Donnerstag, 10. Oktober 2013
Einführungskurse
sind total schön.

Letztes Jahr hatte ich ja hier in Olomouc eine Einführung in kritische Rassismustheorie gegeben und dieses Jahr in Gender Studies. In beiden Fällen haben die Studierenden von dem Fach vorher noch nie etwas gehört, kennen keine Konzepte und Theorien.

Das ist eine ziemliche Herausforderung, weil ich innerhalb von zwei Wochen eine Grundlage legen soll. Das kann nicht viel mehr sein, als dass die Studierenden am Ende wissen, dass es kritische Rassismusforschung bzw. Gender Studies gibt. Dass der theoretische Zugang da ein ganz anderer ist, als in anderen Fächern. Dass das ganze auch mit Fragen von Gerechtigkeit und der Frage davon, wie wir miteinander leben wollen, zu tun hat. Wenn ich das erreiche, bin ich schon zufrieden. Glücklich bin ich, wenn die Studierenden Lust darauf bekommen, sich mehr mit den Themen auseinanderzusetzen.

Es ist spannend, wie die Studierenden auf die ganze andere Weise der Herangehens, auf das In-Frage-Stellen von Normen reagieren. Alle machen den Kurs freiwillig und setzen sich so freiwillig einer ziemlichen Herausforderung aus. Letztes Jahr sind zwei Studierende abgesprungen, dieses Jahr bisher noch keine_r. Das finde ich schon Klasse.

Einigen merke ich an bzw. sie sagen es explizit, dass sie die Fragestellungen der Gender Studies faszinierend und eine Horizonterweiterung finden, auch wenn sie vieles noch nicht verstehen können.

Andere äußern Widerstände ganz offen. Das In-Frage-Stellen von Normen stellt sie offensichtlich in Frage. Sie befürchten, dass Feminist_innen ihnen vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben (nicht auf die Kinder aufpassen, arbeiten müssen, lesbisch werden oder so ähnlich). Trotz ihrer Ängste hören sie aber meinen Ausführungen zu und versuchen dem zu folgen.

Und für mich als Lehrende ist das natürlich auch eine ziemliche Herausforderung. Wie weit kann ich ihnen komplexe Theorien zumuten, wenn alles für sie neu ist. Wann ist es zu viel, wieviel muss es aber sein, um die andere Perspektive aufzuzeigen. Wie gehe ich mit Schwierigkeiten des Verstehens um. Wie reagiere ich auf die Widerstände, ohne diese zu verstärken.

Das ist anstrengend, aber auch sehr befriedigend, weil so direkt ein Ergebnis meiner Arbeit zu sehen ist.

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Dienstag, 8. Oktober 2013
Wenig einladend
Impressionen einer Ausländerin: Mittlerweile sehe ich die Geschäfte und Restaurants hier in Olomouc. Anfangs fand ich es noch schwieriger, auszumachen, wo ich was bekomme. Aber so richtig einladend finde ich sowohl Geschäfte wie Restaurants in der Regel nicht. Es scheint daran zu liegen, dass sie viel weniger, um mich werben, als ich gewohnt bin. Die Restaurants haben häufig keine Speisekarten draussen (die ich allerdings auch kaum lesen könnte). Und sowohl Restaurants wie Geschäfte haben häufig unscheinbare Eingänge, sind im Keller oder einem Gang versteckt. Wenige habe einladende Fronten. Und noch weniger nutzen ein Schaufenster, um mich anzuziehn bzw. mir einen Einblick zu geben. Viele sind zu gestellt oder zugeklebt. Das macht für mich die Hürde reinzugehen um einiges höher.

Nachtrag 17.10.13: Hier nun der Eingang zu einem Laden, in den ich mich erst gegen Ende meines Aufenthaltes getraut habe, und der sehr schöne Lebensmittel hat:

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Dienstag, 8. Oktober 2013
Umgang mit Geschichte
Ich gebe gerade eine Einführung in die Gender Studies an der Universität in Olomouc/ Tschechische Republik. Zum Anfang sollten sich die Studierenden zu ein paar (feministischen) Fragen aufstellen, damit ich ein Gefühl für die Gruppe bekomme.

