Mittwoch, 7. Dezember 2011
Als Facebook-Freundin gelöscht
Auf Facebook war ich bis vor wenigen Minuten mit dem Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy befreundet. Eine Statusmeldung gestern Abend fand ich sexistisch (so ganz normal sexistisch, nicht besonders schlimm, eine Verbindung von 'puss in boots' und der Kanzlerin) und habe kommentiert "Muss der Sexismus sein?, daraufhin seine Frage "Welcher Sexismus?" und ich habe geantwortet, dass ich die implizite Verbindung von puss und Kanzlerin für problematisch halte. Daraufhin wurde ich erst von einem anderen Kommentator belehrt, dass 'puss in boots' doch ein Kater wäre, und dann von Edathy, dass ich erstmal googlen solle und keinen Quark schreiben solle. Ich habe auf das Online-Lexikon verwiesen, dass als Übersetzung von 'puss' Mieze und Miezchen anbietet und darauf hingewiesen, dass Sexismusreproduktionen auch ohne Absicht vorkommen. Facebook hat mich hingewiesen, dass Edathy und der andere Kommentator wieder kommentiert haben. Ich kann die Seite allerdings nicht mehr aufrufen, Sebastian Edathy hat mich als eine von seinen knapp 3000 Facebook-Freund_innen gelöscht. Sehr souverän, Herr Abgeordneter.

Nachtrag 08.12.11: Wer sehen will, wie Edathy nachtritt (über Leute, die dummes Zeug reden, und anstatt beschämt nach hause zu gehen bloggen) kann dies Facebook öffentlich lesen. Und wer mehr über Edathys Facebook-Verhalten gegenüber kritischen Nachfragen lesen will, der sei ein Journalist-Artikel vom September empfohlen.

am Abend: Die Statusmeldung zu den dummes Zeug redenden Blogger_innen ist nicht mehr Facebook-öffentlich zugänglich.

Nachtrag 09.12.11: Der souveräne Abgeordnete hat entschieden, dass ich jetzt nichtmals mehr öffentliche Informationen sehen kann (zumindest wenn ich eingeloggt bin - wenn ich nicht eingeloggt bin, kann ich sie natürlich noch sehen).

Nachtrag 26.01.12: Edathy soll den Untersuchhungssausschuß zur NSU leiten. tagesschau.de hat deshalb ein Porträt von ihm veröffentlicht und beschreibt ihn dabei als "kantiger Aufklärer". Ich hoffe, dass ihm sein launiges Wesen bei dem Vorsitz nicht in die Quere kommt. Inhaltlich ist er ganz klar für das Amt qualifiziert und hat in der Vergangenheit auch schon klare Worte gefunden.

tagesschau.de berichtet, dass er Ärger bekamm "Als er der Union in der Debatte über das Staatsbürgerschaftsrecht 2008 "Biologismus und völkische Ideologie" vorwarf". Dabei wird er da durchaus Recht gehabt haben.

Viel Erfolg und überlegtes Handeln wünsche ich dem Vorsitzenden!

Nachtrag 25.01.13: In der Affäre Brüderle erscheint es als ob Edathy mehr Probleme mit jungen Frauen, die den Mund aufmachen, als mit Sexismus hat (siehe tagesschau.de).

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Frage zum Verstaendnis
Hallo

ich haette dazu noch eine Verstaendnisfrage. Ich verstehe nicht ganz, weshalb "puss in boots" sexisitisch ist. Sie begruenden das mit der Uebersetzung von "puss" und wenn es nur um "puss" gegangen waere, wuerde ich das auch so sehen. In dem von ihnen verlinkten Woerterbuch wird fuer "puss in boots" die Uebersetzung "Der gestiefelte Kater" angegeben. Auf der englischen Wikipedia-Seite zu "puss in boots" steht zB "commonly known as "Puss in Boots", is a French literary fairy tale about a cat who uses trickery and deceit to gain power, wealth[...]". Das findet sich auch haeufig in Maerchen, dass die Protagonisten Tiere sind, denen man gewisse Eigenschaften zuschreibt. Daher meine Frage, wieso meinen Sie dass in diesem Kontext (den man leider nicht mehr nachlesen kann..) das "puss" in "puss in boots" fuer sich allein interpretiert werden muss und nicht als Teil von "puss in boots"? Weil wenn das eine Anspielung auf das Maerchen war, dann gings ja weniger um die "Mieze", da ja die Tiere in Maerchen oft nur Stereotypen repraesentieren.. Wie gesagt, wenn es nur um "puss" ginge, waere das klar und dass das nicht sonderlich souveraen war von Hr Edathy ist ohnehin ausser Frage..

