste er ja nicht mehr Türke genannt werden und mit irgendwelchen 'Landsleuten' verglichen werden.

Und ein 'ausländischer' Pass ist ganz sicher nicht nur eine "Formalität am Rande". Der hat ganz konkrete Auswirkungen. Unter anderem immer die Gefahr der Ausweisung. Aber auch ganz simpel, die regelmäßige Auseinandersetzung mit der Ausländerbehörde. - Alles so Sachen, die frau als 'Deutsch-Deutsche' nicht mitbekommt.

Ich kann mich nicht entsinnen, an irgendeiner Stelle körperliche Gewalt gut geheißen zu haben. Oder ein Automatismus einer bestimmten Reaktion auf Rassismuserfahrungen.

Aber ich greife ganz sicher an, dass mit dem (theoriefreien) Schlagwort "deutschenfeindlicher Rassismus" vom eigenen Rassismus abgelenkt werden soll.

... link  

 
Integration heißt für mich nicht, dass man überhaupt keine Unterschiede mehr wahrnehmen und benennen darf.
Keiner der ihn umgebenden "Deutsch-Deutschen" behandelt den "supernetten Türken", wie ich ihn genannt habe, schlechter oder besser, weil er "Anders-Deutscher" ist. Insofern ist er sozial vollkommen integriert.
Wieviel Wert man auf die Kategorien "deutsch-deutsch" oder "anders-deutsch" legt, liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen. Hier legt auch manch ein "Anders-Deutscher" oder "Nicht-Deutscher" die Betonung bewußt auf seine Abstammung.
Ich lege nicht viel Wert auf diese Kategorien bzw. diese Unterscheidungen, erlaube mir aber, sie anzuwenden.

... link  

 
Rassistische Unterscheidungen sind rassistische Unterscheidungen, egal wie sie legitimiert werden. Solange Menschen in Deutschland TürkInnen genannt werden, wird ihnen die Zugehörigkeit zu Deutschland verweigert.

Und Rassismus ist immer mit Macht verbunden. Rassismus ist strukturell in Gesellschaften verankert, durch Wissensproduktion legitimiert und funktioniert dadurch, dass alle die rassistische Unterscheidungspraxis für natürlich halten. Auch die rassistisch Ausgegrenzten machen dies. Die gesellschaftliche Macht dies in einen "deutschen-feindlichen Rassismus" umzusetzen, fehlt den rassistisch Ausgegrenzten in Deutschland aber. Dagegen stehen die hegemonialen Strukturen und Wissensproduktionen.

... link  

 
Einen "deutschen-feindlichen Rassismus" für unmöglich zu erklären, weil er in der "Gesellschaft" keine (große) Macht entfalten kann, halte ich für logisch unsauber. Rassismus ist ja nicht erst Rassismus, wenn er gesellschaftlich stark verbreitet ist.
Wie auch immer, ich durfte ihn erleben.

... link  

 
Ich beziehe mich dabei auf die Kennzeichen des Rassismus, die Paul Mecheril in seiner Einführung in die Migrationspädagogik (Weinheim: Beltz, 2004), S. 193-194 ausführt:

"Solange eine Gruppe nicht die Macht hat, spezifische Ausgrenzungspraxen gesellschaftlich durchzusetzen, handelt es sich in gewisser Weise um eine "proto"-rassistische Praxis. Rassismus entfaltet sich aufgrund der Verfügbarkeit der Mittel zum sozialen Wirksamwerden der Unterschiedkonstruktionen .... Rassismus muss als gesellschaftliches Phänomen und nicht als Phänomen individueller "Einstellungen" ... oder individueller Verantwortung verstanden werden. Rassismus ist eine gesellschaftliche und gesellschaftlich produzierte Erscheinung, eine gesellschaftlich vermittelte Handlungsbereitschaft ..., in der Macht- und Herrschaftsverhältnisse zum Ausdruck kommen, ein Phänomen, das zwar von Individuen vermittelt und getragen wird, das aber nicht in den Handlungen des oder der Einzelnen aufgeht ..."

Es kann also sein, dass in Deutschland einige rassistisch Ausgrenzte auch rassistische Einteilungen von Menschen machen. Solange sie aber nicht die gesellschaftliche Macht haben, diese durchzusetzen (in Institutionen und Strukturen) ist es theoretisch nicht sinnvoll von Rassismus zu sprechen.