Am Kurs nimmt auch eine wissenschaftliche Mitarbeiterin teil, die schon über 30 Jahre alt ist. Und das Alter ist durchaus relevant. Denn sie brachte ein, dass sich die Lage der Frauen in der Tschechischen Republik im Verhältnis zur Lage in der CSSR verändert habe, sie sich aber unsicher sei, wie. Die allermeisten in der Gruppe meinten, dass die Frauen heute gleichberechtigter seien, als in der CSSR. Ein interessantes Ergebnis, wenn mensch bedenkt, dass damals die Berufstätigkeit von Frauen wohl mehr gefördert wurde als heute (mit Kinderbetreuung, etc.). (Wenn ich es richtig verstanden habe und nicht einfach nur die DDR-Verhältnisse übertrage.)

Die Mitarbeiterin war auch überrascht, über die Positionierung der jüngeren Studierenden. Sie vermutete, dass jene, die die CSSR nicht mehr erlebt haben, kaum bis keine Kenntnisse über die CSSR haben. In der Schule würde es nicht gelehrt. (Und mein Eindruck ist, dass die CSSR und der Kommunismus grundsätzlich für das Schlechte stehen.) Wenige Jahre Altersunterschied würden so einen massiven Unterschied in der Einschätzung machen.

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Sonntag, 6. Oktober 2013
Sprachkompetenzen
Meine Reise nach Olomouc (Tschechische Republik) hat mich mal wieder Sprach(in)kompetenzen erleben lassen.

Im überfüllten Zug von Berlin Richtung Budapest war ich noch sprachmächtig. Erstmal zumindest. Als ich anfing mit dem Paar aus Costa Rica zu kommunizieren, musste ich auf Handzeichen ausweichen. Ich kann fast kein Wort Spanisch. Und die Frau schien kein Wort Englisch zu können. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mitteilen konnte, dass wir gerade die Grenze nach Tschechien überquert haben. Der Mann verstand irgendwann meine Versuche Grenze/ border/ frontier so auszusprechen, dass sie mich verstehen können.

Diese Sprachinkompetenz war nicht problematisch für mich, das ich mich auskannte, wusste was passierte und ausprobieren konnte, wie ich mich verständlich machen konnte. So war ich auch in der Lage den Beiden zu erklären, dass sie erst am zweiten Prager Bahnhof aussteigen sollten. Da half mir der Reiseplan, der im Abteil auslag.

Als wir nun aber durch Tschechien fuhren, Menschen mich auf Tschechisch ansprachen und ich mich am Bahnhof mit tschechischen Ansagen auseinandersetzen musste, war ich viel inkompetenter. Nicht ich bestimmte die Kommunikation sondern verstand nicht, was die anderen von mir wollten. Sehr viel unangenehmer.

So unverständlich wie vor einem Jahr ist es allerdings nicht mehr. Auch wenn ich alle Worte, die ich mal in Tschechisch konnte, vergessen habe. Aber ich kann mich besser orientieren, weil ich weiss, worauf ich achten muss, weil ich mich erinnere, wie Dinge gingen. Verstehen ist so viel mehr als Sprachkenntnis.

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Sonntag, 6. Oktober 2013
Graffiti in Olomouc

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Freitag, 16. März 2012
Als Deutsche in Tschechien
Mein Aufenthalt in Olomouc, Tschechien ist jetzt schon fast wieder zwei Wochen her und ich habe nur einen Blogeintrag (und einen bei verkehr denken) über die Erfahrungen dort geschrieben. Das liegt nicht daran, dass es so wenig zu schreiben gegeben hätte, die Lehre hat einfach zu viel Zeit und Energie gekostet. Jetzt kurz bevor ich auf meine nächste Reise aufbreche, will ich aber doch noch ein bisschen was zum Thema 'Als Deutsche in Tschechien' schreiben:

Spannend war es mit welchen Bildern und Befürchtungen ich nach Olomouc gefahren bin. Privilegienkritisch geschult, habe ich mich darauf vorbereitet, als dominante Wessi wahrgenommen zu werden. Durch deutsche Geschichte geschult, habe ich mich darauf vorbereitet, mich mit der Nazi-Gewaltherrschaft zu beschäftigen. Beides war aber nicht wirklich Thema.

