Donnerstag, 25. Januar 2007
Norsk - Gender
Gestern haben wir gelernt, dass wir im Norwegischen nicht zwischen weiblichen und männlichen Substantiven unterscheiden müssen. Die weibliche Form gebe es zwar noch, werde aber nicht benutzt. Das ist praktisch für das Lernen.

Aber es illustriert auch die Schwierigkeiten sensibel eine Sprache zu lernen. Unsere Lektionen strotzen nur so von heteronormativen Bildern. 'Weißsein' ist auch die klare Norm. Die Dialoge und Personen sind Anschlussfähig für den 'Standard-Deutschen': Der Lehrer Jens und die Krankenschwester Katrin reisen mit ihren Kindern Thomas und Sabine. Die Ehefrau Gerda des Rentners Wilhelm bezeichnet sich als Hausfrau. Und dann ist da noch der Student Christian. Ayse und Cem kommen nicht vor. Eine schwarze Deutsche oder ein homosexuelles Paar sowieso nicht. Und Autofahren ist auch die Norm.

Wie kann ich eine differenzsensible Sprache lernen?
Ist es tatsächlich so, dass ich mir im Norwegischen keine Gedanken um Gender machen muss? Oder gibt es auch für die norwegische Sprache gendersensible Formulierungen?

Gerlernt habe ich das der lærer (LehrerIn), der bibliotekar (BibliothekarIn), der sykepleier (KrankenpflegerIn) jeweils beide Geschlechter umfasst (umfassen soll?). Die husmor (Hausfrau) hingegen ist immer weiblich. Gender scheint also doch noch da zu sein, oder nicht?

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Stimmt nicht so ganz
Vermutlich ist Dein Lehrer aus Oslo und aus dem westlichen Teil (da wo die Mittel- und Oberklasse wohnt). Denn da werden kaum die weiblichen Formen benutzt. An der West-Kueste und vor allem im Norden wirst Du ueberall auf die weiblichen -a-Endungen stossen - nicht nur muendlich, sondern auch schriftlich (Zeitungen, Uni-Arbeiten). Benutzt Du dort nur die maennlichen Versionen, kann man als "Snob aus der Hauptstadt" aufgefasst werden.

(betrifft weibliche Formen von Substantiven wie tid (tiden / tida - Zeit), nicht von Personenbezeichnungen wie lærer - lærerinne sagt wirklich niemand)

Von vielen Woertern gibt es verschiedene Versionen, bis zu vier, die alle offiziell gleichberechtigt sind. Dazu gibt es noch das Nynorsk - die zweite norwegische Sprache. Die Sprachgeschichte ist sehr spannend und vor allem sehr politisch.

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Danke
Das die Sprache(geschichte) sehr politisch ist, hatte ich auch schon den Eindruck. Beim Lernen ist das wirklich schwierig, da durchzusteigen - aber wahrscheinlich gilt das generell für das Sprachenlernen.

Meine Lehrerin ist eigentlich aus Bergen. Manchmal verweist sie darauf, dass sie Sachen anders bezeichnen würde, aber uns bokmål beibringen will. Das mit den weiblichen Endungen hat sie aber eigentlich als allgemeingültig dargestellt.

Weisst Du was dazu, ob sich FeministInnen kritisch mit der norwegischen Sprache auseinandersetzen?

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Bokmål spricht man ja nur in Ostnorwegen, die Lehrerin sollte Euch mehr Dialekt beibringen, denn damit wirst Du ja in Norwegen konfrontiert. Eine Hochsprache wie in Deutschland gibts hier ja nicht und auch Profs in Vorlesungen oder Nachrichtensprecher bleiben ihren Dialekt treu.

Hm, gute Frage, ab und zu hoert von von "nordkvinner" anstatt von / oder zusaetzlich zu "nordmenn" (Norweger = nordmenn = Nordmaenner / nordkvinner = "Nordfrauen).

Es ist ueblich, das weibliche "hun" (sie) als geschlechtsneutrales Pronom zu benutzen (besonders wenn es sich um Ethnologen handelt, sind ja fast nur Frauen), man sagt nicht nur "talsmann" (Sprecher einer Organisation) sondern auch "talskvinne" usw - war frueher nicht ueblich. Und anstatt "formann" sagt man meist "leder" (heisst "Leiter" und ist geschlechtsneutral) - eine der wenigen Ausnahmen ist die FrP - die rechtspopulistische Partei hier (mit die groesste Partei mit rund 30%) - die Chefin hat den Titel "formann".

Aber frag doch Deine Lehrerin, spannendes Thema, worueber ich zu wenig reflektiert hab.

lorenz

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Ich werde das mal weiter beobachten bei meinem Sprachelernen und dann auch vor Ort - und meine Lehrerin weiter nerven ... Ich find das auch sehr spannend.

Meine Fragen und Problematisierungen würden wahrscheindlich beim Lernen jeder Sprache auftreten. Als AnfängerIn muss frau ja ein Gerüst bekommen, dass irgendwie stabil und verlässlich ist. Das kann dann die Gewordenheit und Unklarheiten von Sprache logischerweise nicht sofort thematisieren.

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