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Sonntag, 18. Dezember 2022
No Car?
urmila, 18:16h
Freitagabend habe ich meine Unterkunft in Delhi verlassen. Der Angestellte, der mich zum Tor herausliess, schaute sich um und fragte verwundert: "No Car?" Meine Antwort, dass ich die Metro nehmen würde, verwunderte ihn vielleicht noch mehr. Er fragte: "To the Airport?" Ja, zum Flughafen. Gar kein Problem. 10 Minuten Fussweg zur Metro-Haltestelle. Dann 10 Minuten in die falsche Richtung zum Zentrum der Metro, von dort dann mit dem Airport Express zum Flughafen. Dort direkt ankommen. Alles sehr stressfrei, während auf den Strassen die Autos im Stau standen. Kann ich nur empfehlen. Allerdings nur, wenn das Gepäck beim Umsteigen längere Distanz transportiert werden kann. Und es dürfen keine Messer und Alkohol im Gepäck sein, da mensch damit nicht Metro fahren darf. So wartet mein Taschenmesser jetzt in Delhi auf mich.
In Berlin dachte ich dann, dass ich mit der S-Bahn auch hervorragend nach hause komme. Eine Direktverbindung. Eigentlich. Gestern war aber SEV (Schienenersatzverkehr). Und minimale Informationen, nahezu keine am Flughafen. Für Menschen ohne Lokal- und Sprachkenntnisse eine absolute Unverschämtheit. Für Leute mit eigentlich auch. Die richtige Bushaltestelle für den SEV in Altglienicke zu finden, war gar nicht einfach, wir waren aber viele und so gelang es. Der Bus wurde dann immer voller und fuhr ganz schön lange. In Baumschulenweg gab es dann keine direkte Verbindung zum Treptower Park und ich habe mir doch noch ein Taxi genommen.
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Donnerstag, 15. Dezember 2022
Männer
urmila, 12:42h
In meinem Forschungsprojekt zur Anwerbung von Krankenschwestern aus Kerala geht es auch um deren Ehemänner und damit um Männlichkeit. Und so bekam ich schon bei meinen ersten Gesprächen in Delhi so einige Kommentare zu Männern.
Eine meiner Gesprächspartnerinnen im India International Centre erklärte, dass Männer in Indien das Geld kontrollieren. Das wäre auch bei ihr der Fall, obwohl sie als Dozentin an der Universität arbeitet. Auch eine meiner Kolleginnen meinte, dass Männer das Geld kontrollieren, auch wenn sie weniger verdienen als ihre Ehefrauen. Zudem meinte sie, dass sie nichts im Haushalt machten, auch wenn ihre Ehefrauen berufstätig seien. Stattdessen würden sie den ganzen Tag nur aufs Handy schauen.
Wie weit diese Einschätzungen zur Kontrolle von Finanzen und Anteil an Hausarbeit von Männern mit der Lebenswirklichkeit von Männern* in Indien zusammenpassen, kann ich nicht beurteilen. Das wird natürlich viel diverser sein. Was ich aber durchaus bestätigen kann, ist dass die meisten Männer*, die im öffentlichen Raum rumsitzen (zumeist weil sie als Security nichts zu tun haben), dabei auf Handys starren und Videos schauen. Das erklärt vielleicht zum Teil auch, warum Handyverträge hier viel größere Datenvolumen haben als in Deutschland.
Aufs Handy starrende Frauen* sehe ich weniger. Sie sitzen aber auch viel weniger im öffentlichen Raum rum. Sie machen andere Arbeiten und sind in der Öffentlichkeit weniger präsent.
Die Definition der Frau über einen Mann habe ich auch bei dem Abschluss meines Handyvertrags erfahren. Dort sollte ich den Namen meines Ehemannes oder meines Vaters angeben. Als ich nachfragte warum, wurde mir erklärt, dass ich damit identifizierbar bin, wenn eine andere Kundin den gleichen Namen hat. Auf meine Frage, ob ich auch den Namen meiner Mutter hätte angeben können, wurde dies bejaht. Standard ist aber die Identifizierung über Männer.