Meine Dichotomie von West/Ost passte nicht zu den Vorstellungen vor Ort. Zum einen lag das daran, dass ich noch durch den Kalten Krieg und den eisernen Vorhang geprägt bin. Meine Studierenden aber den real existierenden Sozialismus gar nicht mehr (bewusst) erlebt haben und für sie war die West/Ostteilung nicht so präsent wie für mich. Zum anderen zähle zwar ich Tschechien zu Osteuropa, für die Menschen, die ich dort getroffen habe, fängt Osteuropa aber viel weiter im Osten an. Meine privilegienkritische Selbstreflexion kreiste mehr um meinen Bauchnabel als dass sie etwas mit der Beziehung zwischen mir aus Deutschland und den Menschen in Olomouc zu tun hatte.

Erinnerung an die Nazis schien zudem völlig überlagert von der Erinnerung an die sowjetische Herrschaft. Letztere schien die Wahrnehmung zu bestimmen (auch wenn sie nicht mehr selbst erlebt wurde), die Nazizeit war nicht weiter präsent. All meine Nachfragen nach dem Image der Deutschen in Tschechien verhallten.

Es waren sehr spannende zwei Wochen. Ich habe viel über Tschechien und viel über mich gelernt.

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Montag, 20. Februar 2012
Nicht verstehen
Für einen Lehrauftrag bin ich zwei Wochen an der Universität von Olomouc in Tschechien. Dabei mache ich mal wieder die Erfahrung, wie das so ist, wenn ich nichts verstehe. Gestern schon auf der Zugfahrt hierher, waren die Durchsagen für mich komplett unverständlich. Ich verstehe kein Wort Tschechisch, ich kenne tschechische Ortsnamen nicht und so habe ich die Durchsagen an mir vorbeirauschen lassen (in der Hoffnung, dass es schon nichts wichtiges für mich ist). Wenn mich jemand anspricht auf der Straße, weiss ich nicht warum (will die Person mir was verkaufen, schnorren, mich nach der Uhrzeit fragen oder mir sagen, dass ich was verloren habe). Vermutlich wirke ich auf meine Umwelt hier eher arrogant, denn auf das Nichtverstehen im öffentlichen Raum reagiere ich einfach mit Nichtbeachtung (alles verstehen zu wollen, wäre viel zu aufwendig).

Um zu kommunizieren, versuche ich es mit Englisch (in der Annahme, dass sei die internationale Verkehrssprache). Das klappt häufig, aber nicht immer. Die IT-Fachfrau, die gerade Einstellungen an meinem Computer gemacht hat, fühlte sich nicht wirklich sicher mit Englisch. Als dann mein Computer mit ihr Deutsch gesprochen hat, hat sie das auch mit mir. Deutsch kann sie besser als Englisch. Vielleicht bringt mich das auch mit anderen Personen weiter.

Danke sagen kann ich in Tschechisch inzwischen. Ich befürchte allerdings, dass ich nicht viel mehr lernen werde, denn meine Sprachlernfähigkeit ist leider sehr eingeschränkt.

Nachtrag 26.02.12: Diese Woche war voll von Gelegenheiten Situationen des Nicht-Verstehens zu erkunden und auch zu merken, wie Verstehen sich teilweise einstellt. So kann ich inzwischen besser Läden (Bäckereien, Supermärkte, etc.) finden, da ich weiss, nach was ich suchen kann. Mittlerweile habe ich auch schon kleine Routinen entwickelt, um meinen Alltag zu gestalten. Erfahrungswissen hilft mir mich zurecht zu finden.

Und es gibt auch nette Erlebnisse des Verstehens ohne gesprochene Sprache: In einem kleinen Laden konnte ich mich verbal nicht verständlich machen und auch die Verkäuferin beim Sprechen nicht verstehen. So hat sie sich darauf verlegt mir mit Gesten ihre Fragen zu verdeutlichen (z.B. geschnittenes Brot oder ungeschnitten) und das funktionierte gut.

Ich merke aber, wie ich immer noch weghöre, wenn etwas in Tschechisch passiert (weil ich es einfach nicht verstehe). So gab es z.B. in meiner Lehrveranstaltung auf einmal eine Durchsage, die ich einfach ignoriert habe, während die Studierenden versuchten sie zu verstehen.

Spannend die verschiedenen Ebenen des (Nicht-)Verstehens und seiner Konsequenzen.

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