Sonntag, 30. März 2008
Der schwarze Mann
Eine Frau wird von einem Mann eingesperrt, ausgebeutet und misshandelt. Viele Jahre lang. In einem Land, dessen Sprache sie nicht spricht, das sie nicht kennt und in dem sie sich keine Hilfe organisieren kann. Eine schlimme Geschichte. In diesem speziellen Fall mit einer Art Happy End: durch eine schwere Krankheit kommt sie in ein Krankenhaus und entkommt damit ihrem Peiniger.

Die taz berichtet darüber. Aber über einiges in diesem Artikel von Waltraud Schwab wundere ich mich:

"Mit ihrem runden Gesicht, das von schwarzen Haaren eingerahmt ist, mit den dunklen Augen, der bronzefarbenen Haut könnte die Indonesierin auch aus Nordafrika oder Südamerika stammen."

Was soll diese Rassifizierung? Eine so aussehende Frau könnte genauso gut aus Deutschland 'stammen'. Oder nicht?

Der Täter wiederum wird als "Araber" bezeichnet und wie folgt beschrieben:

"Er hat schwarze Haare, schwarze Augen, einen schwarzen Schnurrbart."

Der schwarze Mann. Steht er im Kontrast zu der bronzefarbenen Frau, die auch aus Südamerika stammen könnte? Symbolisiert das Schwarze das Böse? Was wenn der Mann blond gewesen wäre und blaue Augen hätte?

"Er errichtet eine Haremsmauer um die Frau."

Warum eine Haremsmauer? Warum nicht einfach eine Mauer? Wieso der Bezug auf das orientalistische Bild des Harems?

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Nein, der schwarzhaarige Mann
Hallo Urmila,
ich bin gerade auf Ihren Kommentar zu meinem Porträt von Hasniati gestoßen. Sie gehen sehr schwarz-weiß denkend mit mir ins Gericht. Das können Sie natürlich machen. Nur was bringt Ihre Kritik? Soll ich die Menschen, die in dem Text vorkommen, aber anonym bleiben müssen, nicht mehr beschreiben dürfen? Natürlich haben Sie Recht, egal wie jemand aussieht, er kann immer aus Deutschland kommen. Aber ein Bild, das Ihnen hilft, sich auch nur annähernd etwas vorzustellen, haben Sie sicher auch gern. Oder täusche ich mich da?
Soll ich, wenn einer schwarze Haare, einen schwarzen Schnurrbart und schwarze Augen hat, dies nicht mehr schreiben, bloß weil Sie an den schwarzen Mann denken? Und warum soll ich nicht Haremsmauer schreiben, bloß weil Ihnen Mauer genügt?
Etwas ratlos danke ich Ihnen aber dennoch für Ihre Anregungen
W. Schwab

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Liebe Frau Schwab,
kurz vorneweg: meistens lese ich Ihre Artikel gerne. Und auch die taz lese ich gerne. Sonst würde ich sie hier auch nicht so viel kommentieren.

Und jetzt zu meinem Beitrag und ihrem Kommentar: Mein Ziel ist eine Diskursanalyse. Es ist der Versuch zu analysieren, wie bestimmte Formulierungen, Betonungen, Auslassungen, etc. wirken, welche Bilder sie evozieren, welche Assoziationen sie bewirken. Bilder wirken selbstverständlich bei jeder anders, aber nicht ganz willkürlich. Es gibt in jedem spezifischen Kontext, zu jeder spezifischen Zeit bestimmte Assoziationen die bestimmte Bilder besonders hervorrufen.

Ich weiß, dass es journalistischer Stil ist das Aussehen von Menschen zu beschreiben, insbesondere in Reportagen. Das soll die LeserIn ansprechen, sie in die Geschichte ziehen, ihr ein Bild machen, etc. Aber da mit Bildern (sowohl Beschreibungen wie sprachlichen Bildern) auf einen bestimmten Wissensschatz der LeserInnen zurückgegriffen wird, in der Gesellschaft verankerte Assoziationen aufgerufen werden, ist dies auch problematisch. So werden ausgrenzende Bilder (in der taz gehe ich in der Regel davon aus: ungewollt und unbewusst) reproduziert und stabilisiert. Daher bin ich tatsächlich der Meinung, dass JournalistInnen beim Beschreiben von Menschen vorsichtig sein sollten und sich sehr gut überlegen sollten, was wirklich für die Geschichte und die LeserIn wichtig ist.

Nun zu Ihren konkreten Beschreibungen:

Die Aussage, dass die Indonesierin mit ihrem Aussehen auch aus Nordafrika oder Südamerika stammen könnte, hat mich sehr irritiert. Ich habe mich gefragt, was die Aussage soll. Welche wesentliche Information ich dadurch bekomme. Und das ist mir durch Ihren Kommentar auch nicht klarer geworden. Die Beschreibung hat mir auch suggeriert, wenn die AsiatIn auch aus Afrika oder Amerika stammen könnte und Europa nicht mit aufgeführt wird, dann soll dass wohl heißen, dass sie nicht aus Europa kommen kann. Dass aber heißt vermutlich auch, dass ich aus Asien, Afrika oder Amerika kommen könnte, aber nicht aus Europa. - Diese Assoziationskette haben Sie vermutlich nicht beabsichtigt, aber sie haben sie durch ihre Beschreibung evoziert.