Und auch in der Wissenschaft lässt sich viel perfomative Männlichkeit beobachten. Ich habe hier sehr viel mehr mit Männern* zu tun als in Berlin. Und erlebe daher viel mehr Dominanzgehabe und ganz selbstverständliches unreflektiertes Ausnutzen von männlichen Privilegien, sowohl von Wissenschaftlern aus Indien als auch aus Deutschland. Da deckt sich der Tisch von selbst ab, ohne ihr zutun. Das Weiterreichen von Schüsseln ist Aufgabe der Frauen*. Und dass sie sich gerade in den Ladies Coach der Metro setzen wollen, muss ihnen erst gesagt werden. Und nicht alle verstehen, dass sie da nichts zu suchen haben. Die Männer* sind in der Tendenz selbstverständlich da, nehmen Raum ein, bekommen Aufmerksamkeiten. Und können dann auch ganz verständig und freundlich sein, wenn sie aufgefordert werden, etwas anders zu machen. Während die Frauen* eher selbstverständlich Care-Aufgaben übernehmen, auf die anderen achten.
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Mittwoch, 14. Dezember 2022
Zeitartikel über Inder_innen in Deutschland
urmila, 12:40h
Die britische Journalistin Gouri Sharma hat für die Zeit einen Artikel über indische Migration nach Deutschland geschrieben.
Dafür hat sie auch mich interviewt. Das war interessant, da sie mich in Englisch interviewt hat und dann die Zitate, die sie nutzen wollte, von jemanden anderen ins Deutsche übersetzt wurden. Eine zweifache Übersetzung, die ich immerhin Korrektur lesen konnte. Wäre das Interview aber gleich in Deutsch gewesen, hätte ich mich sicher anders ausgedrückt.
Als ich dann den fertigen Artikel gesehen habe, habe ich mich doch sehr über die Bebilderung gewundert. Wer hatte wohl die Idee, das hinduistische Fest Diwali für die Fotos zu nutzen? Es reproduziert auf jeden Fall das Bild der farbenfrohen, spirituellen, exotischen Anderen, das der Text sonst nicht so stark produziert.
Um die Kommentare zu lesen, habe ich extra ein Kurz-Abo abgeschlossen. Sie waren interessant. Viele mussten irgendwie darauf hinweisen, dass in Indien doch Frauen unterdrückt werden. Nur eine Person (wenn ich mich recht erinnere) hat viel relevanter darauf hingewiesen, dass mensch sich in Kontext Indien doch mit Hindu-Nationalismus beschäftigen sollte. Indien ruft immer wieder die gleichen Bilder hervor.
PS: Meine These, dass die neueren Migrant_innen weniger Deutsch lernen müssen, wird gerade von einer sehr netten Kollegin hier bestätigt. Sie lebt, wenn sie nicht gerade mit einem Fellowship in Delhi ist, seit vielen Jahren in Deutschland und kann kaum Deutsch.
Und wenn ich noch ein paar Jahre in Indien wäre, würde ich vermutlich auch weiterhin kaum Hindi können. Ich komme (wie sie) so durch und andere Sachen erscheinen immer wichtiger als Sprachkurse. Ausserdem halten die sozialen Medien mensch verbunden mit dem Herkunftsland und -sprache.
Dafür hat sie auch mich interviewt. Das war interessant, da sie mich in Englisch interviewt hat und dann die Zitate, die sie nutzen wollte, von jemanden anderen ins Deutsche übersetzt wurden. Eine zweifache Übersetzung, die ich immerhin Korrektur lesen konnte. Wäre das Interview aber gleich in Deutsch gewesen, hätte ich mich sicher anders ausgedrückt.
Als ich dann den fertigen Artikel gesehen habe, habe ich mich doch sehr über die Bebilderung gewundert. Wer hatte wohl die Idee, das hinduistische Fest Diwali für die Fotos zu nutzen? Es reproduziert auf jeden Fall das Bild der farbenfrohen, spirituellen, exotischen Anderen, das der Text sonst nicht so stark produziert.