Es geht nicht darum, ob die einen besser sind als die anderen. Es geht darum, wie gesellschaftliche Macht verteilt ist und wie diese zur Sicherung der eigenen Privilegien genutzt werden kann.

... link  

 
Da setze ich meinem Fokus eben anders. Ich betone immer die Verantwortung des Individuums.
Wenn Herrn Paul Mecherils Ansicht für Sie das Maß der Dinge ist, bitteschön. Ich wette, es gibt auch Soziologen, die hier eine andere Begriffsdefinition vorziehen.
Aber ich schenk Ihnen auch gerne den Begriff "Rassismus" und weiche auf einen andern aus - ich nenne es einfach - mit Verlaub - "scheiße", dass ich in meiner Jugend aufgrund der Tatsache, dass ich als "deutsch" gelte, mit größerer Wahrscheinlichkeit Angriffen ausgesetzt war.
Irgendwann sagte ich zu meinem Vater dann: "Wenn ich dann wählen darf, wähle ich die Republikaner!", und er gab zu Bedenken, dass ich damit aber auch viel Schlechtes mitwählen würde.
Heute habe ich genug Abstand dazu und gebe mich eher der potentiellen Wahrheit hin, dass sich diese Verhältnisse gebessert haben. So voll und ganz glauben, kann ich es allerdings nicht.
In jedem Fall sollte es erlaubt sein, das Problem anzusprechen, und ggf. auch genauere Statistiken darüber zu erheben und Untersuchungen einzuleiten. Wie man das Problem nennt, ist nicht so wichtig. In jedem Fall spielt es eine Rolle im Verhältnis zwischen "Deutschen" und "Nicht-Deutschen".

... link  

 
Ausgangspunkt unserer Diskussion war, dass CDU-PolitikerInnen dem Vorwurf eine rassistische Kampagne zu verfolgen damit begegnen, dass sie den rassistisch Ausgegrenzten Rassismus gegen 'Deutsche' unterstellen. (Der Begriff 'Deutsch' durch die CDU-PolitikerInnen ist dabei rassistisch geprägt, denn er spricht all jenen 'Deutschen', die nicht dem CDU-Bild von 'Deutschen' entsprechen, das Deutsch-Sein ab).

Eine solche Ablenkung von der eigenen Macht und den eigenen Privilegien, die Verschiebung der Schuld zu den Marginalisierten ist typisch für rassistisch strukturierte Gesellschaften, wie sie von RassismustheoretikerInnen (nicht nur Mecheril) analysiert werden. - Darauf wollte ich hinweisen.

Das heißt allerdings nicht, dass es nicht rassistisch Ausgegrenzte in Deutschland gibt, die sich mit Gewalt gegen 'Deutsche' wenden (dabei den rassistischen Diskurs in Deutschland aufnehmen und umkehren - mit mehr oder weniger ausformulierten Weltbildern, die dies als gerechtfertigt legitimieren). Dem muss entgegen gewirkt werden. Aber nicht in dem diese gesellschaftlich realtiv-machtlosen Machtausübungen mit einer gesellschaftlich sehr machtvollen rassistischen Kampagne gleichgesetzt werden.

... link  

 
Dass hier möglicherweise Tatsachen verzerrt werden, will ich gar nicht abstreiten.
Ich wollt nur meinen Finger heben und melden, dass das jedenfalls nicht total absurd ist.
Wie repräsentativ meine Erfahrungen sind, weiß ich, wie gesagt, nicht. Vielleicht sollte man diesen Punkt aber etwas ernster nehmen.
In jedem Fall ist Rassismus nicht immer nur "made in Germany".

... link  

 
Ich hatte es bisher so verstanden, dass diese Erfahrungen in Deutschland gemacht wurden. In Deutschland haben Menschen, die nicht als 'Deutsche' verstanden werden, jene, die als 'Deutsche' anerkannt werden, ausgegrenzt und ihnen Gewalt angedroht. Richtig? Dann wäre diese Ausgrenzung durchaus eine "Made in Germany" (wenn auch nicht - direkt - durch 'Germans').

... link  

 
Wenn Sie das so wörtlich nehmen wollen...

... link  

 
Was halten Sie von Heribert Seiferts Artikel, den ich hier gefunden habe?:

http://litart.twoday.net/stories/4627512/

... link  

 
Ich denke unsere Argumente sind an dieser Stelle ausgetauscht. Ich will mich nicht weiter wiederholen.

... link  


... comment