Sonntag, 16. Oktober 2011
Ausweisung von Inländer_innen
"Nach dem deutschen Ausländergesetz ist ein Ausländer [...] zwingend auszuweisen, wenn er zu einer Haftstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt wurde."

schreibt die taz in einem Artikel zur Ausweisung eines Inländers ohne deutsche Staatsbürger_innenschaft. Der verurteilte tunesische Staatsbürger klagte gegen seine Ausweisung:

"Alle seine sozialen Bezüge seien in Deutschland, zu Tunesien habe er keinerlei Verbindung. Er berief sich dabei auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des Straßburger Gerichtshofs für Menschenrechte."

Jetzt hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Ausweisung laut taz nach Einzelfallprüfung zugestimmt:

"Dabei stellten die Richter fest, dass T. sich nicht besonders um seine Integration in Deutschland bemüht hatte. Außerhalb seiner Familie habe er kaum soziale Bezüge. Er habe nicht versucht, seine Aufenthaltserlaubnis, die 2002 abgelaufen war, zu verlängern. Auch einen Antrag auf Einbürgerung habe er nicht gestellt."

Hier schlägt der diffuse Integrationsbegriff voll zu. Bei einem nicht-deutschen Staatsbürger ist es nicht massgebend, dass seine Familie, zu der eine Beziehung hat, in Deutschland ist (und er in Tunesien keine eigenen Bezugspunkte hat), er muss sich irgendwie anders (in Deutschland) integrieren (ansonsten gehört er nach Tunesien). Es wird suggeriert, dass ein Antrag auf Einbürgerung ein Zeichen für eine solche Integration wäre, dabei wäre für den straffällig Gewordenen ein solcher Antrag wohl völlig aussichtslos gewesen.

Der Skandal der Ausweisung liegt allerdings nicht im Einzelfall sondern in der doppelten Bestrafung von nicht-deutschen Verurteilten: Haft plus Ausweisung (siehe auch taz-Kommentar).

Lesetipp: Tobias Schwarz analysiert den deutschen Ausweisungsdiskurs in seinem Buch Bedrohung, Gastrecht, Integrationspflicht.

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