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Montag, 14. November 2022
Bubble
urmila, 12:28h

Ich bewege mich ganz vorwiegend in meiner Bubble rund um den Lodhi Garden. Ich wohne feudal, kann zur Arbeit durch den Park laufen, muss mich um nichts kümmern, etc.
Bei den seltenen Gelegenheiten, in denen ich meine Bubble verlasse (um meine Nichte zu besuchen, um zum Kolloquium nach Nord-Delhi zu fahren, aber manchmal auch beim Spazieren), merke ich erst wie privilegiert ich bin.
Die meisten Delhiites pendeln. Über lange Strecken, lange Zeit. Zu meiner Nichte habe ich über eine Stunde gebraucht, nach Nord-Delhi eine Stunde. Das heisst, grosse Teile des Tages werden mit Pendeln verbracht. In überfüllten Metros oder im Stau auf der Strasse mit all dem Dreck.
Wohnverhältnisse gibt es in allen Kategorien. Beim Spaziergang gestern habe ich noch luxuriöse Häuser als das meiner Vermieter_innen gesehen. Bei meiner Nichte war die Wohnung ganz gut, die Strassen aber herausfordernder. Zwischendurch gibt es dann immer wieder ganz einfache, slumartige Behausungen. Viel Verkehr, viel Lärm, viel Dreck, viel Armut.
Es ist ganz klar, dass es mir diesmal so gut in Indien geht, weil ich mich dem Ganzen weitgehend entziehen kann.
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Sonntag, 13. November 2022
Jor Bagh
urmila, 14:53h

Seit einer Woche (und bis Dezember) wohne ich in einer sehr netten Ein-Zimmer-Wohnung in Jor Bagh. Fußentfernung vom Büro. Ruhig, sauber, gut eingerichtet. Sehr angenehm. Und als Expat kann ich sie mir auch gerade so leisten.
Als deutsches Mittelklassekind ist aber doch einiges gewöhnungsbedürftig. Hier leben Reiche und Berühmte. Mit vielen Angestellten. Zumindest haben meine Vermieter_innen viele, viele Angestellte, die auch mir das Tor aufmachen, mich vor dem Hund beschützen, bei Fragen zur Verfügung stehen, mir Zugang zur Waschmaschine geben (dass ich sie selber füllen darf, hat meine Vormieterin durchgesetzt), den Müll entsorgen und auch einmal die Woche die Wohnung putzen. Da ist es gut, dass ich Downton Abbey geguckt habe, um so ein bisschen zu verstehen, wie das funktioniert, wenn alle möglichen Arbeiten ausgelagert werden und auch das Haus in einen herrschaftlichen und einen Personalteil aufgeteilt ist. So ist z.B. gegenüber von meinem Dach-Appartment ein Personalteil, da wird gearbeitet und wahrscheinlich auch geschlafen.
In meinem Alltag begegne ich viel mehr dem Personal als den Vermieter_innen. Und die Angestellten sind alle sehr freundlich zu mir.
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Samstag, 12. November 2022
Öffentliche Intimität
urmila, 18:39h

