Sonntag, 1. April 2012
Macho o Macho!
Genderkritisches Theaterstück über tamilische Politik: Aanmaiyo Aannmai!:

In Gurgaon wurde ich zur Bollywood-Live-Show Zangoora mitgenommen. Auch wenn ich kein Hindi verstehe, war die Geschichte einfach genug zu verstehen: Prinz wird als Kleinkind versteckt und wird später wieder Prinz, bekommt die Prinzessin und lässt seine Freundin sitzen.

Gestern nun hatte ich die Gelegenheit eine Aufführung der Theatertruppe Marappachi aus Chennai von V. Geethas Theaterstück Aanmaiyo Aannmai! (Macho o Macho!) in Bangalore zu sehen.



Vorher hatte ich die Zusammenfassung des Stücks in Englisch bekommen und auch das Skript in Englisch. Und trotzdem war es schwierig für mich zu verstehen. Nicht nur, dass ich kein Tamil verstehe, ich kenne mich mit tamilischer Politik nicht aus. Das Stück nimmt eine genderkritische Perspektive auf tamilische Politik im 20. Jahrhundert und betrachtet dabei auch die Frage von Kaste. Sehr politisch und sehr komplex. Heute morgen habe ich das Skript nochmal gelesen und verstehe etwas mehr.

Das ich viel weniger verstanden habe als in Gurgaon halte ich für ein Qualitätszeichen. Und es zeigt natürlich auch, dass ich nicht sehr theatererfahren bin und die Performance nicht so gut entschlüsseln kann.

Nachtrag 02.04.12: und über die tägliche Anmache im öffentlichen Raum:

Sich als Frau im öffentlichen Raum in Indien zu bewegen, ist in meiner Beobachtung kein Spaß. Männer nehmen keinerlei Rücksicht. Respekt gegenüber Frauen scheint - wenn überhaupt - auf den privaten Raum, dort wo Frauen laut heteronormativer Gesellschaftsordnung hingehören, beschränkt. Wenn sich Frauen öffentlich bewegen, dann scheint mann ihnen keinen Respekt entgegen bringen zu müssen. Dann muss auch keine körperliche Distanz gewahrt werden.

Die Steigerung des fehlenden Respekts ist der tatsächliche Übergriff durch Worte, Blicke und auch körperlich. Wahrscheinlich weil ich Ausländerin und ziemlich groß bin, passiert mir nicht ganz so viel. Vor ein paar Tagen habe ich einen Typen auf Deutsch beschimpft, weil er eine Freundin von mir einfach angerempelt hat.

Gestern habe ich mich dann mit einigen von der genderkritischen Theatertruppe Marappachi über die alltäglichen männlichen Übergriffe und was dagegen zu machen sei unterhalten. Eine meinte, dass sie eine zeitlang alles bei der Polizei angezeigt habe. Das aber nicht sehr erfolgreich gewesen sei, weil die Polizei den Frauen tendentiell die Schuld gebe. Eine andere meine, dass sie vor ein paar Tagen einen Typen geschlagen habe. In der Regel aber würden sie nichts machen. Die eine meinte: Frau kann nicht zehnmal am Tag einen Mann anschreien, sich wehren, etc. Da es vorallem auch nichts helfen würde, da die Männer dadurch nicht vor weiteren Übergriffen abgeschreckt würden. Frauen müssten mit ihrer Energie haushalten.

Um so wichtiger ist das feministische Engagement der Truppe.

Nachtrag 08.04.12: Und zum Abschluss noch was über das westliche Interesse an queeren Aktivist_innen:

Eine Freundin hat sich bei mir beschwert, dass immer mehr Westler_innen kommen und queere Aktivist_innen in Indien befragen wollen. Sie meinte, sie hat dafür keine Zeit. Ausserdem brauche sie deren Rat nicht. Den Down Read der Section 377 haben die Queer Natives in Indien selber geschafft, dazu brauchen sie keine Westler_innen. Und von einer 22jährigen will sie sich mit 47 Jahren auch nicht sagen lassen, wie sie richtig queer zu sein hat und wie ihr Engagement auszusehen hat.

Als ich 2004 eine Recherchereise zu lesbischen Aktivistinnen in Indien gemacht habe, habe ich schon gemerkt, dass sich die Westler_innen die Tür in die Hand geben und alle meine Interviewpartnerinnen schon mehrfach die Fragen beantwortet haben. Ich habe gemerkt, dass meine Reise viel mehr mit mir zu tun hat, als mit den Leuten hier. Ich habe davon profitiert und ganz viel dazu gelernt - und gemerkt, dass die Aktivist_innen hier mich nicht brauchen.

Seit dem Downread 2009 scheint das Interesse der Westler_innen noch mehr gestiegen zu sein. Das Interesse der queeren Aktivist_innen an den Westler_innen ist aber eher zurück gegangen.

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