Mittwoch, 23. August 2006
Wildes Deutschland
SAT1 macht die rassistische Dokusoap Wie die Wilden (mehr dazu bei riemer-o-rama) und die taz berichtet darüber. Anstatt den Rassismus aufzuzeigen und anzuklagen, reproduziert sie die rassistischen Begriffe:

"Es ist etwas im Busch ... Wenn die Wilden ... Die "Wilden" sorgen für eine aufregend-lebendige Kulisse. ... Deutschland zu Gast in den rückständigsten Winkeln der Welt ... Selbsterfahrungsrunde in der Lehmhütte ... im Lendenschurz zwischen den ausgemergelten Einheimischen ... Dreck, dem zu viel an Körperkontakt ... dem Exhibitionismus .... der armseligen Fremde"

Was an diesen (häufig durch EthnologInnen geprägten Begriffen) rassistisch ist, haben Susan Arndt und Antje Hornscheidt in ihrem Nachschlagewerk "Afrika und die deutsche Sprache" (2004, Unrast) ausgeführt. Gemein ist den meisten Begriffen, dass sie das 'Fremde' als primitiver und unzivilisierter als das 'Eigene' darstellen. Das sieht frau schon daran, dass die Begriffe nur für 'Afrika' aber nicht für 'Deutschland' verwandt werden. Da empfinden wir sie klar als unangemessen. Die Begriffe mögen auf den ersten Blick neutral erscheinen, sie sind es aber nicht. Die Assoziationen, die sie hervorrufen, sind klar rassistisch, reproduzieren das Bild von hierarchischer Ungleichheit.

Das Ende des taz-Artikels zeigt das noch mal deutlich:

Und vielleicht kommen bald Stammesmitglieder aus Togo, Indonesien und Namibia nach Deutschland, zum interkulturellen Austausch und zur neuen Soap "Wie die Deutschen - Wilde in Deutschland."

Sollten hier wirklich die Rollen getauscht werden, dann müsste es heissen:

Und vielleicht kommen bald Familien aus Togo, Indonesien und Namibia zu Stämmen nach Deutschland, zum interkulturellen Austausch und zur neuen Soap "Wie die Wilden - Togolesen, Indonesier und Namibier im Busch".

PS: Wenn die taz in einem Bericht über den vermutlichen Bombenleger schreibt:

"aus einem in der Region um das nordlibanesische Tripoli beheimateten Clan"

ist auch dies die Übernahme von rassistischen Begriffen. Warum stammt er nicht aus einer Familie? Warum aus einem Clan? Wann würden wir den Begriff für eine 'Deutsche' benutzen?

Nachtrag 30.08.06: Die taz berichtet auch über die Kritik an der Sendung:

"Die Sensation soll aus der konstruierten Verschiedenheit des Europäers und des ,Wilden' erwachsen", erklärt Roger Künkel, Präsident der Gesellschaft für afrikanische Philosophie. "Es ist eindeutig, dass hier ein Gegensatz hergestellt wird zwischen den Deutschen als Vertretern des entwickelten Homo sapiens und den Himba als Vertretern des unterentwickelten, primitiven Dritte-Welt-Menschen."

Künkel steht mit seiner Kritik nicht allein. "Sat.1 hat durch die Zurschaustellung der Himba deren menschliche Würde verletzt", sagt David Amutenya, Erster Sekretär der Botschaft Namibias in Berlin. Außerdem sei der Titel in kolonialer Sprache verfasst, was Namibia nicht akzeptieren könne.

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Mittwoch, 16. August 2006
Statistik
Im Mikrozensus wird nun auch erhoben, ob die Antwortenden einen Migrationshintergrund haben. So weit ich mich erinnere, wird dieser durch mindestens ein Eltern- oder Großelternteil, das außerhalb 'Deutschlands' geboren wurde, definiert. Dadurch gibt es nun auch neue Zahlen für Berlin. Mit Zahlen argumentieren zu können, dass Migration etwas ganz normales in unserer Gesellschaft ist, mag sinnvoll sein. Aber wie immer bleibt die Frage nach der Definition. Im taz Berlin-Interview wird der Integrationsbeauftragte Günter Piening gefragt:

"Beim Mikrozensus wurden auch Menschen mitgezählt, deren Großeltern nach Deutschland gezogen sind. Kann man Nachkommen in der dritten Generation noch pauschal unter dem Label Migrant erfassen?

und er antwortet:

Ich halte das für sehr problematisch. Da besteht ein bisschen die Gefahr, dass es hier nach dem Motto geht: einmal Migrant, immer Migrant. Wir gehen davon aus, dass wir hier in Berlin - dem internationalen Standard entsprechend - nur die zweite Generation erfassen. Der Teufel liegt aber im Detail: Wie definieren wir zum Beispiel ein Kind aus einer binationalen Partnerschaft? Diese statistischen Fragen werden sicher auch ein paar interessante integrationspolitische Debatten auslösen.

Und damit macht er auf diverse Probleme aufmerksam: Wie definieren 'wir' die 'Anderen'? Welche Folgen hat das? Was ist sinnvoll?

