Donnerstag, 12. September 2024
Felforschung: Tag 4
Fünf Mozarella-Tomaten-Platten


Heutenachmittag als ich gerade dabei war, der Azubi zuzuarbeiten, kam der Chef zu mir: "Du kannst Tomaten-Mozarella-Platten? Dann brauche ich fünf." Und so habe ich meinen ersten größeren eigenen Arbeitsauftrag bekommen. Mein Eindruck in dieser Fleischerei ist: Wer sich engagiert, sich dabei nicht allzu dumm anstellt (Fehler werden verziehen, fehlendes Engagement weniger), die* wird auch integriert in das Team. Ich bin überrascht, wie sehr Teil ich am vierten Tag schon bin. Da scheint egal, dass ich Forscherin aus der Uni bin. Und da ist wohl auch egal, woher jemand kommt. Die Arbeit muss stimmen. Als ich früher als sonst gehe, weil ich noch auf eine Veranstaltung zur Fachkräfteanwerbung will (zusammen mit einem Azubi), werde ich etwas besorgt gefragt - zumindest so scheint es mir - ob ich morgen komme.

Teilnehmende Beobachtung gibt mir Einblicke in den Arbeitsalltag und eröffnet mir Gespräche. Nur zum Feldnotizenschreiben bleibt nach dem langen Arbeitstag etwas wenig Zeit.

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Mittwoch, 11. September 2024
Feldforschung: Tag 3
Brät im Cutter


Heute habe ich die Azubis begleitet, die die Ausbildung zur Fleischer_in machen. Da konnte ich weniger helfen. Die Maschinen und Messer kann ich nicht bedienen. Das Fleisch und die Zubereitungsformen kenne ich nicht. Aber gelernt habe ich viel. Zum Beispiel wie das Brät hergestellt wird. Und konnte dann später am Tag wieder mithelfen, die Produkte aus dem Brät an der warmen Theke zu verkaufen.

Während ich nicht so viel arbeiten konnte, gab es eine ganze Reihe von Gelegenheiten zu Gesprächen. Die asiatischen Azubis sind ganz schön unterschiedlich. Auch da lerne ich einiges zu. Und auch aus den Gesprächen mit Kolleg_innen, die nicht aus Asien angeworben wurden.

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Dienstag, 10. September 2024
Feldforschung: Tag 2
Warme Theke in der Fleischerei.


Der Chef hat gestern gesagt, ich soll zuschauen und abschauen, als ich meinte, ich wolle nicht nur beobachten, sondern auch arbeiten. Und das funktioniert auch. Zum Teil gibt mir die Azubis Aufgaben. Heute habe ich die Antipasti-Platten schon eigenständig machen können. Wurst- und Käseplatten sind aber weit jenseits meines Könnens. Zum anderen beobachte ich, was die anderen machen, was zu machen ist und versuche das dann auch zu machen. Klappt nicht immer, aber immer öfter. Als es heute ganz stressig war, weil nicht genug Leute zum Bedienen da waren, und ich untätig in der Gegend rumstand, habe ich einfach angefangen, auch an der warmen Theke bedient. Nur für das Bezahlen brauchte ich Hilfe von den Kolleg_innen.

Bei meinem letzten Feldaufenthalt im Juli hatte der Chef die* asiatische Azubi auch genau dafür gelobt, dass si*er zuschaut, versteht, was wie gemacht wird, und es dann selbständig tut.

Heute von 7 Uhr bis 18 Uhr in der Fleischerei gewesen. Da war meine Aufmerksamkeit nachmittags dann doch eher eingeschränkt gewesen. Also, jetzt wieder ins Bett.

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Montag, 9. September 2024
Felforschung in der Fleischerei: Tag 1
Mozarella-Tomaten-Platte


Handwerkliche Fleischereien in Deutschland werben Auszubildende aus Asien an. Das fand ich spannend und habe ein kleines Forschungsprojekt begonnen. Im März habe ich einige Fleischereien, die Gewerbeschule und die Handwerkskammer besucht.

Jetzt mache ich für eine Woche ein Praktikum in einer Fleischerei. Eine* der asiatischen Azubis lernt mich an. Ich durfte verschiedene Antipasti-Platten anrichten. Und ganz viel Gemüsse schnippeln für Salate. Ich habe sogar schon Kund_innen an der Salattheke bedient (ohne Abkassieren). Und versuche auch sonst hilfreich zu sein und nicht nur blöd in der Gegend rumzustehen.

8.00 bis 18.15 Uhr Arbeitstag (mit Pausen) ist ganz schön ungewohnt für mich. Morgen soll es schon um 7.00 Uhr losgehen. Ich muss dringend ins Bett.

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Freitag, 5. Juli 2024
Ausstellung: Die fünfte Wand
Jetzt in Berlin: Eine Ausstellung zum Werk der Journalistin Navina Sundaram.

Die fünfte Wand

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Sonntag, 26. Mai 2024
Deutschland den Deutschen
Blick aus dem Fenster


Ich sitze in meinem Sessel und bereite mich auf die Lehre nächste Woche vor. Die Balkontür ist auf. Draussen scheint die Sonne, Vögel zwitschern, es ist friedlich. Joggende kommen vorbei. Weiße T-Shirts sehe ich durch die Bäume. Und ich höre Gesang: "Deutschland den Deutschen. Ausländer raus." Einfach so. Nicht besonders aggressiv. Als wäre es was ganz Normales zu singen. So wie auf dem Video aus Sylt. Bis ich auf aufgestanden bin und auf dem Balkon stehe, sind die Joggenden schon weg. Haben auch gleich wieder aufgehört zu singen. Ich stehe da und bin völlig ratlos. Und erschrocken. Und überfordert. Ich gehe rein und bereite weiter meine Lehre vor.

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Sonntag, 21. April 2024
Incel Terror
Vor gut einer Woche gab es in Sydney eine Messerattacke mit sechs Toten. Die Polizei teilte mit: "Es gibt nichts, das bisher auf irgendein Motiv oder eine Ideologie hindeutet.". Wenige Tage später wurde klar, dass der Täter explizit Frauen ermordet hat und frustriert war, weil er keine Freundin hatte. Das hört sich sehr nach Incel an. Und von Incels gab es schon mehrfach tödliche Angriffe auf Frauen. Die meist aber nicht als Terror eingestuft werden. In der taz weist Carolina Schwarz darauf hin, das auch Femizid als Terror wahrgenommen werden sollte:

"Doch wie kann man ein gezieltes Töten von Frauen erkennen und gleichzeitig ein ideologisches Motiv ausschließen? Hinter so einer Aussage steckt Unwissen oder beabsichtigtes Wegschauen. Zumindest macht es die Gefahr, unter der Frauen tagtäglich leben müssen, unsichtbar: Denn Misogynie ist kein Einzelphänomen, sondern eine Struktur, die sich durch alle Bereiche der Gesellschaft zieht."

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