Ich erinnere mich an eine Situation 1995: Mit Verwandten aus Deutschland und Indien waren wir Sightseeing in Agra. Da muss uns ein indisches Paar begegnet sein, dass sich öffentlich als Paar darstellte. Wie genau, weiss ich nicht mehr. Ich weiss aber noch, wie irritiert zwei junge weibliche indische Verwandten davon waren. Es war etwas, das nicht in die Öffentlichkeit gehörte, das sie nachhaltig beschäftigte.
Intimität war sowieso was, was in meiner Familie nicht thematisiert wurde. Arrangierte Ehen waren die Norm. Verlieben und Sexualität waren kein Thema.
Wenn ich heute durch die Lodhi Gardens gehe, sehe ich überall heterosexuelle Paare, die dies sehr öffentlich zeigen. Soviel ich weiss, waren die Lodhi Gardens auch schon früher ein Ort, an dem sich Paare treffen konnten, aber damals eher im Verborgenen, nicht so öffentlich.
Ganz offensichtlich hat sich das Zeigen von Intimität in der Öffentlichkeit massiv verändert. Und es muss sich auch die absolute Dominanz der arrangierten Ehe geändert haben, sonst könnte es diese ganzen sichtbaren verliebten Paare nicht geben.
Letztes Wochenende habe ich meine Nichte (in indischen Verwandtschaftsverhältnissen, nicht in deutschen) besucht. Die hatte schon 2004 eine Love Marriage. Als erste in der Familie. Und dazu noch eine ausserhalb ihrer Kaste. Diesmal konnte ich darüber mit ihrem Mann sprechen. Der meinte, seine Schwester hatte schon vor ihm eine Liebesheirat und so hatte er keine Probleme. Und von unserer Familie hat er auch keine Probleme erfahren. Und das obwohl er Non-Veg ist (also Fleisch isst).
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Freitag, 11. November 2022
Wie antworten?
urmila, 08:43h
Am Anfang meiner Zeit im India International Centre (IIC) wurden häufiger andere alleinessende Frauen zu mir an den Tisch gesetzt. Da stand dann immer Konversation an. Und so stellte sich die Frage, wie ich denn auf Fragen zu mir reagiere: den Konventionen angemessen oder näher an dem, was ich denke. Dank des Kontexts IIC musste ich glücklicherweise nicht so sehr darauf antworten, ob ich Indien oder Deutschland lieber mag. Solche Fragen habe ich in anderen Kontexten häufiger bekommen und die richtige Antwort war immer klar. Im IIC war es etwas subtiler. Aber wie sollte ich auf die Frage antworten, ob ich meine Familie hier besuchen würde? Ausweichend? Oder ehrlicher mit: eher nicht, zumindest jetzt noch nicht. (Mittlerweile habe ich meinen ersten Familienbesuch gemacht. Es war nett.)
Ich tendiere zu den provokativen Antworten, da ich keine Lust habe, einfach so den Konventionen zu entsprechen. Und es auch ganz spannend ist, was dann passiert. Aber es hängt natürlich vom Kontext ab.
Ich tendiere zu den provokativen Antworten, da ich keine Lust habe, einfach so den Konventionen zu entsprechen. Und es auch ganz spannend ist, was dann passiert. Aber es hängt natürlich vom Kontext ab.
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Mittwoch, 9. November 2022
Dreck in der Luft
urmila, 16:14h
Vor drei Wochen habe ich mir einen Luftreiniger gekauft und seitdem auch regelmäßig genutzt. Gestern hat er angezeigt, dass der zu reinigende Filter (einer von drei Filtern in dem Gerät) gereinigt werden muss. Also habe ich das heute gemacht. Der Filter hat in den letzten Wochen ordentlich Dreck aus der Luft gefiltert:

Gereinigt, ist der Filter übrigens durchsichtig:

Ich habe heute auch wieder Kopfschmerzen. Das kann auch an anderem liegen. Dass der Smog damit nichts zu tun hat, ist aber unwahrscheinlich.
Vorsichtshalber habe ich gerade auch Ersatzfilter für die beiden anderen Filter bestellt. Gut, dass ich so privilegiert bin, mir das leisten zu können.

Gereinigt, ist der Filter übrigens durchsichtig:

Ich habe heute auch wieder Kopfschmerzen. Das kann auch an anderem liegen. Dass der Smog damit nichts zu tun hat, ist aber unwahrscheinlich.
Vorsichtshalber habe ich gerade auch Ersatzfilter für die beiden anderen Filter bestellt. Gut, dass ich so privilegiert bin, mir das leisten zu können.
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Lüften
urmila, 11:03h

Gestern Abend war draussen auf einmal Wind. Ich bin kurz raus auf die Dachterasse und es war angenehm kühl. Drinnen hingegen war es stickig. Ich hatte zum erstenmal gekocht und der Geruch hing im Zimmer. Ausserdem lief die Klimaanlage, weil es so warm war.
Also habe ich die Fenster aufgemacht und die Fliegengitter wieder schön verschlossen. Auf Moskitos habe ich ja auch keine Lust. Und es gab tatsächlich einen angenehmen Durchzug.