Wenn 'wir' 'uns' die Auswirkungen rassistischer Diskriminierungen anschauen wollen, dann müssten wir eigentlich noch mehrere Generation weiter zurückgehen. 'Schwarze' Deutsche werden in Deutschland als 'Andere' behandelt, auch wenn schon ihre Großeltern hier geboren wurden. Die Kinder einer 'Weißen Französin' und eines 'Weißen Deutschen' hingegen werden nur bei wenigen Gelegenheiten zu 'Anderen' gemacht. Die Kategorie 'mit Migrationshintergrund' fasst sehr viele sehr unterschiedliche Menschen zusammen. Darauf muss frau achten, wenn sie die Zahlen interpretiert.

Eine Gefahr in der Definition liegt auch darin, dass wie zum Beispiel in der Zeitschrift aid - Integration in Deutschland als Gegensatz zu den 'AusländerInnen' und den 'Deutschen mit Migrationshintergrund' nun von 'Deutschen ohne Migrationshintergrund' gesprochen wird. Wer soll das sein? Sind deren Vorfahren tatsächlich nicht (international) migriert? Sassen die vor Zehntausenden von Jahren schon alle hier in Höhlen?

Statistik suggeriert eine Objektivität, die sie nicht hat. Die zugrundeliegenden Definitionen für die Datenerhebung sind bereits durch Vorstellungen über die 'Realität' geprägt und die durch sie produzierten Statistiken können sich davon nicht lösen.

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Donnerstag, 1. Juni 2006
Ausländerfreundlich
In der heutigen taz:

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte gestern, Deutschland werde unter Beweis stellen, "dass unser Land ein ausländerfreundliches Land ist".

Was genau meint Schäuble damit? Das weiss ich natürlich nicht, aber ein bisschen analysieren kann ich ja mal.

Vorallem betont er mit diesem Ausspruch die Konstruktion des Anderen. Er betont die Kategorie des 'Ausländers'. Ob er damit wirklich Menschen aus dem Ausland oder auch InländerInnen meint bleibt unklar. Im 'deutschen' Recht werden mit 'AusländerInnen' Menschen bezeichnet, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Im öffentlichen Diskurs geht die Definition der 'AusländerInnen' weiter und umfasst alle die, die nicht als 'Deutsche' identifiziert werden sollen, egal welche Staatsbürgerschaft sie haben. Der Begriff 'AusländerIn' betont Differenz, betont dass diese Menschen nicht 'Deutsche' sind, legitimiert eine Unterscheidung auf dieser Ebene. Er ist dadurch ausgrenzend, feindlich gegenüber den Anderen. 'Ausländerfreundlich' ist damit ein Widerspruch in sich. Oder soll damit betont werden, dass 'unser' Land Differenzen und Ausgrenzungen begrüßt?

Zur Konstruktion des Anderen durch Begriffe und die damit verbundenen Ausgrenzungsmechanismen empfehle ich als Lektüre Paul Mecheril (2004), Einführung in die Migrationspädagogik.

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Dienstag, 21. Februar 2006
Die Grenzen der Worte
Um über etwas reden zu können, brauchen und gebrauchen wir Worte. Aber diese Worte sind nicht unschuldig. Sie tragen ihre Geschichten mit sich. Sie sind geworden, tragen Bedeutungen und können immer nur kontextualisiert verstanden werden. Sie begrenzen gleichzeitig auch das, was wir ausdrücken können. Dinge, Gefühle, Gedanken, für die wir keine Worte besitzen, können wir kaum denken.

Gerade habe ich einen kurzen Artikel von mir gelesen (und etwas redigiert), den ich 1994 geschrieben habe. Mein Einstieg in die Auseinandersetzung mit 'anders deutsch'. Aber wirklich nur ein Einstieg. Da schreibe ich noch unbefangen von Ausländern, Deutschen und Indern (meine damit auch die Frauen, sage das aber nicht). Ich spreche von Identität und Kultur. Alles Begriffe, die ich heute nur noch in Anführungsstrichen benutzen mag. Sie haben ihre Selbstverständlichkeit für mich verloren.

Auch damals schon merkte ich, dass sie nicht so eindeutig sind, wie sie scheinen. Dass ich mit ihnen nicht wirklich ausdrücken kann, was ich will. Aber ich wusste nicht damit umzugehen. Ich habe sie benutzt und damit auch reproduziert. Ich war in ihnen gefangen, bin ihrer Logik gefolgt, konnte mich nicht so einfach von ihnen lösen.

Inzwischen geht das besser. Inzwischen habe ich verstanden, dass wir Worte auch strategisch einsetzen können. Und mit ihren Grenzen leben müssen.

Wie Mecheril (2003) sagt: „Jede Bezeichnung ist in ihrer Art (un)angemessen, weil sie (nur) bestimmte Aspekte fokussiert und als Bezeichnung die phänomenale oder explanative Signifikanz des Gesichtspunkts suggeriert.“

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