Montag, 16. März 2015
Kein Praktikumsplatz
Eine Person bewirbt sich um einen Arbeits-, Studiums-, Praktikumsplatz und wird abgelehnt. Das passiert regelmäßig. Mal liegt es daran, dasss es nicht genug Plätze gab, dass die Qualifikation nicht ausreicht oder sonstige gute Gründe. Mal liegt es aber auch daran, dass die bewerbende Person einer gesellschaftlichen Gruppe angehört (bzw. als ihr angehörend angesehen wird), die nicht gerne eingestellt wird (Behinderte, Frauen, Ausländer_innen, HartzIV, etc.). Auch das passiert regelmäßig. Da das aber Diskriminierung ist, wird natürlich kein oder ein anderer Grund angegeben und damit lässt sich meist die Diskriminierung nicht nachweisen.

Ungewöhnlich ist es, wenn die Diskriminierung in der Absage offen zugegeben wird. Das soll eine Leipziger Professorin aber gemacht haben (siehe z.B. sueddeutsche.de, und mdr.de). Sie soll einen indischen Studenten mit der Begründung abgewiesen haben, dass sie wegen der Vergewaltigungsfälle in Indien generell keine indischen Männer annehme.

Soweit ein klarer Fall von rassistischem Ausschluss. Menschen aus einem bestimmten Land grundsätzlich abzulehnen, weil diesen Menschen eine bestimmte Mentalität zugeschrieben wird oder sie für Verhalten anderer Menschen in diesem Land zur Rechenschaft zu ziehen, ist eine rassistische Praxis. Die Professorin behauptet allerdings, dass sie diese Aussagen so nie getroffen hat. bbc.com wiederum berichtet, dass sich ein anderer Student gemeldet hat, der schon vor einiger Zeit eine ähnliche Absage der gleichen Professorin bekommen hat. Ein migazin-Autor hält die Anschuldigungen an die Professorin auch für glaubwürdig.

Ich kann das nicht einschätzen. Wenn es aber stimmt (und diese Annahme treffe ich für den Rest des Blogbeitrags, ohne es zu behaupten), dann finde ich vor allem überraschend, dass die Professorin in der Korrespondenz mit den Studierenden so offen zu ihrem diskriminierenden Verhalten gestanden hat. Die Berichterstattung über die Vergewaltigung(en) in Indien hat ihre befürchteten Folgen (siehe hier und hier). Vergewaltigung wird als ein Problem Indiens (und nicht des Patriarchats) angesehen und damit auch aus (z.B.) Deutschland verlagert. Die Professorin sieht nicht ein Problem in gewalttätigen Männern sondern in indischen Männern.

Einen Fall von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, wie sie der migazin-Autor sieht, sehe ich allerdings nicht. Es trifft zwar indische Männer, aber nicht weil sie sexistisch sondern weil sie rassistisch ausgegrenzt werden. Indische Männer scheinen für die Professorin gefährlich . Indische Frauen hingegen will sie vermutlich beschützen. Sie werden nicht bevozugt, sondern viktimisiert. Die rassistische Diskriminierung ist genderspezifisch differenziert und hat unterschiedliche Folgen.

Am meisten überrascht mich aber weiter die offen diskriminierende Begründung. Wenn sie so getroffen wurde und auch noch mehrfach: Wieso denkt eine Professorin, dass sie das sagen kann? Und wieso gibt es so wenig öffentliches Interesse für den Fall in Deutschland?

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Spektaktuläres Migrantenkind
In der taz.berlin schreibt Andreas Hergeth über Nasser El-A.s Prozess gegen seine Familie (sie auch diesen taz.berlin-Artikel) und stellt fest:

"Das öffentliche wie medienwirksame Coming-out eines Migrantenkinds ist immer noch spektakulär, weil ziemlich einmalig."

Und da frage ich mich, wo lebt Andreas Hergeth? Oder aber, wen definiert er als Migrantenkind? Denn ich kenne ziemlich viele Kinder von Migrant_innen, die out sind. Öffentlich. Medienwirksam zumeist nicht, das gebe ich zu. Warum auch, denn an ihrem Out-sein ist nichts besonders medienwirksames, sie sind es einfach, ohne besondere Probleme. Sind sie deshalb keine Migrantenkinder? Sind Migrantenkinder per Definition mit Problemen belastet?

Nasser El-A.s Geschichte bräuchte diesen Superlativ nicht. Sie ist erschreckend genug. Erschreckend aber auch wie wenig Hergeht Nasser El-A. ernst nimmt. Der andere taz.berlin-Artikel zitiert El-A.:

"Auch wenn er jetzt allein lebe, „bin ich immer noch ein Familienmitglied von El-A.“, sagte der 18-Jährige. Ob es umgekehrt genauso sei, wisse er nicht. "

El-A. wehrt sich also dagegen, aus der Familie ausgeschlossen zu werden, besteht darauf, weiter dazu zu gehören. Hergeth aber beginnt seinen Artikel:

"Nasser El-A. hat keine Familie mehr, dabei ist er erst 18 Jahre alt."

Hergeth will wohl seine spektakuläre Geschichte erzählen und dafür muss El-A. mit der Familie brechen. Ob er will oder nicht.

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