Aber dann sprangen alle drei Luftreiniger auf rot. Die Luft war wohl nicht so frisch, sondern eher sehr dreckig. Ich habe also schnell wieder die Fenster zugemacht. Die Luftreiniger haben gearbeitet bis sie wieder auf blau waren. Und heute zeigt der eine an, dass der Filter gereinigt werden muss.
Lüften ist wohl keine so richtig gute Idee.
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Montag, 7. November 2022
Smog
urmila, 12:30h

Gestern bin ich mittags mit der Metro durch Süd-West-Delhi gefahren. Dunst hing über der Stadt. Und dabei war es gestern schon besser als noch vor ein paar Tagen.
Am Freitag lag der Air Quality Index bei 450, wie Scroll berichtet. Das ist in der "severe category", also ernst, schlimm, schwerwiegend. Die Regierung rät dann dazu, körperliche Anstrenungen im Freien zu vermeiden. Das muss mensch sich aber auch erstmal leisten können wie Scroll berichtet, viele müssen ihrer Arbeit im Freien nachkommen, sonst haben sie kein Einkommen. Auch das Schliessen der Grundschulen ist nur für die Kinder von Vorteil, deren Atemluft zu hause besser ist als in der Schule.
Als Gründe für den Smog werden in der Regel angegeben: Felder abbrennen im Punjab und Haryana, Feuerwerk zu Diwali, Bauarbeiten, schlechte Klimabedingungen, etc.. Was selten erwähnt wird, ist der Verkehr. Der trägt aber laut Indian Express zu über 50% zum Smog bei, ist also der Hauptgrund (Scroll hat dazu ein 30minütiges Interview). Ist das hier wie in Deutschland, dass über den Verkehr nicht gesprochen werden darf, weil alle Entscheider_innen weiter mit ihrem Auto fahren wollen?
Nachtrag 08.11.22: Scroll geht auch nochmal darauf ein, warum Verkehr nicht zum Thema gemacht wird (und insgesamt zu wenig gegen den Smog gemacht wird).
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ICAS:MP Fellowship
urmila, 11:54h
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Donnerstag, 3. November 2022
Wissenschaft: Neugier oder Konkurrenz?
urmila, 11:12h
Ich finde Forschen toll. Dinge erkunden, mit Menschen sprechen, sie beobachten, Publikationen und Filme sichten, seit Neuestem auch in Archive gehen - toll. Es eröffnen sich neue Perspektiven und Einsichten, es gibt so viel zum Nachdenken. Darüber mit anderen sprechen, sich austauschen, sich ergänzen und weiterdenken. All das macht mir Spass.
Dabei gebe ich das, was ich gefunden habe (sowohl an Material als auch an Perspektiven), gerne weiter. In der Lehre, an die Beforschten und an andere Forschende. Und ich stelle gerne Verbindungen her zwischen Leuten, die an ähnlichem interessiert sind, vernetze.
Dabei bin ich auf viele gestossen, die daran auch Spass haben, die auch an einem Austausch interessiert sind, die gemeinsam (wenn auch aus verschiedenen Perspektiven) Dinge erkunden wollen und auch gerne teilen. Ich bin all meinen Interviewpartner_innen und Gesprächspartner_innen sehr dankbar für die Einblicke, die sie mir gegeben haben, und die (zum Teil auch kontroversen) Debatten, die ich mit ihnen hatte. Ich habe im letzten Jahr sehr unterstützende Archivar_innen kennengelernt. Mein besonderer Dank geht an die Archivarin des Erzbistums Köln, die mich (obwohl wir vorher keinen direkten Kontakt hatten) kontaktiert hat, weil sie Material zu meinem Thema gefunden hat und mich vernetzt hat. Sehr dankbar bin ich auch den Medizinhistorikerinnen Karen Nolte und Susanne Kreutzer, die ihre Rechercheergebnisse bereitwillig mit mir geteilt haben und mir Orte des Austauschs geboten haben. Wissenschaft kann einfach toll sein und viel Spass machen.
