Freitag, 1. März 2013
Kein genereller Boykott
Ich bin froh, dass ich die Einladung nach Israel angenommen habe. Ich habe meinen Horizont unheimlich erweitert. Vor der Reise wusste ich so gut wie nichts über das Land und habe mich (aus Angst mich angreifbar zu machen) auch kaum mit Israel beschäftigt und mich dazu positioniert. Für die Reise habe ich viel gelesen und so schon viel gelernt. Die Begegnungen in Israel haben mir dann Einblicke in viele Facetten Israels und auch in die Kritik an israelischer Politik, wie sie in Israel selbst formuliert wird, gegeben. Ahnung habe ich so noch immer sehr wenig, schliesslich war ich nur eine Woche da und habe nur wenig gesehen und mit wenigen gesprochen, aber ich habe etwas ein Gefühl für die Vielfalt Israels entwickeln können - und mich damit auseinandergesetzt was meine Position als Deutsche (mit Vorfahren, die in der Nazizeit mitgemacht haben) ist.

Vor meiner Reise hatte ich aber auch von Freund_innen gehört, dass sie nicht nach Israel fahren würden. So fragte ich dann in Tel Aviv bei einem gemeinsamen Abendessen zwei arabische Israelis (oder Palästinenser_innen mit israelischer Staatsbürger_innenschaft), was sie von einem Boykott Israels halten würde. Sie waren durchaus für einen Boykott Israels, aber nur mit genauem Blick auf den konkreten Kontext. Sie argumentierten, mensch müsse immer genau schauen, wer was mit welchem Zweck und welchen Leuten organisieren würde, und das dann dementsprechend entscheiden. So erzählten sie von einem arabischen Israel, der in Israel lebe und Israel boykottieren würde. Das hiess, dass er sich bei jeder Anfrage überlege, ob er diese boykottieren müsse oder ob es vertretbar sei, daran teilzunehmen.

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Bezeichungspraxen (in Israel)
Die Frauen um uns herum, waren ständig mit ihren Handys beschäftigt. Ständig klingelten sie und die Frauen telefonierten. Dazu wollte ich eine (nicht sonderlich tiefschürfende) Bemerkung machen und sagte etwas wie "you Israeli women". Worauf mich die Palästinenserin freundlich aber entschieden darauf hinwies, dass sie so nicht bezeichnet werden wolle. So versuchte ich es mit "women in Israel", da ich sowohl die Mizrahi Frauen wie auch die Palästinenserinnen um mich rum meinte (und potentiell auch andere). Aber auch das war ihr nicht ausreichend, sie schlug vor, dass ich sagen würde "Jewish and Palestinian women in Israel" (vielleicht war es auch "Arab" und nicht "Palestinian", das habe ich vergessen, was wieder einiges über meine Auffassungsgabe in dem Kontext aussagt). Da hatte ich dann das Gefühl, dass mir die zwei Kategorien zu stark würden, denn eigentlich wollte ich alle Frauen in Israel bezeichnen (und da gibt es auch nicht-jüdisch nicht-palästinensische, auch auf der Konferenz).

Bezeichnungen sind wahrlich nicht unschuldig, sondern durch und durch politisch - nicht so leicht, wenn mensch noch gar nicht so genau weiss, welche politische Botschaft sie ausdrücken will.

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Racial Profiling in Israel
Meine Ein- und Ausreise nach und von Israel und auch mein Aufenthalt im Land verliefen ohne größere Probleme. Ich scheine nicht in die Kategorie zu gehören, die unter besonderer Beobachtung steht.

Bei der Einreise musste ich nur meinen Pass zeigen, sagen wie mein Vater heisst und was ich im Land will, dann war gut. Eine Freundin von mir (deutsche Staatsbürger_innenschaft, aber geboren in Indien) wurde schon die Einreise vermiest. Kaum war sie aus der Lufthansa-Maschine ausgestiegen, wurde sie als Einzige angesprochen und musste rechtfertigen, was sie in Israel will und warum sie einen deutschen Pass hat. Kein schönes Willkommen.