Und nun zum schwarzen Mann: Der schwarze Mann ist ein durch und durch rassistisches Motiv in Deutschland (und nicht nur ich denke an ihn bei solchen Beschreibungen). Daher halte ich es für wichtig, sehr vorsichtig bei der Reproduktion zu sein. Es mag sein, dass der Täter schwarze Haare und einen schwarzen Schnurrbart hat (die schwarzen Augen halte ich für sehr unwahrscheinlich), aber ich weiß nicht, was ich als LeserIn davon habe, wenn er mir so beschrieben wird. Da er aus dem Jemen kommt, hatte ich eh nicht vermutet, dass er blond ist (obwohl er das natürlich sein könnte). Die Häufung von dreimal schwarz in einem Satz finde ich in diesem Kontext sehr problematisch und völlig unnötig.

Nun zur Haremsmauer: Die Frau wurde eingesperrt. Insofern passt das Bild der Mauer gut. Warum aber die Mauer mit dem Bild des Harems gekoppelt wird, ist mir unklar. Harem evoziert das Bild von einem 'orientalischen' Herrscher und seinen vielen Frauen, die ihm sexuell zu Diensten sein müssen. Der Harem hat eine wichtige Rolle im westlichen Orientalismus. In diesem Fall aber sagt Hasniati Ihnen, dass sie nicht sexuell missbraucht wurde (was stimmen kann oder nicht). Daher ist es mir nicht klar, warum das Bild des Harems aufgerufen wird. Aus einer rassismuskritischen Perspektive würde ich auf solche Bilder, die keine zusätzliche Information transportieren aber rassistische Vorstellungen (in diesem Fall islamophobe) fördern können, verzichten.

Ich hoffe, dass diese Ausführungen Ihnen klarer machen, warum ich mit den Beschreibungen aus einer diskursanalytischen und rassismuskritischen Perspektive Probleme habe. Dabei unterstelle ich Ihnen in keinem Fall, dass sie die problematischen Bilder bewusst hervorrufen.

Mit freundlichen Grüßen,

Urmila Goel

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Erzwungene Gedanken
Liebe Frau Goel,

ich kann gegen Ihre Argumentation kaum angehen, da Sie ein eng gestecktes Wahrnehmungsgebäude vorgeben, innerhalb dessen, Ihre Argumentation funktioniert.

Die Verknüpfung von Aussehen und Herkunft, die ich etwa gemacht habe, wird von Ihnen auf rassistische Konnotationen hin abgeklopft. Das bedeutet indes, das es nicht opportun ist, ein bestimmtes Aussehen einer bestimmten geographischen Region zuzuordnen. Eine solche Regel kann man natürlich aufstellen. Nur frage ich mich ehrlich, ob das was bringt? Die Beschreibung Hasniatis war ein Versuch zu signalisieren, dass sie keinem Indonesien-Klischee entspricht und dass Indonesien selbst starke arabische Einflüsse erlebt hat. Dazu ist ihr Gesicht flächig, wie ich es bei indigenen Südamerikanerinnen öfters wahrgenommen habe. Darf ich das nun wahrnehmen, oder darf ich das nicht? Auf jeden Fall sieht Hasniati auf den ersten Blick nicht aus, wie eine, die aus einem Dorf etwa am Kaiserstuhl kommt, obwohl sie natürlich von dort kommen könnte.

Dasselbe gilt für die Beschreibung des Mannes. Warum wird die Erwähnung von schwarzen Haaren, Augen und Schnurrbart mit Rassismus verknüpft? Ich werte nicht, ich beschreibe. Es hat nichts mit "Schwarzgeld" "schwarz fahren", "Schwarzkasse" und "schwarzem Peter", den wertenden Negativbeispielen aus der Rassismusdiskussion in den 90er Jahren zu tun. Der Schlüsselsatz ist doch gar nicht, dass der Mann schwarze Haare etc hat. Der Schlüsselsatz lautete: "Um seinen Mund liegt ein bitterer Zug." Vermutlich bringen Sie, diese Negativbeschreibung in Zusammenhang mit den zuvor beschriebenen schwarzen Haaren, Augen und Schnurrbart. Und erst jetzt machen Sie ihn zum schwarzen Mann, obwohl ich kein Wort über die Hautfarbe gesagt habe.

Auf jeden Fall haben Sie Recht, man sollte vorsichtig sein. Ihre Anregungen sind nicht unwichtig, auch wenn ich daraus nicht Ihre Konsequenzen ziehe.

Herzliche Grüße
Waltraud Schwab

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Es freut mich
dass Sie sich mit meinen Kommentaren so auseinandersetzen.

Individuelle Wahrnehmungen sind so wie sie sind und haben als solche ihre Berechtigung. Sie dürfen natürlich alles so wahrnehmen, wie sie es wahrnehmen? Nie würde ich mir anmassen, die Wahrnehmung zu zensieren. Ich plädiere lediglich dafür, die eigene Wahrnehmung immer wieder kritisch zu reflektieren, zu überlegen welche gesellschaftlichen Machtsysteme meine Wahrnehmung formen und wie ich Machtasymmetrien damit stütze. Und welche Wahrnehmungen ich durch meine Beschreibungen fördere und welche nicht.

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