Donnerstag, 4. Oktober 2007
Segen der Erde
"Nichts unterjocht und beherrscht euch Leute von Sellanraa, ihr habt Ruhe und Macht und Gewalt, ihr seid umschlossen von der großen Freundlichkeit." sagt die Figur Geißler am Ende des Romans "Segen der Erde", für den der norwegische Autor Knut Hamsun 1920 den Literaturnobelpreis bekommen hat.

Der Roman preist das Leben der 'Ansiedler' im 'Ödland', die sich die Erde Untertan machen. Und er scheint noch heute wichtig zu sein. In der Buchhandlung am Markt stand gleich eine ganze Reihe vondeutschen Übersetzungen. Meine Kollegin schwärmte von Hamsuns Sprache und meinte, sie könne sich an nichts Problematisches im Buch erinnern. Und wenn, dann wäre es der Zeit geschuldet.

Mein Eindruck allerdings war von der zweiten Zeile an ("Der Mann, der Mensch, der erste ..."", dass dieses Buch zutiefst sexistisch ist und drei Zeilen später (".. später schnupperte allmählich der oder jener Lappe ..." stellte sich raus, dass es auch durch und durch rassistisch ist. Dieser Eindruck der ersten Zeilen verfestigte sich mit jeder weiteren Seite. Die Frauen haben den Männern zu Diensten zu sein, die Samen sind verabscheuungswürdige Nebenfiguren. Zumindest in der deutschen Übersetzung wird das N-Wort benutzt und es gibt einen herabwürdigen Verweis auf 'Juden'.

Zurück zu Geißlers Zitat oben. Ganz offensichtlich spricht er nur die 'norwegischen' Männer von Selanraa an. Die, die sich das Land einfach angeeignet haben, ganz unberührt davon, dass es das Land der Samen war. Die, die bei jeder Begegnung mit (und jedem Reden über) Samen, diese ausgrenzen und erniedrigen. Die Männer, die für ihre neue Ansiedlung eine weibliche Hilfe brauchen. Und diese, wenn sie denn in die Einöde kommen, nicht nur gnadenlos ausbeuten sondern sie auch vergewaltigen ("Nachts lag er da und war gierig nach ihr und bekam sie.") und schwängern, damit sie ihnen ein Leben lang als kostenlose weibliche Hilfe zur Verfügung stehen ("Er sah sehr wohl ein, was er mit dem Tode dieses Kindes verloren, daß er nun alle Aussicht hatte, in seinem Neubau ohne Hilfe zu sitzen ...".

Sprachlich lässt sich das Buch recht gut lesen. Ein Produkt seiner Zeit ist es sicher auch (und Hamsuns politischer Überzeugung, die sich später in seiner Unterstützung für den deutschen Nationalsozialismus kund getan hat) Es lässt sich auch viel über 'norwegische' Mythen lernen. Empfehlen kann ich das Buch aber trotzdem nicht. Es muss auch in Norwegen zu der Zeit sozialkritischere Literatur gegeben haben.

Diese Männer sind zwar sicher auch unterjocht in der einen oder anderen Weise. Ob sie die Ruhe haben, ist zu bezweifeln. Macht, jene zu unterdrücken, die gesellschaftlich unter ihnen stehen, haben sie allerdings und die nutzen sie auch. Schleierhaft ist mir allerdings, wo Geißler (Hamsun) die Freundlichkeit sieht, die sie umschliesst. Davon habe ich nichts gemerkt.

... comment


To prevent spam abuse referrers and backlinks are displayed using client-side JavaScript code. Thus, you should enable the option to execute JavaScript code in your browser. Otherwise you will only see this information.