Natürlich bleibt das Teilen von Materialien und Erkenntnissen häufig auch einseitig. Nach vielen Gesprächen, in denen ich bereitwillig geteilt habe, habe ich nie wieder was von meinen Gesprächspartner_innen gehört. Ärgerlich war das vor allem dann, wenn diese sich dann mit Erkenntnissen, die sie von mir haben, als Expert_innen produziert haben, ohne ihre Quellen ausreichend anzugeben. So funktioniert Wissenschaft leider auch, als Konkurrenz um Öffentlichkeit, beschränkte Mittel und Stellen. Selbst dann wenn ich mich gar nicht, um die gleichen Mittel bewerbe.
Gerade erlebe ich einen besonders krassen Fall, bei dem ich bereitwillig geteilt habe und die andere Person jetzt wohl Angst hat, dass ich ihr Thema wegnehmen könnte. Wobei ich dazu schon viel länger arbeite und eh einen anderen Zugang habe. Ich denke wir ergänzen uns eher, als dass wir in Konkurrenz stehen. Auf jeden Fall hat sie mich jetzt aufgefordert, dass ich bis zum 9.11.22 in meinem letzten Blogeintrag den Verweis auf mein Forschungsfeld ändere und droht mir sonst mit "anderweitigen Schritten". Ich bin gespannt, was das für Schritte sein sollen.
Schöner hätte ich es aber gefunden, wenn wir weiter gemeinsam an unseren verbundenen Themen gearbeitet hätten, Materialien und Ideen ausgetauscht hätten und uns so gegenseitig bereichert hätten.
Dabei gebe ich das, was ich gefunden habe (sowohl an Material als auch an Perspektiven), gerne weiter. In der Lehre, an die Beforschten und an andere Forschende. Und ich stelle gerne Verbindungen her zwischen Leuten, die an ähnlichem interessiert sind, vernetze.
Dabei bin ich auf viele gestossen, die daran auch Spass haben, die auch an einem Austausch interessiert sind, die gemeinsam (wenn auch aus verschiedenen Perspektiven) Dinge erkunden wollen und auch gerne teilen. Ich bin all meinen Interviewpartner_innen und Gesprächspartner_innen sehr dankbar für die Einblicke, die sie mir gegeben haben, und die (zum Teil auch kontroversen) Debatten, die ich mit ihnen hatte. Ich habe im letzten Jahr sehr unterstützende Archivar_innen kennengelernt. Mein besonderer Dank geht an die Archivarin des Erzbistums Köln, die mich (obwohl wir vorher keinen direkten Kontakt hatten) kontaktiert hat, weil sie Material zu meinem Thema gefunden hat und mich vernetzt hat. Sehr dankbar bin ich auch den Medizinhistorikerinnen Karen Nolte und Susanne Kreutzer, die ihre Rechercheergebnisse bereitwillig mit mir geteilt haben und mir Orte des Austauschs geboten haben. Wissenschaft kann einfach toll sein und viel Spass machen.
Natürlich bleibt das Teilen von Materialien und Erkenntnissen häufig auch einseitig. Nach vielen Gesprächen, in denen ich bereitwillig geteilt habe, habe ich nie wieder was von meinen Gesprächspartner_innen gehört. Ärgerlich war das vor allem dann, wenn diese sich dann mit Erkenntnissen, die sie von mir haben, als Expert_innen produziert haben, ohne ihre Quellen ausreichend anzugeben. So funktioniert Wissenschaft leider auch, als Konkurrenz um Öffentlichkeit, beschränkte Mittel und Stellen. Selbst dann wenn ich mich gar nicht, um die gleichen Mittel bewerbe.
Gerade erlebe ich einen besonders krassen Fall, bei dem ich bereitwillig geteilt habe und die andere Person jetzt wohl Angst hat, dass ich ihr Thema wegnehmen könnte. Wobei ich dazu schon viel länger arbeite und eh einen anderen Zugang habe. Ich denke wir ergänzen uns eher, als dass wir in Konkurrenz stehen. Auf jeden Fall hat sie mich jetzt aufgefordert, dass ich bis zum 9.11.22 in meinem letzten Blogeintrag den Verweis auf mein Forschungsfeld ändere und droht mir sonst mit "anderweitigen Schritten". Ich bin gespannt, was das für Schritte sein sollen.
Schöner hätte ich es aber gefunden, wenn wir weiter gemeinsam an unseren verbundenen Themen gearbeitet hätten, Materialien und Ideen ausgetauscht hätten und uns so gegenseitig bereichert hätten.
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