Gruss
Dominik

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Zwei Antworten
Zum Blog-Post: den Blog-Post habe ich nicht geschrieben, um Edathy Sexismus vorzuwerfen, sondern um zu kritisieren wie er als Abgeordneter mit einem weitgehend öffentlichen Facebook-Profil mit einem kritischen Kommentar umgeht. Als ich den kritischen Kommentar in seinem Facebook-Account geschrieben habe, erfolgte das noch mit Sympathie für ihn. Ich kenne ihn tatsächlich face-to-face und mochte ihn eigentlich trotz seiner Arroganz. Seine Überreaktion fand ich problematisch und habe deshalb gebloggt. Die Reaktionen danach haben mich dann darin bestärkt. Insbesondere sein Kommentar zu Leuten, die wenn ihnen die Tür gewiesen wird, beschämt nach hause gehen sollten und nicht bloggen sollten, finde ich zutiefst undemokratisch.

Zum Sexismus: Ich bin durchaus der Meinung, dass sich darüber diskutieren lässt, ob mit Edathys Statusmeldung ein Sexismus reproduziert wurde oder nicht. Das hätte in den Kommentaren erfolgen können, wurde von Edathy aber unterbunden.

Für mich war es so: Ich habe den Vergleich gelesen und den Witz nicht verstanden (der wohl beabsichtigt war, aber ich habe weder zwischen 'puss in boots' noch zwischen 'gestiefeltem Kater' und einer Pressekonferenz von Merkel irgendeinen (witzigen) Zusammenhang erkennen können). Wohl aber ist mir unwohl dabei geworden, dass eine erfolgreiche Politikerin zumindest implizit mit einer Katze verglichen wird. Denn das ist eine durchaus übliche sexistische Abwertung für Frauen. Aufgrund meines Unwohlseins habe ich 'puss in boots' und 'puss' im Internet recherchiert, habe dann sowohl den 'gestiefelten Kater' wie auch 'Mieze' gefunden. Das hat mir gezeigt, dass mein Unwohlsein durchaus durch die Wortbedeutung gestützt werden kann. (Es gibt auch sexistische Bedeutungen von 'puss in boots', die das urban dictionary aufführt (via Drop the thought) - an diese Bedeutungen hatte ich allerdings nicht gedacht.)

Nun gehe ich erstmal nicht davon aus, dass Edathy das beabsichtigt hat (und hoffe das auch sehr). Das habe ich auch kommentiert. Trotzdem sollte ein Politiker der so öffentlich facebookt, auf seine Worte und Vergleiche achten - und dabei inbesondere berücksichtigen, dass witzige Bemerkungen häufig Sexismen (Rassismen, Ableismen, etc.) reproduzieren und dies möglichst vermieden werden sollte (es sei denn, mann will sich des Sexismusvorwurfs aussetzen). Darauf wollte ich ihn hinweisen.

Mein wesentlicher Fehler war, nicht zu beachten, dass die meisten Menschen, auf den Hinweis, dass sie einen Ismus reproduziert haben (insbesondere einen in dem sie selbst privilegiert) sind, sofort mit völliger Abwehr reagieren. Da ich mich ständig mit Ismen beschäftige und davon ausgehe, dass wir alle darin verstrickt sind und diese auch immer wieder reproduzieren, habe ich meinen Kommentar nicht als Angriff auf die Person Edathy sondern als kritisches Hinterfragen des Vergleichs verstanden. Ich hätte wissen sollen, dass er das nicht verstehen kann.

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Ja da hatte ich ihre Motivation fuer den Blogpost wohl schon richtig verstanden, nur war mir nicht ganz klar gewesen, wieso diese Aussage sexistisch war. Meine Nachfrage ging eher drum dass ich selber ungern Sexismen reproduzieren wuerde und das daher verstehen wollte.

Wenn ich da nun weiter drueber nachdenke, und er tatsaechlich das Maerchen gemeint hat, haette er ja auch den deutschen Namen verwenden koennen, der hierzulande vermutlich eher bekannt ist als der englische. Insofern kann man das wohl schon so sehen als wollte er da explizit eine Verbindung zwischen Fr Merkel und "puss" herstellen. "puss" klingt dann IMO schon sehr nach einem Begriff der im umgangssprachlichen fuer weibliche Genitalien verwendet wird...

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Genau
die Frage ist, warum werden welche Bezeichnungen im Bezug mit bestimmten Personen benutzt? Der 'gestiefelte Kater' hätte andere Assoziationen aufgerufen (potentiell hätten die auch sexistisch sein können, aber sicher anders).

Wer die eigenen Aussagen (insbesondere Vergleiche und Witze) auf Ismus-Reproduktionen überprüfen will, sollte sich genau anschauen, welche Worte und Vergleiche er_sie nutzt, woher kommen die, welche Wirksamkeit steckt in ihnen, warum erscheinen die Begriffe/ Vergleiche angebracht, welche Machtverhältnisse drücken sich darin aus. Wer kann darüber lachen und wer nicht? Gerade Witze funktionieren ganz häufig durch das Bedienen von Ausgrenzugnspraxen.

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