Um die Kommentare zu lesen, habe ich extra ein Kurz-Abo abgeschlossen. Sie waren interessant. Viele mussten irgendwie darauf hinweisen, dass in Indien doch Frauen unterdrückt werden. Nur eine Person (wenn ich mich recht erinnere) hat viel relevanter darauf hingewiesen, dass mensch sich in Kontext Indien doch mit Hindu-Nationalismus beschäftigen sollte. Indien ruft immer wieder die gleichen Bilder hervor.
PS: Meine These, dass die neueren Migrant_innen weniger Deutsch lernen müssen, wird gerade von einer sehr netten Kollegin hier bestätigt. Sie lebt, wenn sie nicht gerade mit einem Fellowship in Delhi ist, seit vielen Jahren in Deutschland und kann kaum Deutsch.
Und wenn ich noch ein paar Jahre in Indien wäre, würde ich vermutlich auch weiterhin kaum Hindi können. Ich komme (wie sie) so durch und andere Sachen erscheinen immer wichtiger als Sprachkurse. Ausserdem halten die sozialen Medien mensch verbunden mit dem Herkunftsland und -sprache.
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Dienstag, 13. Dezember 2022
Indien-EU-Beziehungen
urmila, 10:07h
Am Samstag war ich bei einer Podiumsdiskussion des Indo-German Media Networks zu "India-EU relations after the Russian invasion of Ukraine". Zwei indische Politikwissenschaftler_innen und der ARD-Korrespondent in Delhi haben darüber diskutiert.
Für mich war es spannend, indische Perspektiven auf den Krieg in der Ukraine und seine Relevanz für Indien zu hören. Eigentlich sollte ich es inzwischen wissen, aber irgendwie vergesse ich es immer wieder. Natürlich ist die Perspektive aus Indien eine andere als aus Deutschland. Aus vielen Gründen. Es ist nicht nur eine Frage der Nähe des Krieges, es sind überhaupt auch Erfahrungen mit Krieg, Abhängigkeiten von Rohstoffen, etc.
Bei der Veranstaltung gab es eine Tendenz, sehr auf das Geopoltische zu konzentrieren. Auch das war gut für mich zu sehen, da ich das häufig zu wenig berücksichtige und das natürlich wichtig ist. Ganz von den einzelnen Akteur_innen und ihrer politischen Agenda (ihren Menschenrechtsverletzungen) abzusehen, finde ich aber nach wie vor problematisch. Egal wie wichtig Indien geopolitisch ist, ist es auch ein hindu-nationalisitisch regiertes Land und der Hindu-Nationalismus ist gefährlich für die Demokratie, für Menschenrechte sowieso.
Der These des indischen Politikwissenschaftlers, dass die europäischen Medien zu viel über Modi berichten, kann ich auch überhaupt nicht zustimmen. In Deutschland wird nicht zu viel, sondern zu wenig über den Hindu-Nationalismus berichtet. Die allermeisten Deutschen haben keine Ahnung, was hier gerade passiert. Zu viel (und vorallem zu sterotyp) wird hingegen über Frauenunterdrückung berichtet. Nicht dass sie nicht passiert, aber die Berichterstattung hilft da nicht, sondern bedient nur das Vorurteil und verdeckt alles andere.
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Montag, 12. Dezember 2022
Autonormativität und Klasse
urmila, 12:56h
Anlässlich des Unfalltodes eines Radaktivisten in Delhi hat der Indian Express geschrieben:
"A recent National Family Health Survey (NFHS)-5 revealed that only about 8 per cent of Indian households own cars while 55 per cent of Indian households have a bicycle. The survey further suggested that 54 per cent of Indian households own scooters and motorcycles."
Es ist eine absolute Minderheit hier in Indien, die sich Autos leisten kann. Die Autos dominieren aber den Verkehr völlig. Und sie haben immer Vorrecht.
Als Fußgänger_in läuft mensch hier meist auf der Straße (siehe Bild oben), da Fußwege kein Standard sind und wenn es sie gibt, sie häufig nicht passierbar sind. So läuft mensch dann an parkenden Fahrzeugen vorbei, während fahrende an eine_r vorbeifahren. Dabei haben die immer Vorfahrt. Es passiert mir immer wieder, dass ein motorisiertes Fahrzeug mir den Weg abschneidet, ich um es rumlaufen muss, zur Seite gehen oder anhalten.
