Donnerstag, 22. November 2012
Die Protestierenden und die Politiker_innen
Heute war das Treffen der Protestierenden am Brandenburger Tor und Bundestagspolitiker_innen (siehe z.B. rbb-online). Die Forderungen der Protestierenden waren laut dem Blog des Refugee Strikes folgende:

"1. Anerkennung aller Asylsuchenden als politisch Geflüchtete
2. Stopp aller Abschiebungen
3. Aufhebung der Residenzpflicht
4. Nicht Prüfung und Aufrechterhaltung der Lager sondern Wohnungen"


Das sind sehr konkrete Forderungen, auch wenn sie umfassend und radikal sind. Das Treffen war laut rbb-online aber "ergebnislos". Aus Sicht der sogenannten Integrationsbeauftragten, weil:

"Das Treffen sei für eine politische Demonstration genutzt worden, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), im Anschluss an das Gespräch am Donnerstagabend. Damit sei die Chance, über konkrete Probleme zu reden, vertan worden."

Warum wird eigentlich Menschen in prekären Situationen vorgeworfen, dass sie politisch handeln? Warum sollten sie das nicht tun, wenn sie mit Politiker_innen zusammentreffen? War von den Protestierenden erwartet worden, dass sie sich mit Almosen abspeisen lassen?

"Es sei schwierig gewesen, sich auszutauschen, weil die Forderungen sehr allgemein und die Fronten verhärtet gewesen seien, so der Flüchtlingsexperte der Grünen, Josef Winkler. "

Die Forderungen war sehr konkret und umfassend, es geht um existentielle Rechte der Protestierenden, da ist es doch kein Wunder, dass sie darauf beharren. Was hatten die Politiker_innen den erwartet? Wurden den Protestierenden denn irgendwas angeboten?

Nachtrag 24.11.12: Die taz berichtet ausführlicher über das Treffen und zeigt, wie wenig es der CDU um eine Auseinandersetzung mit den politischen Forderungen der Protestierenden geht.

"Selbst am nächsten Morgen war Reinhard Grindel noch aufgeregt: Ein „Skandal“ sei das Treffen mit der Flüchtlingsdelegation am Vorabend gewesen, sagt der CDU-Obmann im Innenausschuss des Bundestags, eine „Zumutung“. Statt über „ihre persönliche Lage zu sprechen“, hätten die „nur politische Erklärungen“ abgegeben und „Rassismus-Vorwürfe erhoben“. Das Gespräch sei „nicht geeignet gewesen, zu irgendeiner Art von politischer Konsequenz zu kommen“, so Grindel. "

Die Protestierenden verstehen sehr klar, dass die Politiker_innen mit ihnen nicht auf Augenhöhe verhandeln wollen, dass sie sich der politischen Auseinandersetzung verweigern und die gesellschaftlichen Verhältnisse unzulässig individualisieren:

" „Man hat von uns erwartet, dass wir dankbar sind“, sagte die Iranerin Mansureh Komeigani. „Aber hier leben Menschen zehn Jahre im Lager, das belastet sie psychisch sehr. Warum sollen wir dafür dankbar sein?“

Sie kritisierte, dass die Abgeordneten nicht akzeptiert hätten, dass die Flüchtlinge eine politische Erklärung abgeben wollten. „Wir sollten nur über uns selber sprechen. Aber wir waren eine Delegation für alle Flüchtlinge. Deswegen mussten wir auch über die Gesetze sprechen, die für unsere Lebensverhältnisse verantwortlich sind.“ "


Zudem verwehren sie sich dagegen kriminalisiert zu werden und das Verhältnisse verharmlost werden sollen:

"„So werden wir als Kriminelle hingestellt, die kontrolliert werden müssen“, sagte Komeigani. „Die Abgeordneten wollten sogar, dass wir nicht das Wort ’Lager‘ benutzen. Aber es ist wie ein Gefängnis ohne Mauern.“ "

Wenn sich die Politiker_innen so gar nicht auf eine politische Auseinandersetzung einlassen wollten, warum haben sie dann das Gespräch angeboten? Haben sie wirklich gedacht, die Protestierenden, die höchst politisch agieren, würden sich mit dem Individualisieren ihrer Anliegen zufrieden stellen lassen und sich Paternalismus aussetzen.

Nachtrag 25.11.12: Die Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak berichtet über das Treffen auf ihrem Blog.

Nachtrag 26.11.12: Weitere selbstbewusste Asylbewerbende in Freudenstadt. Die taz berichtet.

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Pink money
In der taz interviewen Jan Feddersen und Martin Reichert die USamerikanische Historikerin Dagmar Herzog zu aktuellen Entwicklungen in den USA und dazu, ob Obamas Wahlsieg einen "Triumph für die sexuellen Bürgerrechte" bedeutet. Herzog beschreibt, wie es dazu kam, dass sich Obama für LGBT-Rechte einsetzt:

"Auf die Dauer hilft nur Power. Obama war sich ja auch lange unsicher, ob er bei dem Thema einsteigen soll. Aber dann wurde Druck auf ihn ausgeübt, und zwar von seinen finanziellen Unterstützern. „Pink Money“, zwei seiner wichtigsten Geldgeber für den Wahlkampf waren Schwule, und die haben dann gesagt: Jetzt mach mal, Obama, sonst bekommst du kein Geld. Das war der heilsame Druck. "

Heilsam hört sich das für mich gar nicht an, wenn politische Haltung durch Geld erkauft wird. Das heisst, dass nur die, die über genügend finanzielle Ressourcen verfügen, Unterstützung bekommen.

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