Dienstag, 24. Oktober 2006
'Weiße' Geschichte
Es tut sich was in Australien. Auf der Konferenz in Sydney gab es etliche gute (und auch ein paar schlechte) Vorträge über das Leben, die Unterdrückung und den Widerstand von 'Aborigines'. Auch im öffentlichen Raum gibt es immer mal wieder Hinweise auf sie. So zum Beispiel diese Gedenkplakette:

Erinnerung an Biddigal
<br />

Aber dominant ist im Straßenbild nicht die Erinnerung an jene, die hier lebten, bevor die 'weißen' KolonisatorInnen kamen. Dominant ist die Erinnerung an und die Ehrung von den letzteren.

discoverer of this territory

Cook war also der Entdecker dieses Landes. Das soll wohl bedeuten, dass er der erste 'Weiße' war, der hierher kam. Denn schon vor ihm hatten hier Menschenn gewohnt und dieses Land wohl auch schon vorher entdeckt. Aber in den Augen der KolonisatorInnen waren es halt keine Menschen, sondern 'Schwarze' und daher kann auch heute noch diese Statue in Sydney stehen. Und Hafenrundfahrten nach Cook benannt werden und .... Welch permanente Erinnerung an die rassisitsche Struktur der Gesellschaft.

Und es sind wahrlich nicht nur 'alte' Denkmäler, die diese reproduzieren. Auch bei den neueren passiert es immer wieder. In 'The Rocks', dem Teil Sydneys der als erstes von 'Weißen' angeeignet und besiedelt wurde, steht dieses Denkmal:

denkmal on the rocks

Auf dieser Seite sehen wir die 'Siedler' (inklusive Frau und Kind), das waren die letzten die kamen. Auf den anderen beiden Seiten sind die 'Soldaten' und die 'Strafgefangenen', die beiden Gruppen von 'Weißen', die als erste Australien zu ihrem Land gemacht haben. Aber so häufig ich auch um das Denkmal herumgegangen bin, diejenigen die dort wohnten, bevor Sydney zur Strafgefangenkolonie wurde, habe ich nicht gefunden. Ob die weggelassen wurden, weil sie die Ankunft der 'Weißen' nur kurz überlebt haben? Oder ob sie symbolisch im Sockel und unbenannt enthalten sind? Oder ob die KünstlerIn einfach nicht an sie gedacht hat?

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Dienstag, 17. Oktober 2006
Beim Frühstück
In einem Hotel in Sydney: Eine Frau setzt sich zu mir an den Tisch. Ich denke, das könnte eine 'Deutsche' sein. Und stelle dann gleich in Frage, warum ich denn das denke. Schliesslich könnte sie auch von irgendwo anders sein. Nach einer Weile spricht sie mich an. In Englisch. Und etwas später fragt sie mich, ob ich 'Deutsche' bin. Wir reden weiter in Deutsch.

Warum habe ich sie für eine Deutsche gehalten? Lag es am Pullover? Am Haarschnitt? Am Verhalten? Ich weiss es nicht. Wie häufig liege ich mit der Vermutung richtig und wie häufig nicht?

Und spannend, dass sie mich auch als 'Deutsche' erkannt hat. Und das wohl bevor ich angefangen habe zu sprechen (meinem Akzent hört frau es ja schon an).

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Samstag, 14. Oktober 2006
Deutsch
Immer wenn ich im Ausland lebe, merke ich, wie 'deutsch' ich bin. 'Deutsch' natürlich nicht im Sinne von Blut oder Staatsbürgerschaft (da gibt es andere Orte, wo ich merke, dass irgendjemand meint, dass Blut oder Staatsbürgerschaft was mit 'Deutsch-Sein' zu tun haben). Ich meine 'Deutsch' im Sinne von Sozialisation, in dem was mir vertraut ist, das was ich für das 'Normale' halte und damit zur Norm mache. Dieses 'Deutsch-Sein' merke ich an dem, was mich irritiert: die Türschlösser, die Häuser, das Brot, die Begrüßungsformeln, der Verkehr, die Zeitungen, .... Ich finde es komisch, unpraktisch, seltsam, etc. was die 'AustralierInnen' so machen. Ich messe mit der 'deutschen' Norm und merke dadurch, dass ich hier fremd bin.

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Mittwoch, 11. Oktober 2006
Durcheinander
Mein Mitbewohner hat einen muslimischen Namen, stammt aus Berlin und spricht mit mir Deutsch.

Der Musikdozent ist groß, blond und wirkt 'britisch''. Er ist in Indien zu hause, wie auch schon sein Vater und dessen. Sein Englisch hat einen 'indischen' Akzent.

Die Historikerin hat einen 'indischen' Namen und wirkt auch sonst ganz 'indisch'. Sie kommt allerdings aus Malaysien, war erst einmal in Indien.

Mein Englisch hat einen 'deutschen' Akzent und meinen 'indischen' Namen spreche ich auch deutsch aus. Keine Frage: eine 'Deutsche'.

Dafür hat der 'weiße' Student aus Bremen seinen Namen anglisiert und spricht mit mir nur Englisch, wenn auch mit 'deutschem' Akzent.

Wie soll frau denn hier herausbekommen, wer was ist? Eine schöne Kontigenzerfahrung.