Unterwegs wurde ich immer mal wieder auf Hebräisch angesprochen, kam problemlos durch die Sicherheitskontrollen bei den Busbahnhöfen und hatte sonst auch keine Probleme (ausser dass mir die starke Präsenz von bewaffneten Soldat_innen im Straßenbild und auch in den Bussen doch unheimlich war).

Zum Flughafen wurde ich von einem Palästinenser gefahren. Kurz bevor wir am Flughafen ankamen, sagte er mir, dass er hoffe, gleich bei der Befragung nicht als Araber erkannt zu werden, sonst würde das Auto durchsucht werden. Er erzählte mir, dass er bei der Befragung bestes Hebräisch sprechen würde, damit wir durchkommen. Das reichte dann aber nicht ganz. Sein Ausweis wurde auch kontrolliert. Da er aber mittlerweile in Nord-Tel Aviv wohnt und sein Name nicht eindeutig muslimisch ist, wurde er nicht als Araber erkannt. Auch mein Pass wurde kontrolliert und ich musste sagen, wo ich war. Dann war die Zitterpartie vorbei und wir konnten weiterfahren.

In der ersten Schlange am Flughafen musste ich meinen Pass zeigen und sagen, was ich im Land gemacht hatte. Die Auskunft, einen Vortrag gehalten zu haben, reichte aus und ich wurde nicht weiter ausgefragt. Rund um mich mussten andere genaue Auskunft geben, bei wem sie wieso waren, woher sie die Personen kennen, was ihre Namen, die Namen der Kinder etc. sind.

Bei der Gepäckkontrolle wurde es dann anstrengender für mich. Viermal musste der Rucksack gescannt werden, bis ein ordentliches Bild da war. In der Schlange für die Handdurchsuchung des Gepäcks stand ich wie die anderen dumm rum und verstand nicht, warum wer rausgerufen wurde und wer stehen gelassen (der Willkür so ausgeliefert zu sein und nichts sagen zu können, ist ziemlich demütigend). Dann wurde mein Rucksack weitgehend ausgeräumt und es dauerte eine Weile bis ich ihn wieder gepackt hatte. Ich wurde zum Check-in begleitet und dann zur Oversize-Gepäckaufgabe (die ganze Zeit ohne zu wissen, warum ich Begleitung von der Security hatte - das war schon spooky).

Aber ich hatte großes Glück. Ich wurde nicht zu einer verstärkten Befragung ins Spezialzimmer genommen. Musste mich nicht ausziehen und in Unterwäsche warten, wie es einer Freundin mit deutscher Staatsbürger_innenschaft und palästinensischem Namen ergangen war, wie es wohl Standard für Palästinenser_innen ist, wie mir mein Fahrer zum Flughafen erzählte, was aber wohl auch anderen passieren kann. Ich hatte Glück bzw. kann falle nicht unter die im racial profiling Ausgesonderten.

Es musste dann nur noch nach einer weiteren Schlange das Handgepäck durchleuchtet werden und ich wirklich alles ablegen (inklusive Uhr und Gürtel), mehr noch als in Heathrow. Nach knapp zwei Stunden war ich dann auch durch die Sicherheitsüberprüfung durch und eingecheckt. Drei Stunden vorher muss mensch wirklich mindestens am Flughafen sein.

Bis dahin war auch alle Erholung und Entspannung, die ich morgens beim Spaziergang am Strand und Karmel Markt in Tel Aviv noch verpürt hatte, völlig vergangen. Ich wollte nur noch weg.

Hier in Deutschland meinte eine Bekannte, die Überüfungen seien doch nicht weiter schlimm, schliesslich wäre mensch so wenigstens sicher, dass kein Anschlag geschehe. Sicher bin ich froh, dass ich nicht in einen Anschlag gekommen bin. Aber ob so wirklich Sicherheit hergestellt werden kann, bezweifele ich. So wird immer wieder Ausgrenzung erlebt und Strategien entwickelt, sich durchzumoggeln.

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