Mittwoch, 21. Dezember 2011
Stille Post und Konstruktion von Fakten
Heute berichtet die taz mit einem Porträt über die Freilassung von Razan. So wie mir es scheint, hat die Autorin Juliane Schmacher für diesen Artikel Informationen aus verschiedenen Internetquellen zusammengetragen und keine Informationen aus erster Hand. Damit ergeben sich die Probleme, des Überprüfens eben dieser Quellen.

So erinnert mich der Abschnitt im taz-Porträt über Razans Thematisierung von Homosexualität stark an den L-Mag-Artikel von Hannah Wettig. Hannah hatte die Informationen aus erster Hand, den sie hat wie ich beim Young Media Summit Razan getroffen. Allerdings fand ich schon im L-Mag-Artikel ihre Darstellung von Razans Aussagen überraschend. Zumindest hatte ich Razans Argumentation anders verstanden (sehr viel komplexer). Durch die Übernahme der Darstellung in der taz wird diese Version jetzt aber weiter festgeschrieben.

In dem taz-Porträt halte ich auch die Aussage, Razan hätte zuletzt mit ihrer Rolle im internationalen NGO-Betrieb gehadert, für nicht so ganz passend. So wie mir scheint, haderte Razan da schon sehr viel länger mit.

Bei diesem taz-Porträt fällt mir nun auf, dass es auf zweifelhafter Datenbasis geschrieben wird. Wenn ich die Person nicht kenne, fällt es mir sicher viel weniger oder gar nicht auf. Die Suggestion von Faktenvermittlung, die die Medien machen, ist wirklich eine Herausforderung.

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Freitag, 16. Dezember 2011
Informationen aus dem Internet und deren Zuverlässigkeit


In der taz schreibt Gabriela Keller über ihre Schwierigkeiten über Syrien zu berichten, da sie nicht hinreisen darf und auf Informationen von Internetquellen angewiesen ist. Diese lassen sich aber nur partiell überprüfen. Sie können falsch sein, wie im Fall von Gay Girl in Damascus, bei der es sich um eine völlig erfundene Geschichte gehandelt hat. Sie können aber wie Keller berichtet, auch falsch sein, weil sich Aktivist_innen durch die bewußte Verbereitung einer falschen Meldung schützen wollen. Und sie können aus einer ganzen Reihe von anderen Gründen falsch oder zumindest verfälscht sein. Alleine mit der Hilfe des Internets ist der 'Wahrheitsgehalt' einer Nachricht schwer zu überprüfen.

Im Falle von Razan Ghazzawi weiss ich, dass es sich um eine reale Person handelt, da ich sie persönlich getroffen habe und Emailkontakt mit ihr hatte. Dass sie verhaftet wurde und unter Anklage steht, halte ich für eine recht glaubhafte Meldung, da viele verschiedene Quellen darüber berichten und sie sich nicht gemeldet hat, um den Berichten zu widersprechen. Von meinem Computer in Berlin aus, kann ich das aber nicht weiter überprüfen, ich muss mich auf meine Einschätzung der Glaubwürdigkeit der Nachrichten verlassen.

Auf dieser Grundlage beteilige ich mich an der Aufforderung Free Razan und will weiter darüber schreiben. Und das im Sinne von Razan, die vor ihrer Verhaftung getweetet haben soll, dass das syrische Regime nicht die Gefangenen fürchtet, sondern jene, die diese nicht vergessen.

Nachtrag 19.12.11: So die Nachrichten scheinen sich zu verdichten, dass Razan tatsächlich aus dem Gefängnis entlassen wurde. Amira, die auch beim Young Media Summit gewesen ist, schreibt so auf Global Voices. Ich hoffe sehr, es stimmt.

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Freitag, 9. Dezember 2011
Razans Anliegen


Die syrische Aktivistin Razan Ghazzawi ist verhaftet und in Gefahr, Menschen rund um die Welt treten für ihre Freilassung ein, auf Facebook gibt es die Seite Free Razan. Vor ein paar Tagen stand dort in einer Statusmeldung "how to spread Razan's cause even more". Für mich bedeutet das, sich nicht nur für ihre Freilassung einzusetzen sondern sich für ihr politisches Anliegen einzusetzen. Beides zu vereinbaren finde ich gar nicht so einfach.

Während des Young Media Summits im Frühsommer in Kairo hat sie immer wieder kritisiert, dass die wenigen Facebook-Aktivist_innen viel mehr Aufmerksamkeit bekommen als all die anderen Aktivist_innen und Gefangenen. Sie war dagegen die Aufmerksamkeit auf einzelne Bekannte zu richten. Rund um den Amina Hoax tweetete Razan:

"Back to real activists in danger: are you going to support them like you supported "Amina"? or they have to be gay and speak English first?"

Genau das ist jetzt auch zu fragen: Wer wird gehört? Im Gegensatz zu Amina ist Razan kein Hoax. Aber auch in ihrem Fall scheint international zu ziehen, dass sie sich nicht-heterosexuell definiert und versiert im Englischen ist. Die Lesbenkarte zu ziehen, kann erfolgreich sein, um internationale Unterstützung zu bekommen. Aber genau das ist etwas, dass Razan (soweit ich sie verstanden habe) nicht wollte. Sie hat sich überhaupt gegen die Vereinnahmung der arabischen LGBTIQ* durch Staaten des Nordens gewehrt .

Überhaupt habe ich Razan als eine ungewöhnliche Aktivistin erlebt. Engagiert im syrischen Widerstand hat sie sich klar gegen Nationalismus und seine Ausschlüsse ausgesprochen:

"I do not believe in a ‘national consciousness,’ I don’t believe in nationality, look how it is interpreted by those apologetic to Assad crimes, and those who’re fighting for their dignity and freedom, and they’re all “Syrians.”

So please, do not talk to me about being “Syrians."


und

"I don’t want to be a citizen when other citizens are prevented from getting their rights, I don’t want to be a Syrian when other Syrians cannot be one."

Diese Anliegen von ihr will ich mit unterstützen. Für ihre Freilassung will ich mich einsetzen. Vorallem natürlich weil ich sie kenne und ihr Fall mir sonst gar nicht so nahe käme (Syrien ist weit weg vom Schreibtisch in Berlin und kann gut ausgeblendet werden). Aber auch, weil sie eine besondere und wichtige Perspektive vertritt. Und so blogge ich jetzt schon zum zweitenmal über sie, was ich bei anderen Gefangenen nicht gemacht habe. Ihre internationale Bekanntheit bescherrt ihr mehr Aufmerksamkeit. Diese Form der Aufmerksamkeit hat sie kritisiert. Und doch ist sie nötig - mit all den damit verbundenen Widersprüchen.

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Montag, 5. Dezember 2011
Verschwinden in Syrien


Gerade war der syrische Aktivist Hussein (ein Teilnehmer des Young Media Summits in Kairo im Frühsommer 2011) aus der Haft entlassen worden und Razan hatte darüber gebloggt. Nun ist das Netz voll von Nachrichten, dass Razan (auch eine Teilnehmerin des YMS) selbst verhaftet wurde.

Im Guardian hat Jillian York über Razan und ihren politischen Ansatz geschrieben. So habe ich sie auch erlebt. Beeindruckend im Engagement, klar verankert im kritischen Denken und Dekonstruieren von ausgrenzenden Kollektiven.

Ich hoffe sehr, dass sie bald wieder frei kommt. Im Gegensatz zu Amina ist Razan echt und in akuter Gefahr.

Nachtrag 06.12.11: Gerade gefunden ein FAZ-Interview mit Razan von Anfang November.

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