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Sonntag, 8. Oktober 2006
Geschichte
Kanal

Mein Begleiter erzählt mir ganz begeistert, von dem Wasserkraftwerk, dass sie vor Hundert Jahren hier in die Schlucht gebaut haben. Er radelt noch ein Stück mit mir und dann geht es mit den Rädern über enge Wanderwege bis wir an dem Kanal ankommen. Überreste eines Betonkanals, vor Einhundert Jahren gebaut. Inzwischen gibt es nicht mehr genug Wasser für ein Wasserkraftwerk (die Landwirtschaft zieht das ganze Wasser ab, die Dürre tut ihr übriges). Mein Begleiter bedauert, dass der Kanal nicht mehr so gut erhalten ist. Er bleibt aber begeistert, dass hier etwas Einhundertjahrealtes erhalten ist. Denn was wären wir ohne Geschichte?

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Samstag, 7. Oktober 2006
Erschaffung von Traditionen
"The graduation ceremony is one of great antiquity. Its essential features have been the same since the 12th century when the first universitites came into existence."

So beginnt "The Graduation Ceremony: A Brief History" im Programmheft der Graduation Ceremony an der University of New England (UNE) in Armidale. Dabei ist die Universität noch keine Hundert Jahre alt. Und im 12. Jahrhundert fanden in Australien wohl kaum diese seltsamen Bräuche statt. Die kurze Geschichte bezieht sich aber auch gar nicht auf Australien. Sie ist der Auszug aus einer Rede, die an der University of Birmingham (Old England) gehalten wurde. Dort war das 12. Jahrhundert wahrscheinlich tatsächlich antik. In anderen Teilen der Welt geht die Geschichte durchaus weiter zurück.

Mit dem Abdruck dieser Rede verortet sich die UNE zum einen in 'englischer' Geschichte, zum anderen unterstellt sie eine Universalität und Naturhaftigkeit der Graduation-Rituale. 'Weiße britische' Geschichte und Verhalten werden so implizit zur Norm gesetzt. Die Befolgung der so geschaffenen Traditionen wird zur Notwendigkeit, der sich alle unterziehen müssen. Dabei wird immer wieder daran gearbeitet, diese Traditionen weiter zu entwickeln. Dazu ein weiterer Auszug aus dem Programmheft:

"The stole was introduces in 1991 as part of the academic dress for diplomates. Like the other elements of academic dress - the cap, the gown and the hood - the stole has evolved from the dress of the medieval clergy ..."

So bezieht sich eine 'australische' Universität am Ende des 20. Jahrhunderts zur kollektiven Identitätsbildung (und zur Festigung der 'weißen' Dominanz) auf die Kleidung des mittelalterlichen 'britischen' Klerus.

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Freitag, 6. Oktober 2006
Australische Rituale
Ich durfte heute ein altes australisches Ritual - das mir sehr seltsam anmutete - beobachten: die 'Graduation' an der University of New England.

Rituale an der UNE

Zu Beginn der Veranstaltung bedankte sich der Chancellor (so wie es hier üblich scheint - zumindest habe ich das schon ein paarmal mitbekommen) bei den "traditional owners of the land". Er ging dann allerdings nahtlos dazu über, sich bei denen zu bedanken, die zur Gründung der Universität Anfang des 20. Jahrhunderts beigetragen hatten. Das waren vermutlich die, die den "traditional owners" das Land weggenommen hatten bzw. anders formuliert sich selber angeeignet hatten.

Interessant war am Rande auch, dass fast alle Graduierten der Informatik einen 'indischen' Namen hatten.

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Dienstag, 3. Oktober 2006
Deutsches II
Oktoberfest at UNE
seen at the University of New England, Armidale.

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Montag, 2. Oktober 2006
The Australian
Wenn ich in den letzten Tagen Zeitung gelesen habe, habe ich mich immer wieder gewundert. Gewundert wie selbstverständlich rassistisch und patriarchal herablassend zum Beispiel über 'Aborigines' geschrieben wird. Ich muss nur aufpassen, dass ich das Gelesene nicht verallgemeinere. Bis jetzt habe ich die überregionale The Australian gelesen. Und die macht auf mich den Eindruck der Bild mit mehr Text. Im Mittelpunkt stehen irgendwelche Herz-Schmerz-Stories über Promis, Unfälle, Ungerechtigkeiten, Schönheiten, Sex and Crime und so was. Dazwischen dann nationale und internationale Nachrichten. Immer wieder Meldungen über Einwanderungsregelungen und 'Aborigines'. Und jeweils sehr 'weiß'.

Ein paar Beispiele aus dem Artikel 'Remote Control' vom 30.09.06 über die Regierungspläne, die 'Aborigines' zu 'reformieren'(?):

"... the spiralling expense of a welfare-dependent indigenous population, and the vast "opportunity cost" that would come from continued poverty and ill-health across large parts of the centre and the north."

".. the Aboriginal world's long-established habits of dependency ... Out with the welfarism and the loose accounting; in with work, education and pathways to the wider world."

Selbst wenn das Beschriebene tatsächlich die Regierungsvorstellungen sind, kann man das doch so nicht schreiben, oder?

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Sonntag, 1. Oktober 2006
Deutsches
Das lokale (?) Radioprogramm begrüßt mich heute morgen mit Meldungen über Deutschland: ein Bericht über Führerscheinneulinge, über Jugendarbeitslosigkeit, über Musik (Mia, Bela B und Xavier Naidoo), dann noch eine Quizfrage: "Wieviele Menschen mit Migrationshintergrund leben in Deutschland?" Alles Berichte von der Deutschen Welle Bonn. Sehr interessannt, was und wie den 'AustralierInnen' über Deutschland berichtet wird. Und auch interessant, wie mich 'Deutsche' es irritiert, hier etwas über Deutschland zu hören.

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