Dabei hilft mir mein offensichtliches Europäische-Ausländerin-Sein nicht. Wer läuft ist weniger wert. Ganz offensichtlich ist Autofahren ein Klassenstatus und geht daher mit selbstverständlichen Vorrechten einher.
Auf der Straße zu Fuß gehen, kann ich inzwischen ganz gut. Fahrradfahren würde ich hier nie. Und die deutsche Kollegin, die Tretroller im Delhier Verkehr fährt, bewundere ich.
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Sonntag, 11. Dezember 2022
Virtuelle Konferenzteilnahme
urmila, 14:45h
Vor gut einer Woche habe ich an einem Workshop in Italien teilgenommen. Und da ich da nicht hinfliegen konnte, habe ich virtuell teilgenommen. Ich habe hier in Delhi eine ziemlich gute Internetverbindung. Das ging also. Als ich gemerkt habe, dass das Mikro im Workshopraum nichts taugt, habe ich darum gebeten, es auszutauschen und das haben sie auch schnell gemacht. Dann war es ganz gut zu verstehen. Ausser wenn sie durcheinander geredet haben. Online dabei sein, ist nicht das gleiche wie offline. Vorallem weil die ganzen Pausen- und Essensgespräche fehlen, also die ganze soziale Interaktion und das Netzwerken.
Hybride Teilnahme ist gut, wenn sonst keine Teilnahme möglich ist. Sie verstärkt aber auch Ungleichheiten. Am Anfang des Workshops wurde kurz gesagt, dass einige Teilnehmende kein Visum bekommen haben und daher virtuell teilnehmen. Unter den virtuellen Teilnehmenden war das wohl die Mehrheit. Und viele von ihnen hatten auch keine stabile Internetverbindung. Sie konnten teilnehmen, aber nur eingeschränkt. V
or Ort war das vermutlich nur beschränkt bewusst. Damit unsere Bedürfnisse wahrgenommen wurden, mussten wir das Mikro anmachen und reinreden. In den Chat schreiben reichte nicht. Und das so Reinreden muss mensch sich auch erstmal trauen.
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Mittwoch, 7. Dezember 2022
Kartoffeln
urmila, 17:47h
Heute mittag hallte ein entsetzes vierstimmiges "No" durch den Besprechungsraum. Eine indische Kollegin hatte irgendwas zu Brot gefragt, was zu diesem entsetzen, überzeugten, gemeinsamen Ausruf von uns deutschen Kolleg_innen geführt hat. Ich weiss gar nicht mehr, was genau sie gesagt hatte.
Vorher hatte eine in Deutschland wohnende indische Kollegin uns Deutsche gefragt, ob wir was Deutsches mitgebracht hätten. Gegen das Heimweh. Ich hatte großspurig behauptet: Nein, brauche ich nicht. Aber dann ist da die Brot-Whatsapp-Gruppe. Es gibt hier einen Bäcker, der macht Sauerteigbrot (wenn auch weißes) mit echter Kruste. (Irgendwas mit der Kruste hatte zu dem vierstimmigen "No" geführt.) Und eine deutsche Kollegin hatte mir eine Scheibe des Brotes zum Probieren gegeben. Seitdem bin ich Mitglied der Brot-Gruppe und bestelle jede Woche einen Laib.
Dabei wollte ich dieses Mal nicht nach "deutschem" Brot suchen, wie das Deutsche im Ausland (und auch ich) immer wieder tun. Wo sich alle in der German Backery treffen. Ich dachte, diesmal komme ich auch ohne aus. Toastbrot lässt sich auch mal essen. Aber die deutschen Netzwerke haben das verhindert.
Mittags haben wir immer gemeinsames Lunch mit vielen verschiedenen indischen Gerichten. Lecker. Und abends wenn ich mir selbst was koche, freue ich mich auf wenig gewürztes Essen, zum Beispiel Pellkartoffeln mit Bohnen. Ich bin eben eine echte Kartoffel.
In Deutschland werde ich mir dann wieder indisches Essen kochen...
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